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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830.

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Beste Julie, Dir heute zu schreiben, ist wirklich
ein effort, der einer Belohnung werth ist, denn ich
bin übermäßig ermüdet, und habe, wie mein Vater
Napoleon, beständig Kaffe trinken müssen, um wach
bleiben zu können. *)

Um neun Uhr früh verließ ich Killarney in einem
Carr (Karren) von der schlechtesten Beschaffenheit,
und folgte der neuen Chaussee, die längs des mitt-
lern und obern See's nach der Bay von Kenmare
führt. Diese Straße entwickelt mehr Schönheiten,
als man auf den Seen selbst findet, da diese den
großen Nachtheil haben, an den meisten Stellen nur
auf der einen Seite eine malerische Aussicht zu ge-
währen, auf der andern aber blos flaches Land dar-
bieten. Hier auf der Straße hingegen, welche am
Abhange der Berge durch den Wald führt, bilden
sich bei jeder Wendung geschlossenere, und eben des-
halb schönere Gemälde. Ich finde überhaupt, daß
Aussichten, vom Wasserspiegel aus gesehen, immer

*) Der Maitre d'Hotel, welcher neulich auch über
Napoleons Leben Memoiren herausgegeben, hat den
Kaiser von dieser Beschuldigung mit Indignation los-
gesprochen. Diese Memoiren sind gewiß die schmei-
chel haftesten für den großen Mann, denn sie beweisen:
qu il est reste heros, meme pour son valet de
chambre!

A. d. H.
20*

Beſte Julie, Dir heute zu ſchreiben, iſt wirklich
ein effort, der einer Belohnung werth iſt, denn ich
bin übermäßig ermüdet, und habe, wie mein Vater
Napoleon, beſtändig Kaffe trinken müſſen, um wach
bleiben zu können. *)

Um neun Uhr früh verließ ich Killarney in einem
Carr (Karren) von der ſchlechteſten Beſchaffenheit,
und folgte der neuen Chauſſee, die längs des mitt-
lern und obern See’s nach der Bay von Kenmare
führt. Dieſe Straße entwickelt mehr Schönheiten,
als man auf den Seen ſelbſt findet, da dieſe den
großen Nachtheil haben, an den meiſten Stellen nur
auf der einen Seite eine maleriſche Ausſicht zu ge-
währen, auf der andern aber blos flaches Land dar-
bieten. Hier auf der Straße hingegen, welche am
Abhange der Berge durch den Wald führt, bilden
ſich bei jeder Wendung geſchloſſenere, und eben des-
halb ſchönere Gemälde. Ich finde überhaupt, daß
Ausſichten, vom Waſſerſpiegel aus geſehen, immer

*) Der Maitre d’Hotel, welcher neulich auch uͤber
Napoleons Leben Memoiren herausgegeben, hat den
Kaiſer von dieſer Beſchuldigung mit Indignation los-
geſprochen. Dieſe Memoiren ſind gewiß die ſchmei-
chel hafteſten für den großen Mann, denn ſie beweiſen:
qú il est resté heros, mème pour son valet de
chambre!

A. d. H.
20*
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[307/0331] Glengariff, den 26ſten. Beſte Julie, Dir heute zu ſchreiben, iſt wirklich ein effort, der einer Belohnung werth iſt, denn ich bin übermäßig ermüdet, und habe, wie mein Vater Napoleon, beſtändig Kaffe trinken müſſen, um wach bleiben zu können. *) Um neun Uhr früh verließ ich Killarney in einem Carr (Karren) von der ſchlechteſten Beſchaffenheit, und folgte der neuen Chauſſee, die längs des mitt- lern und obern See’s nach der Bay von Kenmare führt. Dieſe Straße entwickelt mehr Schönheiten, als man auf den Seen ſelbſt findet, da dieſe den großen Nachtheil haben, an den meiſten Stellen nur auf der einen Seite eine maleriſche Ausſicht zu ge- währen, auf der andern aber blos flaches Land dar- bieten. Hier auf der Straße hingegen, welche am Abhange der Berge durch den Wald führt, bilden ſich bei jeder Wendung geſchloſſenere, und eben des- halb ſchönere Gemälde. Ich finde überhaupt, daß Ausſichten, vom Waſſerſpiegel aus geſehen, immer *) Der Maitre d’Hotel, welcher neulich auch uͤber Napoleons Leben Memoiren herausgegeben, hat den Kaiſer von dieſer Beſchuldigung mit Indignation los- geſprochen. Dieſe Memoiren ſind gewiß die ſchmei- chel hafteſten für den großen Mann, denn ſie beweiſen: qú il est resté heros, mème pour son valet de chambre! A. d. H. 20*

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/331>, abgerufen am 19.03.2024.