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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781.

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Seht, Herr Pfarrer! die Matte trägt wohl
mehr als für drey Kühe Futter; und wenn ich
zwo halten kann, so habe ich weiß Gott genug,
mehr als ich hätte wünschen dürfen, und ich will von
Herzen gern den Vogt, so lang er lebt, alle Jahre
für eine Kuhe Heu darab nehmen lassen.

Pfarrer. Das ist sehr christlich und brav,
Rudi! der liebe Gott wird dir das Uebrige segnen.

Arner. Das ist wohl recht und schön, Herr
Pfarrer; aber man muß den guten Mann jezt bey
Leibe nicht beym Wort nehmen; er ist von seiner
Freude übernommen. Rudi! ich lobe dein Aner-
bieten; aber du mußst das Ding ein paar Tage
ruhig überlegen, es ist dann noch Zeit so etwas zu
versprechen, wenn du sicher bist, daß es dich nicht
mehr gereuen werde.

Rudi. Ich bin ein armer Mann, Gnädiger
Herr! aber gewiß nicht so, daß mich etwas ehrliches
gereuen sollte, wenn ich's versprochen habe.

Pfarrer. Der Junker hat Recht, Rudi! es
ist für einmal genug, wenn du dir eben nicht viel
für die Nützung versprichst. Wenn sodann der Vogt
doch in Mangel kommen sollte, und du die Sache
bey dir selber genugsam überlegt haben wirst, so
kannst du ja immer noch thun, was du willst.

Rudi. Ja gewiß, Herr Pfarrer! will ich thun,
was ich gesagt habe, wenn der Vogt arm wird.

Jun-

Seht, Herr Pfarrer! die Matte traͤgt wohl
mehr als fuͤr drey Kuͤhe Futter; und wenn ich
zwo halten kann, ſo habe ich weiß Gott genug,
mehr als ich haͤtte wuͤnſchen duͤrfen, und ich will von
Herzen gern den Vogt, ſo lang er lebt, alle Jahre
fuͤr eine Kuhe Heu darab nehmen laſſen.

Pfarrer. Das iſt ſehr chriſtlich und brav,
Rudi! der liebe Gott wird dir das Uebrige ſegnen.

Arner. Das iſt wohl recht und ſchoͤn, Herr
Pfarrer; aber man muß den guten Mann jezt bey
Leibe nicht beym Wort nehmen; er iſt von ſeiner
Freude uͤbernommen. Rudi! ich lobe dein Aner-
bieten; aber du mußſt das Ding ein paar Tage
ruhig uͤberlegen, es iſt dann noch Zeit ſo etwas zu
verſprechen, wenn du ſicher biſt, daß es dich nicht
mehr gereuen werde.

Rudi. Ich bin ein armer Mann, Gnaͤdiger
Herr! aber gewiß nicht ſo, daß mich etwas ehrliches
gereuen ſollte, wenn ich’s verſprochen habe.

Pfarrer. Der Junker hat Recht, Rudi! es
iſt fuͤr einmal genug, wenn du dir eben nicht viel
fuͤr die Nuͤtzung verſprichſt. Wenn ſodann der Vogt
doch in Mangel kommen ſollte, und du die Sache
bey dir ſelber genugſam uͤberlegt haben wirſt, ſo
kannſt du ja immer noch thun, was du willſt.

Rudi. Ja gewiß, Herr Pfarrer! will ich thun,
was ich geſagt habe, wenn der Vogt arm wird.

Jun-
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[370/0395] Seht, Herr Pfarrer! die Matte traͤgt wohl mehr als fuͤr drey Kuͤhe Futter; und wenn ich zwo halten kann, ſo habe ich weiß Gott genug, mehr als ich haͤtte wuͤnſchen duͤrfen, und ich will von Herzen gern den Vogt, ſo lang er lebt, alle Jahre fuͤr eine Kuhe Heu darab nehmen laſſen. Pfarrer. Das iſt ſehr chriſtlich und brav, Rudi! der liebe Gott wird dir das Uebrige ſegnen. Arner. Das iſt wohl recht und ſchoͤn, Herr Pfarrer; aber man muß den guten Mann jezt bey Leibe nicht beym Wort nehmen; er iſt von ſeiner Freude uͤbernommen. Rudi! ich lobe dein Aner- bieten; aber du mußſt das Ding ein paar Tage ruhig uͤberlegen, es iſt dann noch Zeit ſo etwas zu verſprechen, wenn du ſicher biſt, daß es dich nicht mehr gereuen werde. Rudi. Ich bin ein armer Mann, Gnaͤdiger Herr! aber gewiß nicht ſo, daß mich etwas ehrliches gereuen ſollte, wenn ich’s verſprochen habe. Pfarrer. Der Junker hat Recht, Rudi! es iſt fuͤr einmal genug, wenn du dir eben nicht viel fuͤr die Nuͤtzung verſprichſt. Wenn ſodann der Vogt doch in Mangel kommen ſollte, und du die Sache bey dir ſelber genugſam uͤberlegt haben wirſt, ſo kannſt du ja immer noch thun, was du willſt. Rudi. Ja gewiß, Herr Pfarrer! will ich thun, was ich geſagt habe, wenn der Vogt arm wird. Jun-

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 370. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/395>, abgerufen am 27.04.2024.