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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830.

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sagte zu dem Herrn der Stage, der selbst fuhr, der
Besitzer dieses schönen Parks müsse ein glücklicher
Mann seyn! Keineswegs, erwiederte er, der arme Teufel
ist voller Schulden, hat eine zahlreiche Familie, und
wünscht gar sehr, einen guten Käufer für Piercefield
zu finden. Vor drei Monaten war schon Alles rich-
tig, mit einem reichen Kaufmann aus Liverpool, der
das schöne Gut für seinen jüngsten Sohn bestimmte.
Doch ehe noch abgeschlossen wurde, verheirathet sich
dieser Sohn heimlich mit einer Schauspielerin, der
Vater enterbt ihn, und so wurde der Kauf rück-
gängig. Das hätte wahrlich Stoff zu einigen mora-
lischen Betrachtungen gegeben! Das Wetter wurde
unterdessen immer abscheulicher, und artete zuletzt in
einen völligen Sturm aus. Wir hatten ihn zwar im
Rücken, dennoch war die Fahrt über den Channel
höchst unangenehm. Die vier Pferde, alles Gepäck,
und die Passagiere wurden pele mele in ein kleines
Boot gepackt, so voll und gepreßt, daß man sich kaum
darin rühren konnte. Der Posten neben den Pferden
war wirklich gefährlich, da sie sich zuweilen vor den
Segeln scheuten, besonders wenn diese gewandt wur-
den. Ein Herr fiel bei einer solcher Gelegenheit,
sammt der Kiste, auf der er saß, grade unter sie,
wurde aber von den gutmüthigen Thieren nur ein
wenig getreten, glücklicherweise aber nicht geschlagen,
wie es ihm leicht hätte arriviren können. Das
Boot, heftig vom Sturm getrieben, lag ganz auf
einer Seite, und unaufhörlich spritzten die Wellen
über, und durchnäßten uns von Kopf bis zu Fuß. Als

ſagte zu dem Herrn der Stage, der ſelbſt fuhr, der
Beſitzer dieſes ſchönen Parks müſſe ein glücklicher
Mann ſeyn! Keineswegs, erwiederte er, der arme Teufel
iſt voller Schulden, hat eine zahlreiche Familie, und
wünſcht gar ſehr, einen guten Käufer für Piercefield
zu finden. Vor drei Monaten war ſchon Alles rich-
tig, mit einem reichen Kaufmann aus Liverpool, der
das ſchöne Gut für ſeinen jüngſten Sohn beſtimmte.
Doch ehe noch abgeſchloſſen wurde, verheirathet ſich
dieſer Sohn heimlich mit einer Schauſpielerin, der
Vater enterbt ihn, und ſo wurde der Kauf rück-
gängig. Das hätte wahrlich Stoff zu einigen mora-
liſchen Betrachtungen gegeben! Das Wetter wurde
unterdeſſen immer abſcheulicher, und artete zuletzt in
einen völligen Sturm aus. Wir hatten ihn zwar im
Rücken, dennoch war die Fahrt über den Channel
höchſt unangenehm. Die vier Pferde, alles Gepäck,
und die Paſſagiere wurden pèle mêle in ein kleines
Boot gepackt, ſo voll und gepreßt, daß man ſich kaum
darin rühren konnte. Der Poſten neben den Pferden
war wirklich gefährlich, da ſie ſich zuweilen vor den
Segeln ſcheuten, beſonders wenn dieſe gewandt wur-
den. Ein Herr fiel bei einer ſolcher Gelegenheit,
ſammt der Kiſte, auf der er ſaß, grade unter ſie,
wurde aber von den gutmüthigen Thieren nur ein
wenig getreten, glücklicherweiſe aber nicht geſchlagen,
wie es ihm leicht hätte arriviren können. Das
Boot, heftig vom Sturm getrieben, lag ganz auf
einer Seite, und unaufhörlich ſpritzten die Wellen
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[262/0284] ſagte zu dem Herrn der Stage, der ſelbſt fuhr, der Beſitzer dieſes ſchönen Parks müſſe ein glücklicher Mann ſeyn! Keineswegs, erwiederte er, der arme Teufel iſt voller Schulden, hat eine zahlreiche Familie, und wünſcht gar ſehr, einen guten Käufer für Piercefield zu finden. Vor drei Monaten war ſchon Alles rich- tig, mit einem reichen Kaufmann aus Liverpool, der das ſchöne Gut für ſeinen jüngſten Sohn beſtimmte. Doch ehe noch abgeſchloſſen wurde, verheirathet ſich dieſer Sohn heimlich mit einer Schauſpielerin, der Vater enterbt ihn, und ſo wurde der Kauf rück- gängig. Das hätte wahrlich Stoff zu einigen mora- liſchen Betrachtungen gegeben! Das Wetter wurde unterdeſſen immer abſcheulicher, und artete zuletzt in einen völligen Sturm aus. Wir hatten ihn zwar im Rücken, dennoch war die Fahrt über den Channel höchſt unangenehm. Die vier Pferde, alles Gepäck, und die Paſſagiere wurden pèle mêle in ein kleines Boot gepackt, ſo voll und gepreßt, daß man ſich kaum darin rühren konnte. Der Poſten neben den Pferden war wirklich gefährlich, da ſie ſich zuweilen vor den Segeln ſcheuten, beſonders wenn dieſe gewandt wur- den. Ein Herr fiel bei einer ſolcher Gelegenheit, ſammt der Kiſte, auf der er ſaß, grade unter ſie, wurde aber von den gutmüthigen Thieren nur ein wenig getreten, glücklicherweiſe aber nicht geſchlagen, wie es ihm leicht hätte arriviren können. Das Boot, heftig vom Sturm getrieben, lag ganz auf einer Seite, und unaufhörlich ſpritzten die Wellen über, und durchnäßten uns von Kopf bis zu Fuß. Als

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/284>, abgerufen am 26.04.2024.