Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Planck, Max: Vorlesungen über Thermodynamik. Leipzig: Veit & C., 1897.

Bild:
<< vorherige Seite

Grundthatsachen und Definitionen.
als Vorboten der Condensation auf. Eine principielle Trennung
der chemischen von den physikalischen Einflüssen und damit
eine Vervollständigung der Definition des Molekulargewichts für
alle variablen Dampfdichten lässt sich zur Zeit praktisch noch
nicht durchführen; so könnte man die Zunahme der spezifischen
Dichte, welche viele Dämpfe in der Nähe ihres Condensations-
punktes zeigen, ebensowohl chemischen Vorgängen zuschreiben,
nämlich der Bildung einzelner Doppelmoleküle oder überhaupt
vielfacher Moleküle. In der That bestehen über diesen Punkt
noch öfters Meinungsverschiedenheiten, wie z. B. beim Molekular-
gewicht des Schwefeldampfes unterhalb 800°, das gewöhnlich zu
S6 = 192, von Einigen aber auch gemischt mit Molekülen S8 = 256
und S2 = 64, von Anderen noch anders angenommen wird. Im
Allgemeinen wird man in zweifelhaften Fällen am sichersten
gehen, die Frage einstweilen noch offen zu lassen und sowohl
physikalische als auch chemische Veränderungen als Ursache
der Abweichungen von den Gasgesetzen anzunehmen. Nur so-
viel -- und dies ist ein wichtiger Punkt, von dem wir später
Gebrauch machen müssen -- lässt sich mit Sicherheit behaupten,
dass bei geringen Dichten die physikalischen Einflüsse hinter
den chemischen immer mehr zurücktreten werden. Denn nach
allen Erfahrungen nähern sich alle Gase mit abnehmender
Dichte dem idealen Zustand (§ 21).

III. Capitel. Wärmemenge.

§ 44. Taucht man zwei gleich schwere Stücke von Eisen
und von Blei, beide auf 100° erhitzt, in zwei gehörig isolirte, ganz
gleiche Gefässe mit gleichviel Wasser von 0° ein, und wartet
für jedes Gefäss den Zustand des Wärmegleichgewichts ab, so
zeigt das Gefäss mit dem Eisenstück eine bedeutend grössere
Temperaturerhöhung als das mit dem Bleistück. Umgekehrt
wird ein Wasserbad von 100° durch ein Eisenstück von 0° be-
deutend stärker abgekühlt, als durch ein gleich schweres Blei-
stück von 0°. Man unterscheidet daher zwischen Temperatur
und Wärmemenge und nimmt als Maass der von einem Körper
abgegebenen bez. aufgenommenen Wärmemenge diejenige Tem-
peraturerhöhung bez. -Erniedrigung, welche ein mit dem Körper
in Berührung gebrachter Normalkörper (Wasser) erfährt, voraus-

Grundthatsachen und Definitionen.
als Vorboten der Condensation auf. Eine principielle Trennung
der chemischen von den physikalischen Einflüssen und damit
eine Vervollständigung der Definition des Molekulargewichts für
alle variablen Dampfdichten lässt sich zur Zeit praktisch noch
nicht durchführen; so könnte man die Zunahme der spezifischen
Dichte, welche viele Dämpfe in der Nähe ihres Condensations-
punktes zeigen, ebensowohl chemischen Vorgängen zuschreiben,
nämlich der Bildung einzelner Doppelmoleküle oder überhaupt
vielfacher Moleküle. In der That bestehen über diesen Punkt
noch öfters Meinungsverschiedenheiten, wie z. B. beim Molekular-
gewicht des Schwefeldampfes unterhalb 800°, das gewöhnlich zu
S6 = 192, von Einigen aber auch gemischt mit Molekülen S8 = 256
und S2 = 64, von Anderen noch anders angenommen wird. Im
Allgemeinen wird man in zweifelhaften Fällen am sichersten
gehen, die Frage einstweilen noch offen zu lassen und sowohl
physikalische als auch chemische Veränderungen als Ursache
der Abweichungen von den Gasgesetzen anzunehmen. Nur so-
viel — und dies ist ein wichtiger Punkt, von dem wir später
Gebrauch machen müssen — lässt sich mit Sicherheit behaupten,
dass bei geringen Dichten die physikalischen Einflüsse hinter
den chemischen immer mehr zurücktreten werden. Denn nach
allen Erfahrungen nähern sich alle Gase mit abnehmender
Dichte dem idealen Zustand (§ 21).

III. Capitel. Wärmemenge.

§ 44. Taucht man zwei gleich schwere Stücke von Eisen
und von Blei, beide auf 100° erhitzt, in zwei gehörig isolirte, ganz
gleiche Gefässe mit gleichviel Wasser von 0° ein, und wartet
für jedes Gefäss den Zustand des Wärmegleichgewichts ab, so
zeigt das Gefäss mit dem Eisenstück eine bedeutend grössere
Temperaturerhöhung als das mit dem Bleistück. Umgekehrt
wird ein Wasserbad von 100° durch ein Eisenstück von 0° be-
deutend stärker abgekühlt, als durch ein gleich schweres Blei-
stück von 0°. Man unterscheidet daher zwischen Temperatur
und Wärmemenge und nimmt als Maass der von einem Körper
abgegebenen bez. aufgenommenen Wärmemenge diejenige Tem-
peraturerhöhung bez. -Erniedrigung, welche ein mit dem Körper
in Berührung gebrachter Normalkörper (Wasser) erfährt, voraus-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0044" n="28"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#i">Grundthatsachen und Definitionen</hi>.</fw><lb/>
als Vorboten der Condensation auf. Eine principielle Trennung<lb/>
der chemischen von den physikalischen Einflüssen und damit<lb/>
eine Vervollständigung der Definition des Molekulargewichts für<lb/>
alle variablen Dampfdichten lässt sich zur Zeit praktisch noch<lb/>
nicht durchführen; so könnte man die Zunahme der spezifischen<lb/>
Dichte, welche viele Dämpfe in der Nähe ihres Condensations-<lb/>
punktes zeigen, ebensowohl chemischen Vorgängen zuschreiben,<lb/>
nämlich der Bildung einzelner Doppelmoleküle oder überhaupt<lb/>
vielfacher Moleküle. In der That bestehen über diesen Punkt<lb/>
noch öfters Meinungsverschiedenheiten, wie z. B. beim Molekular-<lb/>
gewicht des Schwefeldampfes unterhalb 800°, das gewöhnlich zu<lb/>
S<hi rendition="#sub">6</hi> = 192, von Einigen aber auch gemischt mit Molekülen S<hi rendition="#sub">8</hi> = 256<lb/>
und S<hi rendition="#sub">2</hi> = 64, von Anderen noch anders angenommen wird. Im<lb/>
Allgemeinen wird man in zweifelhaften Fällen am sichersten<lb/>
gehen, die Frage einstweilen noch offen zu lassen und sowohl<lb/>
physikalische als auch chemische Veränderungen als Ursache<lb/>
der Abweichungen von den Gasgesetzen anzunehmen. Nur so-<lb/>
viel &#x2014; und dies ist ein wichtiger Punkt, von dem wir später<lb/>
Gebrauch machen müssen &#x2014; lässt sich mit Sicherheit behaupten,<lb/>
dass bei geringen Dichten die physikalischen Einflüsse hinter<lb/>
den chemischen immer mehr zurücktreten werden. Denn nach<lb/>
allen Erfahrungen nähern sich alle Gase mit abnehmender<lb/>
Dichte dem idealen Zustand (§ 21).</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">III. Capitel. Wärmemenge.</hi> </head><lb/>
          <p><hi rendition="#b">§ 44.</hi> Taucht man zwei gleich schwere Stücke von Eisen<lb/>
und von Blei, beide auf 100° erhitzt, in zwei gehörig isolirte, ganz<lb/>
gleiche Gefässe mit gleichviel Wasser von 0° ein, und wartet<lb/>
für jedes Gefäss den Zustand des Wärmegleichgewichts ab, so<lb/>
zeigt das Gefäss mit dem Eisenstück eine bedeutend grössere<lb/>
Temperaturerhöhung als das mit dem Bleistück. Umgekehrt<lb/>
wird ein Wasserbad von 100° durch ein Eisenstück von 0° be-<lb/>
deutend stärker abgekühlt, als durch ein gleich schweres Blei-<lb/>
stück von 0°. Man unterscheidet daher zwischen Temperatur<lb/>
und <hi rendition="#g">Wärmemenge</hi> und nimmt als Maass der von einem Körper<lb/>
abgegebenen bez. aufgenommenen Wärmemenge diejenige Tem-<lb/>
peraturerhöhung bez. -Erniedrigung, welche ein mit dem Körper<lb/>
in Berührung gebrachter Normalkörper (Wasser) erfährt, voraus-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[28/0044] Grundthatsachen und Definitionen. als Vorboten der Condensation auf. Eine principielle Trennung der chemischen von den physikalischen Einflüssen und damit eine Vervollständigung der Definition des Molekulargewichts für alle variablen Dampfdichten lässt sich zur Zeit praktisch noch nicht durchführen; so könnte man die Zunahme der spezifischen Dichte, welche viele Dämpfe in der Nähe ihres Condensations- punktes zeigen, ebensowohl chemischen Vorgängen zuschreiben, nämlich der Bildung einzelner Doppelmoleküle oder überhaupt vielfacher Moleküle. In der That bestehen über diesen Punkt noch öfters Meinungsverschiedenheiten, wie z. B. beim Molekular- gewicht des Schwefeldampfes unterhalb 800°, das gewöhnlich zu S6 = 192, von Einigen aber auch gemischt mit Molekülen S8 = 256 und S2 = 64, von Anderen noch anders angenommen wird. Im Allgemeinen wird man in zweifelhaften Fällen am sichersten gehen, die Frage einstweilen noch offen zu lassen und sowohl physikalische als auch chemische Veränderungen als Ursache der Abweichungen von den Gasgesetzen anzunehmen. Nur so- viel — und dies ist ein wichtiger Punkt, von dem wir später Gebrauch machen müssen — lässt sich mit Sicherheit behaupten, dass bei geringen Dichten die physikalischen Einflüsse hinter den chemischen immer mehr zurücktreten werden. Denn nach allen Erfahrungen nähern sich alle Gase mit abnehmender Dichte dem idealen Zustand (§ 21). III. Capitel. Wärmemenge. § 44. Taucht man zwei gleich schwere Stücke von Eisen und von Blei, beide auf 100° erhitzt, in zwei gehörig isolirte, ganz gleiche Gefässe mit gleichviel Wasser von 0° ein, und wartet für jedes Gefäss den Zustand des Wärmegleichgewichts ab, so zeigt das Gefäss mit dem Eisenstück eine bedeutend grössere Temperaturerhöhung als das mit dem Bleistück. Umgekehrt wird ein Wasserbad von 100° durch ein Eisenstück von 0° be- deutend stärker abgekühlt, als durch ein gleich schweres Blei- stück von 0°. Man unterscheidet daher zwischen Temperatur und Wärmemenge und nimmt als Maass der von einem Körper abgegebenen bez. aufgenommenen Wärmemenge diejenige Tem- peraturerhöhung bez. -Erniedrigung, welche ein mit dem Körper in Berührung gebrachter Normalkörper (Wasser) erfährt, voraus-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/planck_thermodynamik_1897
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/planck_thermodynamik_1897/44
Zitationshilfe: Planck, Max: Vorlesungen über Thermodynamik. Leipzig: Veit & C., 1897, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/planck_thermodynamik_1897/44>, abgerufen am 26.04.2024.