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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831.

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walt zerstört wurde, steht noch felsenfest seit Wilhelm
des Eroberers Zeiten, also mehr als 800 Jahre. Be-
sonders schön sind die Ueberreste des Eßsaals mit
colossalen Säulen, verbunden durch reich verzierte
sächsische Bogen. Die Stein-Ornamente wurden alle
in der Normandie gearbeitet und zu Wasser herge-
sandt. Ich erstieg die höchste Spitze der Ruine, wo
ich eine herrliche Aussicht fand, auf die Vereinigung
der beiden Flüsse Medway und Themse, die Städte
Rochester und Chatham nebst den Dock-Yards in der
letzten, und einer reich bebauten Umgegend.

Zum Dine bekam unsere Gesellschaft einen Zuwachs
durch Mr. und Msts. P ..., Mr. M . . . . und
einen Neffen Lord D . . . . s; Msts. P ... er-
zählte eine gute Anekdote vom Schauspieler Kemble.
Auf einer seiner Kunstreisen in der Provinz spielte
dieser in einem Stück, worin ein Kameel vorkömmt.
Er sprach deßhalb mit dem Decorateur und äusserte:
daß gerade, wie er heute gesehen, ein Kameel in der
Stadt sey -- der Decorateur möge sich es daher an-
sehen, um sein artificielles Thier demselben so ähn-
lich als möglich zu machen. Der Mann schien hier-
über sehr verdrüßlich und erwiederte: es thäte ihm
leid, daß die Herren von London glaubten, in der
Provinz sey man so gar unwissend; was ihn beträfe,
so schmeichle er sich, ohne weitere Inspektion, heut
Abend ein natürlicheres Kameel herzustellen, als
irgendwo eins in der Stadt umhergehen könne.

walt zerſtört wurde, ſteht noch felſenfeſt ſeit Wilhelm
des Eroberers Zeiten, alſo mehr als 800 Jahre. Be-
ſonders ſchön ſind die Ueberreſte des Eßſaals mit
coloſſalen Säulen, verbunden durch reich verzierte
ſächſiſche Bogen. Die Stein-Ornamente wurden alle
in der Normandie gearbeitet und zu Waſſer herge-
ſandt. Ich erſtieg die höchſte Spitze der Ruine, wo
ich eine herrliche Ausſicht fand, auf die Vereinigung
der beiden Flüſſe Medway und Themſe, die Städte
Rocheſter und Chatham nebſt den Dock-Yards in der
letzten, und einer reich bebauten Umgegend.

Zum Diné bekam unſere Geſellſchaft einen Zuwachs
durch Mr. und Mſts. P …, Mr. M . . . . und
einen Neffen Lord D . . . . s; Mſts. P … er-
zählte eine gute Anekdote vom Schauſpieler Kemble.
Auf einer ſeiner Kunſtreiſen in der Provinz ſpielte
dieſer in einem Stück, worin ein Kameel vorkömmt.
Er ſprach deßhalb mit dem Decorateur und äuſſerte:
daß gerade, wie er heute geſehen, ein Kameel in der
Stadt ſey — der Decorateur möge ſich es daher an-
ſehen, um ſein artificielles Thier demſelben ſo ähn-
lich als möglich zu machen. Der Mann ſchien hier-
über ſehr verdrüßlich und erwiederte: es thäte ihm
leid, daß die Herren von London glaubten, in der
Provinz ſey man ſo gar unwiſſend; was ihn beträfe,
ſo ſchmeichle er ſich, ohne weitere Inſpektion, heut
Abend ein natürlicheres Kameel herzuſtellen, als
irgendwo eins in der Stadt umhergehen könne.

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[386/0406] walt zerſtört wurde, ſteht noch felſenfeſt ſeit Wilhelm des Eroberers Zeiten, alſo mehr als 800 Jahre. Be- ſonders ſchön ſind die Ueberreſte des Eßſaals mit coloſſalen Säulen, verbunden durch reich verzierte ſächſiſche Bogen. Die Stein-Ornamente wurden alle in der Normandie gearbeitet und zu Waſſer herge- ſandt. Ich erſtieg die höchſte Spitze der Ruine, wo ich eine herrliche Ausſicht fand, auf die Vereinigung der beiden Flüſſe Medway und Themſe, die Städte Rocheſter und Chatham nebſt den Dock-Yards in der letzten, und einer reich bebauten Umgegend. Zum Diné bekam unſere Geſellſchaft einen Zuwachs durch Mr. und Mſts. P …, Mr. M . . . . und einen Neffen Lord D . . . . s; Mſts. P … er- zählte eine gute Anekdote vom Schauſpieler Kemble. Auf einer ſeiner Kunſtreiſen in der Provinz ſpielte dieſer in einem Stück, worin ein Kameel vorkömmt. Er ſprach deßhalb mit dem Decorateur und äuſſerte: daß gerade, wie er heute geſehen, ein Kameel in der Stadt ſey — der Decorateur möge ſich es daher an- ſehen, um ſein artificielles Thier demſelben ſo ähn- lich als möglich zu machen. Der Mann ſchien hier- über ſehr verdrüßlich und erwiederte: es thäte ihm leid, daß die Herren von London glaubten, in der Provinz ſey man ſo gar unwiſſend; was ihn beträfe, ſo ſchmeichle er ſich, ohne weitere Inſpektion, heut Abend ein natürlicheres Kameel herzuſtellen, als irgendwo eins in der Stadt umhergehen könne.

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 386. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/406>, abgerufen am 26.04.2024.