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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786.

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V. Neuere Zeit. Carl V. 1519-1558.
Kirchenverfassung mit Krieg zu überziehen? Mehr
Recht hatten aber auch Teutsche Reichsfürsten nicht,
einer um das, was in des andern Lande vorgieng,
sich zu bekümmern.


XVIII.

Es war also ein wahres Offensivbündniß, wo-
mit damals von Seiten des catholischen Religions-
theils in Teutschland der Anfang gemacht wurde. Ein
Bündniß, das den damaligen evangelischen Reichs-
ständen desto mehr Besorgniß erwecken mußte, je
mehr die catholischen Reichsstände damals noch an
Zahl und Macht den evangelischen überlegen waren,
und je sicherer sich voraussehen ließ, daß jene über-
das die ganze Macht des Kaisers auf ihrer Seite
haben, und durch Betrieb des päbstlichen Stuhls von
allen Seiten her benöthigten Falls noch mehr Unter-
stützung finden würden. Den evangelischen Reichs-
ständen blieb nichts übrig, als entweder ihre und
ihrer Unterthanen Gewissensfreyheit ungerechtge-
waltthätigen Angriffen Preis zu geben, oder, in
Vertrauen auf Gott, so gut sie konnten, sich zur
Gegenwehr gefaßt zu machen. Auf diesen Fuß
schlossen also der Churfürst von Sachsen und der
Landgraf von Hessen zu Torgau 1525. ihr erstes
Defensivbündniß dahin: "Weil sie merkten, daß
ihre Feinde Bündnisse machten, und groß Geld
darstreckten, um die alten Mißbräuche in der Kir-
che zu erhalten, und die, so das Wort Gottes in
ihren Landen zu predigen gestatteten, mit Krieg zu
überziehen; So verbänden sie sich, niemanden zum
Verdruß noch zuwider, nur ihre Unterthanen für
unbilligen Krieg zu schützen, und einander beyzu-
stehen, im Fall sie der Religion und deren anhän-
giger Sachen halber angegriffen werden sollten."

Zu

V. Neuere Zeit. Carl V. 1519-1558.
Kirchenverfaſſung mit Krieg zu uͤberziehen? Mehr
Recht hatten aber auch Teutſche Reichsfuͤrſten nicht,
einer um das, was in des andern Lande vorgieng,
ſich zu bekuͤmmern.


XVIII.

Es war alſo ein wahres Offenſivbuͤndniß, wo-
mit damals von Seiten des catholiſchen Religions-
theils in Teutſchland der Anfang gemacht wurde. Ein
Buͤndniß, das den damaligen evangeliſchen Reichs-
ſtaͤnden deſto mehr Beſorgniß erwecken mußte, je
mehr die catholiſchen Reichsſtaͤnde damals noch an
Zahl und Macht den evangeliſchen uͤberlegen waren,
und je ſicherer ſich vorausſehen ließ, daß jene uͤber-
das die ganze Macht des Kaiſers auf ihrer Seite
haben, und durch Betrieb des paͤbſtlichen Stuhls von
allen Seiten her benoͤthigten Falls noch mehr Unter-
ſtuͤtzung finden wuͤrden. Den evangeliſchen Reichs-
ſtaͤnden blieb nichts uͤbrig, als entweder ihre und
ihrer Unterthanen Gewiſſensfreyheit ungerechtge-
waltthaͤtigen Angriffen Preis zu geben, oder, in
Vertrauen auf Gott, ſo gut ſie konnten, ſich zur
Gegenwehr gefaßt zu machen. Auf dieſen Fuß
ſchloſſen alſo der Churfuͤrſt von Sachſen und der
Landgraf von Heſſen zu Torgau 1525. ihr erſtes
Defenſivbuͤndniß dahin: ”Weil ſie merkten, daß
ihre Feinde Buͤndniſſe machten, und groß Geld
darſtreckten, um die alten Mißbraͤuche in der Kir-
che zu erhalten, und die, ſo das Wort Gottes in
ihren Landen zu predigen geſtatteten, mit Krieg zu
uͤberziehen; So verbaͤnden ſie ſich, niemanden zum
Verdruß noch zuwider, nur ihre Unterthanen fuͤr
unbilligen Krieg zu ſchuͤtzen, und einander beyzu-
ſtehen, im Fall ſie der Religion und deren anhaͤn-
giger Sachen halber angegriffen werden ſollten.”

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[384/0418] V. Neuere Zeit. Carl V. 1519-1558. Kirchenverfaſſung mit Krieg zu uͤberziehen? Mehr Recht hatten aber auch Teutſche Reichsfuͤrſten nicht, einer um das, was in des andern Lande vorgieng, ſich zu bekuͤmmern. Es war alſo ein wahres Offenſivbuͤndniß, wo- mit damals von Seiten des catholiſchen Religions- theils in Teutſchland der Anfang gemacht wurde. Ein Buͤndniß, das den damaligen evangeliſchen Reichs- ſtaͤnden deſto mehr Beſorgniß erwecken mußte, je mehr die catholiſchen Reichsſtaͤnde damals noch an Zahl und Macht den evangeliſchen uͤberlegen waren, und je ſicherer ſich vorausſehen ließ, daß jene uͤber- das die ganze Macht des Kaiſers auf ihrer Seite haben, und durch Betrieb des paͤbſtlichen Stuhls von allen Seiten her benoͤthigten Falls noch mehr Unter- ſtuͤtzung finden wuͤrden. Den evangeliſchen Reichs- ſtaͤnden blieb nichts uͤbrig, als entweder ihre und ihrer Unterthanen Gewiſſensfreyheit ungerechtge- waltthaͤtigen Angriffen Preis zu geben, oder, in Vertrauen auf Gott, ſo gut ſie konnten, ſich zur Gegenwehr gefaßt zu machen. Auf dieſen Fuß ſchloſſen alſo der Churfuͤrſt von Sachſen und der Landgraf von Heſſen zu Torgau 1525. ihr erſtes Defenſivbuͤndniß dahin: ”Weil ſie merkten, daß ihre Feinde Buͤndniſſe machten, und groß Geld darſtreckten, um die alten Mißbraͤuche in der Kir- che zu erhalten, und die, ſo das Wort Gottes in ihren Landen zu predigen geſtatteten, mit Krieg zu uͤberziehen; So verbaͤnden ſie ſich, niemanden zum Verdruß noch zuwider, nur ihre Unterthanen fuͤr unbilligen Krieg zu ſchuͤtzen, und einander beyzu- ſtehen, im Fall ſie der Religion und deren anhaͤn- giger Sachen halber angegriffen werden ſollten.” Zu

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786, S. 384. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/418>, abgerufen am 26.04.2024.