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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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Er ließ ein "Ho, Alter, ho!" vernehmen -- was dem
Pferde galt -- dann wandte er sich mit blödem Lachen an seinen
Schwager: "Wo in drei Teifels Namen nimmst denn Du dan
Hafer her, zum verkefen, jetzt im Frühjuhre?"

"Mir hon gelt allens zusommde gekroatzt uf'n Schittboden,
's is'n immer nuch ane Handvell ibrig fir de Pferde. Ich
dachte ock und ich meente, weil er jetzt on Preis hat, dacht'ch,
De verkefst'n, ehbs daß er wieder billig wird, dar Hafer."

"Ich kennte grode a Zentner a zahne gebrauchen," meinte
der Gastwirt, "wenn er nich zu huch käme."

"Der Marktpreis sticht ja im Blattel."

"An Marktpreis mecht'ch nu grode ne zahlen, wenn'ch 'n
vun Dir nahme, den Hafer. Du wirst duch an nahen Ver¬
wandten ne iberteuern wullen, Traugott." -- Kaschelernst
verstand es, ungemein treuherzig dreinzublicken, wenn er wollte.

"Vun wegen der Verwandtschaft!" rief der Büttner¬
bauer erregt. "Sechsdeholb Prozent von an nahen Verwandten
furdern, wenn ersch's Geld nötig hat, das kannst Du! --
Gih mer aus 'n Wege, ich will furt!"

Kaschelernst ließ den Kopf des Pferdes nicht los, trotz des
drohend erhobenen Peitschenstils. "Ich will der wos sagen,
Traugott!" meinte er, "ich ha' mersch iberlegt seit neilich, wegen
der Hypothek von Karl Leberechten. Ich will dersch Geld
mit finf Prozent burgen. Ich will's machen, ock weil Du's
bist, Traugott! Du brauchst's am Ende netig. Ich ha' mersch
iberlegt; ich will Dersch gahn, mit finf Prozent."

Der Bauer blickte seinen Schwager mißtrauisch an. Was
hatte denn den auf einmal so umgestimmt? Neulich hatte er
noch sechs und ein halb Prozent verlangt, und keinen Pfennig
darunter, wenn er die Hypothek, die dem Büttnerbauer von
seinem Bruder Karl Leberecht gekündigt worden war, übernehmen
solle. Daß Kaschelernst ihm nichts zu Liebe thun werde,
wußte der Bauer nur zu genau. Andererseits lockte das An¬
erbieten. Fünf Prozent für die Hypothek. -- Es war immer
noch Geld genug! Vielleicht bekam man's doch noch um ein
halb Prozent billiger in der Stadt. Überhaupt war es viel¬

Er ließ ein „Ho, Alter, ho!“ vernehmen — was dem
Pferde galt — dann wandte er ſich mit blödem Lachen an ſeinen
Schwager: „Wo in drei Teifels Namen nimmſt denn Du dan
Hafer her, zum verkefen, jetzt im Frühjuhre?“

„Mir hon gelt allens zuſommde gekroatzt uf'n Schittboden,
's is'n immer nuch ane Handvell ibrig fir de Pferde. Ich
dachte ock und ich meente, weil er jetzt on Preis hat, dacht'ch,
De verkefſt'n, ehbs daß er wieder billig wird, dar Hafer.“

„Ich kennte grode a Zentner a zahne gebrauchen,“ meinte
der Gaſtwirt, „wenn er nich zu huch käme.“

„Der Marktpreis ſticht ja im Blattel.“

„An Marktpreis mecht'ch nu grode ne zahlen, wenn'ch 'n
vun Dir nahme, den Hafer. Du wirſt duch an nahen Ver¬
wandten ne iberteuern wullen, Traugott.“ — Kaſchelernſt
verſtand es, ungemein treuherzig dreinzublicken, wenn er wollte.

„Vun wegen der Verwandtſchaft!“ rief der Büttner¬
bauer erregt. „Sechsdeholb Prozent von an nahen Verwandten
furdern, wenn erſch's Geld nötig hat, das kannſt Du! —
Gih mer aus 'n Wege, ich will furt!“

Kaſchelernſt ließ den Kopf des Pferdes nicht los, trotz des
drohend erhobenen Peitſchenſtils. „Ich will der wos ſagen,
Traugott!“ meinte er, „ich ha' merſch iberlegt ſeit neilich, wegen
der Hypothek von Karl Leberechten. Ich will derſch Geld
mit finf Prozent burgen. Ich will's machen, ock weil Du's
biſt, Traugott! Du brauchſt's am Ende netig. Ich ha' merſch
iberlegt; ich will Derſch gahn, mit finf Prozent.“

Der Bauer blickte ſeinen Schwager mißtrauiſch an. Was
hatte denn den auf einmal ſo umgeſtimmt? Neulich hatte er
noch ſechs und ein halb Prozent verlangt, und keinen Pfennig
darunter, wenn er die Hypothek, die dem Büttnerbauer von
ſeinem Bruder Karl Leberecht gekündigt worden war, übernehmen
ſolle. Daß Kaſchelernſt ihm nichts zu Liebe thun werde,
wußte der Bauer nur zu genau. Andererſeits lockte das An¬
erbieten. Fünf Prozent für die Hypothek. — Es war immer
noch Geld genug! Vielleicht bekam man's doch noch um ein
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[34/0048] Er ließ ein „Ho, Alter, ho!“ vernehmen — was dem Pferde galt — dann wandte er ſich mit blödem Lachen an ſeinen Schwager: „Wo in drei Teifels Namen nimmſt denn Du dan Hafer her, zum verkefen, jetzt im Frühjuhre?“ „Mir hon gelt allens zuſommde gekroatzt uf'n Schittboden, 's is'n immer nuch ane Handvell ibrig fir de Pferde. Ich dachte ock und ich meente, weil er jetzt on Preis hat, dacht'ch, De verkefſt'n, ehbs daß er wieder billig wird, dar Hafer.“ „Ich kennte grode a Zentner a zahne gebrauchen,“ meinte der Gaſtwirt, „wenn er nich zu huch käme.“ „Der Marktpreis ſticht ja im Blattel.“ „An Marktpreis mecht'ch nu grode ne zahlen, wenn'ch 'n vun Dir nahme, den Hafer. Du wirſt duch an nahen Ver¬ wandten ne iberteuern wullen, Traugott.“ — Kaſchelernſt verſtand es, ungemein treuherzig dreinzublicken, wenn er wollte. „Vun wegen der Verwandtſchaft!“ rief der Büttner¬ bauer erregt. „Sechsdeholb Prozent von an nahen Verwandten furdern, wenn erſch's Geld nötig hat, das kannſt Du! — Gih mer aus 'n Wege, ich will furt!“ Kaſchelernſt ließ den Kopf des Pferdes nicht los, trotz des drohend erhobenen Peitſchenſtils. „Ich will der wos ſagen, Traugott!“ meinte er, „ich ha' merſch iberlegt ſeit neilich, wegen der Hypothek von Karl Leberechten. Ich will derſch Geld mit finf Prozent burgen. Ich will's machen, ock weil Du's biſt, Traugott! Du brauchſt's am Ende netig. Ich ha' merſch iberlegt; ich will Derſch gahn, mit finf Prozent.“ Der Bauer blickte ſeinen Schwager mißtrauiſch an. Was hatte denn den auf einmal ſo umgeſtimmt? Neulich hatte er noch ſechs und ein halb Prozent verlangt, und keinen Pfennig darunter, wenn er die Hypothek, die dem Büttnerbauer von ſeinem Bruder Karl Leberecht gekündigt worden war, übernehmen ſolle. Daß Kaſchelernſt ihm nichts zu Liebe thun werde, wußte der Bauer nur zu genau. Andererſeits lockte das An¬ erbieten. Fünf Prozent für die Hypothek. — Es war immer noch Geld genug! Vielleicht bekam man's doch noch um ein halb Prozent billiger in der Stadt. Überhaupt war es viel¬

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/48>, abgerufen am 26.04.2024.