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Ploetz, Alfred: Grundlinien einer Rassenhygiene. Berlin: Fischer, 1895.

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als schönsten Erdengenuss predigen wird, einen Strich
durch die Rechnung machen. Das bewusste Weib lehnt
sich heute schon gegen eine zu starke Inanspruchnahme
im Dienste der Gattung auf. Wo die moderne Frau am
höchsten entwickelt ist, wie in Amerika und England,
kommt das Streben nach fester Monogamie und kleiner
Familie, sowie die manchmal sogar zu starke Abneigung
gegen das viele Kindergebären voll zum Ausdruck. Ein,
zwei, allerhöchstens drei Kinder, weiter versteigt sich das
Ideal des modernen Weibes nicht. Die Hoffnung, das
bessere, gescheidtere Weib werde freiwillig mehr Kinder
zeugen als die andern, scheint mir auf Sand gebaut.

Wallace's Ansicht über die Lösung.

Bei Weitem die bestgegründeten Ansichten über die
Lösung des Conflicts hat bisher Alfred Russel Wallace,
einer der berühmtesten Naturforscher geäussert, derselbe
Mann, der zugleich mit Darwin und unabhängig von ihm
die Selectionstheorie aufstellte, und der später trotz seines
Alters mit mehr Herzensfrische, als sie viele unserer jungen
Gelehrten aufbringen, für seine humanen und socialistischen
Ideale eintrat. Wallace erkannte klar den inneren Conflict
zwischen diesen letzteren und der Selectionstheorie und
legte sich die natürliche Lösung desselben in einer Weise
zurecht, die principiell völlig auf der Grundlage der
Selectionstheorie steht. Er war der erste berechtigte Socialist
auf darwinistischem Boden. Darwin hatte für eine solche
Stellungnahme in wirthschaftlicher Beziehung nicht genügend
lebhafte Interessen, war auch im Allgemeinen stets schüchtern,
sobald es sich darum handelte, aus seiner Theorie weit-
gehende Schlussfolgerungen zu ziehen.

In Anbetracht der Wichtigkeit des Gegenstandes will
ich Wallace's Ansicht ausführlich mit seinen eigenen Worten
wiedergeben: "So bleibt uns denn nur noch übrig, uns zu
überlegen, welche Mittel in einer solchen socialistischen

als schönsten Erdengenuss predigen wird, einen Strich
durch die Rechnung machen. Das bewusste Weib lehnt
sich heute schon gegen eine zu starke Inanspruchnahme
im Dienste der Gattung auf. Wo die moderne Frau am
höchsten entwickelt ist, wie in Amerika und England,
kommt das Streben nach fester Monogamie und kleiner
Familie, sowie die manchmal sogar zu starke Abneigung
gegen das viele Kindergebären voll zum Ausdruck. Ein,
zwei, allerhöchstens drei Kinder, weiter versteigt sich das
Ideal des modernen Weibes nicht. Die Hoffnung, das
bessere, gescheidtere Weib werde freiwillig mehr Kinder
zeugen als die andern, scheint mir auf Sand gebaut.

Wallace’s Ansicht über die Lösung.

Bei Weitem die bestgegründeten Ansichten über die
Lösung des Conflicts hat bisher Alfred Russel Wallace,
einer der berühmtesten Naturforscher geäussert, derselbe
Mann, der zugleich mit Darwin und unabhängig von ihm
die Selectionstheorie aufstellte, und der später trotz seines
Alters mit mehr Herzensfrische, als sie viele unserer jungen
Gelehrten aufbringen, für seine humanen und socialistischen
Ideale eintrat. Wallace erkannte klar den inneren Conflict
zwischen diesen letzteren und der Selectionstheorie und
legte sich die natürliche Lösung desselben in einer Weise
zurecht, die principiell völlig auf der Grundlage der
Selectionstheorie steht. Er war der erste berechtigte Socialist
auf darwinistischem Boden. Darwin hatte für eine solche
Stellungnahme in wirthschaftlicher Beziehung nicht genügend
lebhafte Interessen, war auch im Allgemeinen stets schüchtern,
sobald es sich darum handelte, aus seiner Theorie weit-
gehende Schlussfolgerungen zu ziehen.

In Anbetracht der Wichtigkeit des Gegenstandes will
ich Wallace’s Ansicht ausführlich mit seinen eigenen Worten
wiedergeben: „So bleibt uns denn nur noch übrig, uns zu
überlegen, welche Mittel in einer solchen socialistischen

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[217/0237] als schönsten Erdengenuss predigen wird, einen Strich durch die Rechnung machen. Das bewusste Weib lehnt sich heute schon gegen eine zu starke Inanspruchnahme im Dienste der Gattung auf. Wo die moderne Frau am höchsten entwickelt ist, wie in Amerika und England, kommt das Streben nach fester Monogamie und kleiner Familie, sowie die manchmal sogar zu starke Abneigung gegen das viele Kindergebären voll zum Ausdruck. Ein, zwei, allerhöchstens drei Kinder, weiter versteigt sich das Ideal des modernen Weibes nicht. Die Hoffnung, das bessere, gescheidtere Weib werde freiwillig mehr Kinder zeugen als die andern, scheint mir auf Sand gebaut. Wallace’s Ansicht über die Lösung. Bei Weitem die bestgegründeten Ansichten über die Lösung des Conflicts hat bisher Alfred Russel Wallace, einer der berühmtesten Naturforscher geäussert, derselbe Mann, der zugleich mit Darwin und unabhängig von ihm die Selectionstheorie aufstellte, und der später trotz seines Alters mit mehr Herzensfrische, als sie viele unserer jungen Gelehrten aufbringen, für seine humanen und socialistischen Ideale eintrat. Wallace erkannte klar den inneren Conflict zwischen diesen letzteren und der Selectionstheorie und legte sich die natürliche Lösung desselben in einer Weise zurecht, die principiell völlig auf der Grundlage der Selectionstheorie steht. Er war der erste berechtigte Socialist auf darwinistischem Boden. Darwin hatte für eine solche Stellungnahme in wirthschaftlicher Beziehung nicht genügend lebhafte Interessen, war auch im Allgemeinen stets schüchtern, sobald es sich darum handelte, aus seiner Theorie weit- gehende Schlussfolgerungen zu ziehen. In Anbetracht der Wichtigkeit des Gegenstandes will ich Wallace’s Ansicht ausführlich mit seinen eigenen Worten wiedergeben: „So bleibt uns denn nur noch übrig, uns zu überlegen, welche Mittel in einer solchen socialistischen

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Zitationshilfe: Ploetz, Alfred: Grundlinien einer Rassenhygiene. Berlin: Fischer, 1895, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ploetz_rassenhygiene_1895/237>, abgerufen am 26.04.2024.