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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830.

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ihrer Flucht über Abhänge hinab, wo ihnen so leicht
niemand folgen würde. Die Wolle dieser Thiere ist
die gröbste, aber ihr Fleisch dagegen das zarteste
und wohlschmeckendste, das es giebt. Auch legen die
Londner Gourmands einen großen Werth darauf,
und behaupten, daß wer nicht Hammelfleisch vom
Snowdon gegessen, gar keinen Begriff davon habe,
welches Ideal ein Schöpsenbraten zu erreichen im
Stande sey.

Ein anderes mal kam ich fast in Collision mit ei-
nem großen Raubvogel, der, langsam mit ausge-
breiteten Flügeln schwebend, den Blick so emsig nach
der Tiefe gerichtet hatte, und so wenig darauf rechnen
mochte, auf der unzugänglichen Felsenkuppe meine
Bekanntschaft zu machen, daß er mich nicht eher be-
merkte, bis ich ihn fast mit Händen greifen konnte.
Jetzt schnellte er zwar, wie ein Pfeil hinweg, ver-
ließ aber den Gegenstand seiner unterirdischen For-
schungen keineswegs, und lange sah ich ihn noch,
gleich einem Punkt, im blauen Aether schiffen, bis
die Sonne hinter den hervorspringenden Bergen
hinabsank. Ich suchte nun in möglichst grader Linie
zu der Hütte herab zu kommen, in der ich früher
einen Augenblick verweilt hatte. Nicht weit davon
melkte ein Mädchen ihre Kühe, deren frische Milch
mir sehr willkommen war, und bei der ich auch mei-
nen Führer wieder antraf. Dies machte ich mir
dankbar zu Nutze, um den Rest des Weges, in mei-
nen Mantel gehüllt, auf dem sichern Pony recht
wohlthuend auszuruhen. Nachdem ich mich im Gast-

ihrer Flucht über Abhänge hinab, wo ihnen ſo leicht
niemand folgen würde. Die Wolle dieſer Thiere iſt
die gröbſte, aber ihr Fleiſch dagegen das zarteſte
und wohlſchmeckendſte, das es giebt. Auch legen die
Londner Gourmands einen großen Werth darauf,
und behaupten, daß wer nicht Hammelfleiſch vom
Snowdon gegeſſen, gar keinen Begriff davon habe,
welches Ideal ein Schöpſenbraten zu erreichen im
Stande ſey.

Ein anderes mal kam ich faſt in Colliſion mit ei-
nem großen Raubvogel, der, langſam mit ausge-
breiteten Flügeln ſchwebend, den Blick ſo emſig nach
der Tiefe gerichtet hatte, und ſo wenig darauf rechnen
mochte, auf der unzugänglichen Felſenkuppe meine
Bekanntſchaft zu machen, daß er mich nicht eher be-
merkte, bis ich ihn faſt mit Händen greifen konnte.
Jetzt ſchnellte er zwar, wie ein Pfeil hinweg, ver-
ließ aber den Gegenſtand ſeiner unterirdiſchen For-
ſchungen keineswegs, und lange ſah ich ihn noch,
gleich einem Punkt, im blauen Aether ſchiffen, bis
die Sonne hinter den hervorſpringenden Bergen
hinabſank. Ich ſuchte nun in möglichſt grader Linie
zu der Hütte herab zu kommen, in der ich früher
einen Augenblick verweilt hatte. Nicht weit davon
melkte ein Mädchen ihre Kühe, deren friſche Milch
mir ſehr willkommen war, und bei der ich auch mei-
nen Führer wieder antraf. Dies machte ich mir
dankbar zu Nutze, um den Reſt des Weges, in mei-
nen Mantel gehüllt, auf dem ſichern Pony recht
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[73/0097] ihrer Flucht über Abhänge hinab, wo ihnen ſo leicht niemand folgen würde. Die Wolle dieſer Thiere iſt die gröbſte, aber ihr Fleiſch dagegen das zarteſte und wohlſchmeckendſte, das es giebt. Auch legen die Londner Gourmands einen großen Werth darauf, und behaupten, daß wer nicht Hammelfleiſch vom Snowdon gegeſſen, gar keinen Begriff davon habe, welches Ideal ein Schöpſenbraten zu erreichen im Stande ſey. Ein anderes mal kam ich faſt in Colliſion mit ei- nem großen Raubvogel, der, langſam mit ausge- breiteten Flügeln ſchwebend, den Blick ſo emſig nach der Tiefe gerichtet hatte, und ſo wenig darauf rechnen mochte, auf der unzugänglichen Felſenkuppe meine Bekanntſchaft zu machen, daß er mich nicht eher be- merkte, bis ich ihn faſt mit Händen greifen konnte. Jetzt ſchnellte er zwar, wie ein Pfeil hinweg, ver- ließ aber den Gegenſtand ſeiner unterirdiſchen For- ſchungen keineswegs, und lange ſah ich ihn noch, gleich einem Punkt, im blauen Aether ſchiffen, bis die Sonne hinter den hervorſpringenden Bergen hinabſank. Ich ſuchte nun in möglichſt grader Linie zu der Hütte herab zu kommen, in der ich früher einen Augenblick verweilt hatte. Nicht weit davon melkte ein Mädchen ihre Kühe, deren friſche Milch mir ſehr willkommen war, und bei der ich auch mei- nen Führer wieder antraf. Dies machte ich mir dankbar zu Nutze, um den Reſt des Weges, in mei- nen Mantel gehüllt, auf dem ſichern Pony recht wohlthuend auszuruhen. Nachdem ich mich im Gaſt-

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/97>, abgerufen am 26.04.2024.