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Pufendorf, Samuel von: Einleitung zur Sitten- und Staats-Lehre. Leipzig, 1691.

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anderes Capitel.
§. 4.

Daß aber der Mensch fä-
hig ist/ einige Verbindligkeit
über sich zu nehmen/
dessen kan
man zuförderst zweyerley Ursachen
angeben; Die eine ist/ weil er einen
freyen Willen hat/ der sich unter-
schiedlich lencken/ und gleichsam bie-
gen/ und also nach der Richtschnur
einrichten lässet; Die andere aber/
weil ein jeder Mensch würcklich un-
ter eines Obern Gewalt stehet. Denn
wo seine Kräffte von der Natur nur
zu einerley/ und immer auf gleich-
mässige Art beschaffener Würckung
gezwungen wären/ so würde man
sich vergeblich Hoffnung zu einer
freyen Action machen; Gestalt es
dann auch gantz umsonst ist/ denenje-
nigen eine Richtschnur vorzuschrei-
ben/ die sie doch weder verstehen/
noch sich nach derselben richten kön-
nen. Hat einer aber keinen Ober-
Herrn/ so ist auch eben hiedurch nie-

mand
C 6
anderes Capitel.
§. 4.

Daß aber der Menſch faͤ-
hig iſt/ einige Verbindligkeit
uͤber ſich zu nehmen/
deſſen kan
man zufoͤrderſt zweyerley Urſachen
angeben; Die eine iſt/ weil er einen
freyen Willen hat/ der ſich unter-
ſchiedlich lencken/ und gleichſam bie-
gen/ und alſo nach der Richtſchnur
einrichten laͤſſet; Die andere aber/
weil ein jeder Menſch wuͤrcklich un-
ter eines Obern Gewalt ſtehet. Deñ
wo ſeine Kraͤffte von der Natur nur
zu einerley/ und immer auf gleich-
maͤſſige Art beſchaffener Wuͤrckung
gezwungen waͤren/ ſo wuͤrde man
ſich vergeblich Hoffnung zu einer
freyen Action machen; Geſtalt es
dann auch gantz umſonſt iſt/ denenje-
nigen eine Richtſchnur vorzuſchrei-
ben/ die ſie doch weder verſtehen/
noch ſich nach derſelben richten koͤn-
nen. Hat einer aber keinen Ober-
Herrn/ ſo iſt auch eben hiedurch nie-

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C 6
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[47/0111] anderes Capitel. §. 4. Daß aber der Menſch faͤ- hig iſt/ einige Verbindligkeit uͤber ſich zu nehmen/ deſſen kan man zufoͤrderſt zweyerley Urſachen angeben; Die eine iſt/ weil er einen freyen Willen hat/ der ſich unter- ſchiedlich lencken/ und gleichſam bie- gen/ und alſo nach der Richtſchnur einrichten laͤſſet; Die andere aber/ weil ein jeder Menſch wuͤrcklich un- ter eines Obern Gewalt ſtehet. Deñ wo ſeine Kraͤffte von der Natur nur zu einerley/ und immer auf gleich- maͤſſige Art beſchaffener Wuͤrckung gezwungen waͤren/ ſo wuͤrde man ſich vergeblich Hoffnung zu einer freyen Action machen; Geſtalt es dann auch gantz umſonſt iſt/ denenje- nigen eine Richtſchnur vorzuſchrei- ben/ die ſie doch weder verſtehen/ noch ſich nach derſelben richten koͤn- nen. Hat einer aber keinen Ober- Herrn/ ſo iſt auch eben hiedurch nie- mand C 6

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Zitationshilfe: Pufendorf, Samuel von: Einleitung zur Sitten- und Staats-Lehre. Leipzig, 1691, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pufendorf_einleitung_1691/111>, abgerufen am 26.04.2024.