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Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857.

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Ich habe eine neue Seite meines Lebens aufgeschlagen;
und wer hat diese vita nuova bewirkt? Der edle Po-
lizeicommissar Stulpnase nebst seinen Myrmidonen und
-- meine kleine Beatrice, genannt Nanette Pümpel!
Gesegnet sei das Haus Pümpel et Comp. bis ins tau-
sendste Glied!! --

Ich schließe. Meine gentilissima verlangt ebenfalls
Platz auf diesem Bogen. Mich soll's wundern, was sie
schreiben wird; ihre Augen leuchten gar arglistig.

Dr. Wimmer.

Liebe, kleine Elise!

Obgleich wir uns noch nicht mit Augen gesehen
haben, so kann ich doch halt nicht unterlassen, Dir,
Herz, diesen ganz kleinen Brief zu schreiben, der böse
Mensch hat nicht viel Raum übergelassen. So ganz
böse freilich ist er doch nicht, denn er hat mir viel
Gutes und Schönes von Dir erzählt, aber sage doch den
beiden Herren, die ich auch nicht kenne, daß sie das
thörichte Zeuch, was er alles geschrieben hat, halt nicht
Alles glauben. Ich hab' ihn durchaus nicht so viel in's
Ohr gekneift, als er sagt. -- Liebes Kind, Ihr müßt
uns einmal Alle besuchen. Ich habe zwei Kanarien-
vögel und einen Stieglitz, der sich sein Futter selbst herauf-
zieht. Ich hätte Dir gern eins von den Vögelchen ge-
schickt, aber der Onkel Doctor meint, sie könnten das

Ich habe eine neue Seite meines Lebens aufgeſchlagen;
und wer hat dieſe vita nuova bewirkt? Der edle Po-
lizeicommiſſar Stulpnaſe nebſt ſeinen Myrmidonen und
— meine kleine Beatrice, genannt Nanette Pümpel!
Geſegnet ſei das Haus Pümpel et Comp. bis ins tau-
ſendſte Glied!! —

Ich ſchließe. Meine gentilissima verlangt ebenfalls
Platz auf dieſem Bogen. Mich ſoll’s wundern, was ſie
ſchreiben wird; ihre Augen leuchten gar argliſtig.

Dr. Wimmer.

Liebe, kleine Eliſe!

Obgleich wir uns noch nicht mit Augen geſehen
haben, ſo kann ich doch halt nicht unterlaſſen, Dir,
Herz, dieſen ganz kleinen Brief zu ſchreiben, der böſe
Menſch hat nicht viel Raum übergelaſſen. So ganz
böſe freilich iſt er doch nicht, denn er hat mir viel
Gutes und Schönes von Dir erzählt, aber ſage doch den
beiden Herren, die ich auch nicht kenne, daß ſie das
thörichte Zeuch, was er alles geſchrieben hat, halt nicht
Alles glauben. Ich hab’ ihn durchaus nicht ſo viel in’s
Ohr gekneift, als er ſagt. — Liebes Kind, Ihr müßt
uns einmal Alle beſuchen. Ich habe zwei Kanarien-
vögel und einen Stieglitz, der ſich ſein Futter ſelbſt herauf-
zieht. Ich hätte Dir gern eins von den Vögelchen ge-
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[180/0190] Ich habe eine neue Seite meines Lebens aufgeſchlagen; und wer hat dieſe vita nuova bewirkt? Der edle Po- lizeicommiſſar Stulpnaſe nebſt ſeinen Myrmidonen und — meine kleine Beatrice, genannt Nanette Pümpel! Geſegnet ſei das Haus Pümpel et Comp. bis ins tau- ſendſte Glied!! — Ich ſchließe. Meine gentilissima verlangt ebenfalls Platz auf dieſem Bogen. Mich ſoll’s wundern, was ſie ſchreiben wird; ihre Augen leuchten gar argliſtig. Dr. Wimmer. Liebe, kleine Eliſe! Obgleich wir uns noch nicht mit Augen geſehen haben, ſo kann ich doch halt nicht unterlaſſen, Dir, Herz, dieſen ganz kleinen Brief zu ſchreiben, der böſe Menſch hat nicht viel Raum übergelaſſen. So ganz böſe freilich iſt er doch nicht, denn er hat mir viel Gutes und Schönes von Dir erzählt, aber ſage doch den beiden Herren, die ich auch nicht kenne, daß ſie das thörichte Zeuch, was er alles geſchrieben hat, halt nicht Alles glauben. Ich hab’ ihn durchaus nicht ſo viel in’s Ohr gekneift, als er ſagt. — Liebes Kind, Ihr müßt uns einmal Alle beſuchen. Ich habe zwei Kanarien- vögel und einen Stieglitz, der ſich ſein Futter ſelbſt herauf- zieht. Ich hätte Dir gern eins von den Vögelchen ge- ſchickt, aber der Onkel Doctor meint, ſie könnten das

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_sperlingsgasse_1857/190>, abgerufen am 27.04.2024.