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Ploetz, Alfred: Grundlinien einer Rassenhygiene. Berlin: Fischer, 1895.

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Schwachen überhaupt. Kranken-, Unfall- und Altersver-
sicherung, Schutz der Arbeiter gegen übermässige Arbeits-
zeit und gegen mancherlei sonstige Beeinträchtigungen durch
die Arbeitgeber, das sind heutzutage gesicherte Errungen-
schaften in vielen Culturländern. Die Gesetzgebung be-
wegt sich ziemlich überall in der Richtung des weiteren
Ausbaues dieser grundlegenden Anfänge, und das Ver-
langen nach dem verfassungsgemäss garantirten Recht auf
Arbeit -- und damit auf den Lebensunterhalt und den
Schutz vor den hauptsächlichsten ausmerzenden Factoren --
hat sich aus einer theoretischen zu einer von grossen Par-
teien gestützten politischen Forderung entwickelt. In wei-
terem Sinne richtet sich auf den Schutz der Schwachen
die Arbeit aller der tausend privaten Wohlthäter, sowie ein
grosser Theil der ärztlichen Thätigkeit.

Die ganze Frage ist also keine akademische mehr, sie
beansprucht das öffentliche Interesse. Es handelt sich
eben um die allerersten Garantien jeder Gesellschaftsform,
um die Erhaltung des gesunden, blühenden Lebens. Die
etwa mögliche Vereinbarung der socialistisch-humanen For-
derungen mit denen der Rassenhygiene wäre demnach von
der grundlegendsten Bedeutung für die fernere Entwickelungs-
richtung der menschlichen Gesellschaft. Daher verdienen
die von Darwinianern und darwinistisch gesinnten Socialisten
gemachten Vereinigungsvorschläge die grösste Aufmerk-
samkeit.

Vorschläge zur Lösung des Conflicts.

Der leichtfertige Rath zu warten, bis unsere Nachkommen
einmal eine Lösung finden, mag ja ganz practisch sein,
gibt uns aber keine Handhabe zur Discussion.

Der Hinweis darauf, dass später der Kampf der
Einzelnen unter einander durch den der Gesammt-
Menschheit gegen die Natur ersetzt werden würde, erscheint
jedem Darwinianer sofort als Missverständniss des eigent-

Schwachen überhaupt. Kranken-, Unfall- und Altersver-
sicherung, Schutz der Arbeiter gegen übermässige Arbeits-
zeit und gegen mancherlei sonstige Beeinträchtigungen durch
die Arbeitgeber, das sind heutzutage gesicherte Errungen-
schaften in vielen Culturländern. Die Gesetzgebung be-
wegt sich ziemlich überall in der Richtung des weiteren
Ausbaues dieser grundlegenden Anfänge, und das Ver-
langen nach dem verfassungsgemäss garantirten Recht auf
Arbeit — und damit auf den Lebensunterhalt und den
Schutz vor den hauptsächlichsten ausmerzenden Factoren —
hat sich aus einer theoretischen zu einer von grossen Par-
teien gestützten politischen Forderung entwickelt. In wei-
terem Sinne richtet sich auf den Schutz der Schwachen
die Arbeit aller der tausend privaten Wohlthäter, sowie ein
grosser Theil der ärztlichen Thätigkeit.

Die ganze Frage ist also keine akademische mehr, sie
beansprucht das öffentliche Interesse. Es handelt sich
eben um die allerersten Garantien jeder Gesellschaftsform,
um die Erhaltung des gesunden, blühenden Lebens. Die
etwa mögliche Vereinbarung der socialistisch-humanen For-
derungen mit denen der Rassenhygiene wäre demnach von
der grundlegendsten Bedeutung für die fernere Entwickelungs-
richtung der menschlichen Gesellschaft. Daher verdienen
die von Darwinianern und darwinistisch gesinnten Socialisten
gemachten Vereinigungsvorschläge die grösste Aufmerk-
samkeit.

Vorschläge zur Lösung des Conflicts.

Der leichtfertige Rath zu warten, bis unsere Nachkommen
einmal eine Lösung finden, mag ja ganz practisch sein,
gibt uns aber keine Handhabe zur Discussion.

Der Hinweis darauf, dass später der Kampf der
Einzelnen unter einander durch den der Gesammt-
Menschheit gegen die Natur ersetzt werden würde, erscheint
jedem Darwinianer sofort als Missverständniss des eigent-

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[212/0232] Schwachen überhaupt. Kranken-, Unfall- und Altersver- sicherung, Schutz der Arbeiter gegen übermässige Arbeits- zeit und gegen mancherlei sonstige Beeinträchtigungen durch die Arbeitgeber, das sind heutzutage gesicherte Errungen- schaften in vielen Culturländern. Die Gesetzgebung be- wegt sich ziemlich überall in der Richtung des weiteren Ausbaues dieser grundlegenden Anfänge, und das Ver- langen nach dem verfassungsgemäss garantirten Recht auf Arbeit — und damit auf den Lebensunterhalt und den Schutz vor den hauptsächlichsten ausmerzenden Factoren — hat sich aus einer theoretischen zu einer von grossen Par- teien gestützten politischen Forderung entwickelt. In wei- terem Sinne richtet sich auf den Schutz der Schwachen die Arbeit aller der tausend privaten Wohlthäter, sowie ein grosser Theil der ärztlichen Thätigkeit. Die ganze Frage ist also keine akademische mehr, sie beansprucht das öffentliche Interesse. Es handelt sich eben um die allerersten Garantien jeder Gesellschaftsform, um die Erhaltung des gesunden, blühenden Lebens. Die etwa mögliche Vereinbarung der socialistisch-humanen For- derungen mit denen der Rassenhygiene wäre demnach von der grundlegendsten Bedeutung für die fernere Entwickelungs- richtung der menschlichen Gesellschaft. Daher verdienen die von Darwinianern und darwinistisch gesinnten Socialisten gemachten Vereinigungsvorschläge die grösste Aufmerk- samkeit. Vorschläge zur Lösung des Conflicts. Der leichtfertige Rath zu warten, bis unsere Nachkommen einmal eine Lösung finden, mag ja ganz practisch sein, gibt uns aber keine Handhabe zur Discussion. Der Hinweis darauf, dass später der Kampf der Einzelnen unter einander durch den der Gesammt- Menschheit gegen die Natur ersetzt werden würde, erscheint jedem Darwinianer sofort als Missverständniss des eigent-

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Zitationshilfe: Ploetz, Alfred: Grundlinien einer Rassenhygiene. Berlin: Fischer, 1895, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ploetz_rassenhygiene_1895/232>, abgerufen am 26.04.2024.