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Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 3. Wien, 1850.

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Stadt Athen erscheint erst später. -- Ich hatte mir vorgenommen, acht Tage in Athen zu bleiben, um alle Denkmäler und merkwürdigen Orte der Stadt und Umgebung mit Muße besehen zu können; aber kaum war ich aus dem Wagen gestiegen, so erfuhr ich den Ausbruch der Wiener October-Revolution.

Die Revolution vom 24. Februar in Paris hatte ich in Bombay vernommen, jene in den Märztagen meines Vaterlandes zu Bagdad, die ferneren politischen Ereignisse zu Tebis, Tiflis und in andern Städten. In meinem ganzen Leben hatten mich keine Nachrichten so sehr überrascht als jene aus Wien. Meine gemüthlichen, friedliebenden Oesterreicher -- und ein Umsturz der Regierung! -- Ein Erwachen aus langer Lethargie! -- Ich fand die Sache so fabelhaft, daß ich den mündlichen Berichten des Herrn Residenten in Bagdad nicht festen Glauben schenken konnte; er mußte mich durch schwarz auf weiß, nämlich durch Zeitungsblätter überzeugen. Die Ereignisse der Märztage hatten mich so entzückt und begeistert, daß ich mich mit Stolz eine Oesterreicherin nannte. Die späteren Begebenheiten aber vom Mai u. s. w. stimmten mich wieder herab, und vollends die des 6. October erfüllten mich mit Wehmuth und Trauer. Kein Umsturz eines Staates hatte so schön begonnen. Einzig würde er in der Geschichte da gestanden haben, wäre man im Sinne der Märztage fortgefahren; -- und nun mußte es so kommen! -- Ach, ich war über den 6. October so bestürzt und ergriffen, daß ich für alles die Theilnahme verloren hatte. Ueberdieß wußte ich die Meinigen in Wien und hatte keine Nachricht von ihnen. Ich wäre augenblicklich wieder fortgeeilt,

Stadt Athen erscheint erst später. — Ich hatte mir vorgenommen, acht Tage in Athen zu bleiben, um alle Denkmäler und merkwürdigen Orte der Stadt und Umgebung mit Muße besehen zu können; aber kaum war ich aus dem Wagen gestiegen, so erfuhr ich den Ausbruch der Wiener October-Revolution.

Die Revolution vom 24. Februar in Paris hatte ich in Bombay vernommen, jene in den Märztagen meines Vaterlandes zu Bagdad, die ferneren politischen Ereignisse zu Tebis, Tiflis und in andern Städten. In meinem ganzen Leben hatten mich keine Nachrichten so sehr überrascht als jene aus Wien. Meine gemüthlichen, friedliebenden Oesterreicher — und ein Umsturz der Regierung! — Ein Erwachen aus langer Lethargie! — Ich fand die Sache so fabelhaft, daß ich den mündlichen Berichten des Herrn Residenten in Bagdad nicht festen Glauben schenken konnte; er mußte mich durch schwarz auf weiß, nämlich durch Zeitungsblätter überzeugen. Die Ereignisse der Märztage hatten mich so entzückt und begeistert, daß ich mich mit Stolz eine Oesterreicherin nannte. Die späteren Begebenheiten aber vom Mai u. s. w. stimmten mich wieder herab, und vollends die des 6. October erfüllten mich mit Wehmuth und Trauer. Kein Umsturz eines Staates hatte so schön begonnen. Einzig würde er in der Geschichte da gestanden haben, wäre man im Sinne der Märztage fortgefahren; — und nun mußte es so kommen! — Ach, ich war über den 6. October so bestürzt und ergriffen, daß ich für alles die Theilnahme verloren hatte. Ueberdieß wußte ich die Meinigen in Wien und hatte keine Nachricht von ihnen. Ich wäre augenblicklich wieder fortgeeilt,

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[313/0321] Stadt Athen erscheint erst später. — Ich hatte mir vorgenommen, acht Tage in Athen zu bleiben, um alle Denkmäler und merkwürdigen Orte der Stadt und Umgebung mit Muße besehen zu können; aber kaum war ich aus dem Wagen gestiegen, so erfuhr ich den Ausbruch der Wiener October-Revolution. Die Revolution vom 24. Februar in Paris hatte ich in Bombay vernommen, jene in den Märztagen meines Vaterlandes zu Bagdad, die ferneren politischen Ereignisse zu Tebis, Tiflis und in andern Städten. In meinem ganzen Leben hatten mich keine Nachrichten so sehr überrascht als jene aus Wien. Meine gemüthlichen, friedliebenden Oesterreicher — und ein Umsturz der Regierung! — Ein Erwachen aus langer Lethargie! — Ich fand die Sache so fabelhaft, daß ich den mündlichen Berichten des Herrn Residenten in Bagdad nicht festen Glauben schenken konnte; er mußte mich durch schwarz auf weiß, nämlich durch Zeitungsblätter überzeugen. Die Ereignisse der Märztage hatten mich so entzückt und begeistert, daß ich mich mit Stolz eine Oesterreicherin nannte. Die späteren Begebenheiten aber vom Mai u. s. w. stimmten mich wieder herab, und vollends die des 6. October erfüllten mich mit Wehmuth und Trauer. Kein Umsturz eines Staates hatte so schön begonnen. Einzig würde er in der Geschichte da gestanden haben, wäre man im Sinne der Märztage fortgefahren; — und nun mußte es so kommen! — Ach, ich war über den 6. October so bestürzt und ergriffen, daß ich für alles die Theilnahme verloren hatte. Ueberdieß wußte ich die Meinigen in Wien und hatte keine Nachricht von ihnen. Ich wäre augenblicklich wieder fortgeeilt,

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Zitationshilfe: Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 3. Wien, 1850, S. 313. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt03_1850/321>, abgerufen am 27.04.2024.