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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786.

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2) Religionsbeschwerden 1714-1720.

Verschiedene jesuitische und andere SchrifII.
ten hatten es jetzt gar kein Hehl mehr, daß man
sich durch nichts hindern laßen dürfe, den Prote-
stanten, und zuerst vorzüglich den Reformirten
alles in Weg zu legen, um soviel möglich Land und
Leute unter den Gehorsam der Römischen Kirche
(und die damit verbundene Herrschaft der Jesui-
ten) zurückzubringen. Auf Beschwerde der evan-
gelischen Stände über eine solche Schmähschrift,
die ein erst kürzlich zur catholischen Religion über-
getretener Rudolf Martin Meelführer 1714. her-
ausgegeben hatte, ergieng zwar am 18. Jul. 1715.
eine eigne kaiserliche Verordnung, die beiden Re-
ligionstheilen alles Schimpfen, Schmähen und
Lästern in Schriften und sonst von neuem verbie-
ten sollte. Allein der Erfolg entsprach nicht der
Hoffnung, die man sich davon gemacht hatte.
Zwey Jesuiten, Usleber (z) und Huth, beide in

der
(z) Der Jesuit Paul Usleber war Professor
des canonischen Rechts zu Heidelberg, und hielt
am 30. Aug. 1715. eine Disputation unter der
Aufschrift: Vetus & moderna ecclesiae disciplina.
Hier berief er sich auf alle jemals wider jede so
genannte Ketzer gemachte intolerante Gesetze, ver-
möge deren sie für infam geachtet, aller Ehren-
stellen beraubt, selbst mit Lebensstrafen belegt wer-
den müßten, und kein Rechtgläubiger mit ihnen
Umgang oder gar Freundschaft halten dürfte. Das
alles brachte er namentlich auf die Reformirten in
Anwendung. Und dann sagt er: "Setzt mir nicht
Reichsabschiede und Reichsgesetze entgegen; die
können allenfalls in nothwendigen Bedürfnissen ei-
ne Gemeinschaft mit Ketzern für erlaubt erklären;
aber über die Gränzen der Nothwendigkeit bis zu
vertraulichen seelengefährlichen Freundschaften kön-
nen
P. Entw. d. Staatsverf. Th. II. B b
2) Religionsbeſchwerden 1714-1720.

Verſchiedene jeſuitiſche und andere SchrifII.
ten hatten es jetzt gar kein Hehl mehr, daß man
ſich durch nichts hindern laßen duͤrfe, den Prote-
ſtanten, und zuerſt vorzuͤglich den Reformirten
alles in Weg zu legen, um ſoviel moͤglich Land und
Leute unter den Gehorſam der Roͤmiſchen Kirche
(und die damit verbundene Herrſchaft der Jeſui-
ten) zuruͤckzubringen. Auf Beſchwerde der evan-
geliſchen Staͤnde uͤber eine ſolche Schmaͤhſchrift,
die ein erſt kuͤrzlich zur catholiſchen Religion uͤber-
getretener Rudolf Martin Meelfuͤhrer 1714. her-
ausgegeben hatte, ergieng zwar am 18. Jul. 1715.
eine eigne kaiſerliche Verordnung, die beiden Re-
ligionstheilen alles Schimpfen, Schmaͤhen und
Laͤſtern in Schriften und ſonſt von neuem verbie-
ten ſollte. Allein der Erfolg entſprach nicht der
Hoffnung, die man ſich davon gemacht hatte.
Zwey Jeſuiten, Usleber (z) und Huth, beide in

der
(z) Der Jeſuit Paul Usleber war Profeſſor
des canoniſchen Rechts zu Heidelberg, und hielt
am 30. Aug. 1715. eine Disputation unter der
Aufſchrift: Vetus & moderna eccleſiae diſciplina.
Hier berief er ſich auf alle jemals wider jede ſo
genannte Ketzer gemachte intolerante Geſetze, ver-
moͤge deren ſie fuͤr infam geachtet, aller Ehren-
ſtellen beraubt, ſelbſt mit Lebensſtrafen belegt wer-
den muͤßten, und kein Rechtglaͤubiger mit ihnen
Umgang oder gar Freundſchaft halten duͤrfte. Das
alles brachte er namentlich auf die Reformirten in
Anwendung. Und dann ſagt er: ”Setzt mir nicht
Reichsabſchiede und Reichsgeſetze entgegen; die
koͤnnen allenfalls in nothwendigen Beduͤrfniſſen ei-
ne Gemeinſchaft mit Ketzern fuͤr erlaubt erklaͤren;
aber uͤber die Graͤnzen der Nothwendigkeit bis zu
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nen
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[385/0427] 2) Religionsbeſchwerden 1714-1720. Verſchiedene jeſuitiſche und andere Schrif ten hatten es jetzt gar kein Hehl mehr, daß man ſich durch nichts hindern laßen duͤrfe, den Prote- ſtanten, und zuerſt vorzuͤglich den Reformirten alles in Weg zu legen, um ſoviel moͤglich Land und Leute unter den Gehorſam der Roͤmiſchen Kirche (und die damit verbundene Herrſchaft der Jeſui- ten) zuruͤckzubringen. Auf Beſchwerde der evan- geliſchen Staͤnde uͤber eine ſolche Schmaͤhſchrift, die ein erſt kuͤrzlich zur catholiſchen Religion uͤber- getretener Rudolf Martin Meelfuͤhrer 1714. her- ausgegeben hatte, ergieng zwar am 18. Jul. 1715. eine eigne kaiſerliche Verordnung, die beiden Re- ligionstheilen alles Schimpfen, Schmaͤhen und Laͤſtern in Schriften und ſonſt von neuem verbie- ten ſollte. Allein der Erfolg entſprach nicht der Hoffnung, die man ſich davon gemacht hatte. Zwey Jeſuiten, Usleber (z) und Huth, beide in der II. (z) Der Jeſuit Paul Usleber war Profeſſor des canoniſchen Rechts zu Heidelberg, und hielt am 30. Aug. 1715. eine Disputation unter der Aufſchrift: Vetus & moderna eccleſiae diſciplina. Hier berief er ſich auf alle jemals wider jede ſo genannte Ketzer gemachte intolerante Geſetze, ver- moͤge deren ſie fuͤr infam geachtet, aller Ehren- ſtellen beraubt, ſelbſt mit Lebensſtrafen belegt wer- den muͤßten, und kein Rechtglaͤubiger mit ihnen Umgang oder gar Freundſchaft halten duͤrfte. Das alles brachte er namentlich auf die Reformirten in Anwendung. Und dann ſagt er: ”Setzt mir nicht Reichsabſchiede und Reichsgeſetze entgegen; die koͤnnen allenfalls in nothwendigen Beduͤrfniſſen ei- ne Gemeinſchaft mit Ketzern fuͤr erlaubt erklaͤren; aber uͤber die Graͤnzen der Nothwendigkeit bis zu vertraulichen ſeelengefaͤhrlichen Freundſchaften koͤn- nen P. Entw. d. Staatsverf. Th. II. B b

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786, S. 385. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung02_1786/427>, abgerufen am 26.04.2024.