Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857.

Bild:
<< vorherige Seite

giebt, hineinzuschauen, ehe er sie zu gemeinnützigen
Zwecken verwendet, so wird er in demselben Fall sein,
wie der alte Albrecht Dürer, der ein Jagdbild lobte,
aber sich zugleich beklagte: er könne nicht recht unter-
scheiden, was eigentlich die Hunde, und was die Hasen
sein sollten. Sie würfeln wirklich Traum und Historie,
Vergangenheit und Gegenwart zu toll durch einander.
Theuerster, wer darüber nicht confus wird, der ist es
schon! Und wenn Sie noch Ihre Bilder einfach hin-
stellten, wie ein alter, vernünftiger, gelangweilter Herr
und Memoirenschreiber! Aber nein, da rennt Ihnen Ihr
Mitarbeiterthum der "Welken Blätter" zwischen die
Beine, da putzen Sie Ihre Erinnerungen auf mit dem,
was Ihnen der Augenblick eingiebt; hängen hier ein
Glöckchen an und da eins und ehe man's sich versieht,
haben Sie ein Ding hingestellt wie -- wie ein Gebäude
aus den bunten Steinen eines Kinderbaukastens. Das ist
hübsch und bunt, aber -- es paßt nichts recht zusammen,
und wenn man es genau besieht -- puh! -- Nehmen Sie's
nicht übel; aber manchmal gleicht Ihre Chronik doch
dem Machwerk eines angehenden literarischen Lichts, das
sich mit Rousseau getröstet hat: Avec quelque talent
qu'on puisse etre ne, l'art d'ecrire ne s'apprend
pas tout d'un coup
" --

Ich hatte dieser langen Rede des Karikaturenzeich-

giebt, hineinzuſchauen, ehe er ſie zu gemeinnützigen
Zwecken verwendet, ſo wird er in demſelben Fall ſein,
wie der alte Albrecht Dürer, der ein Jagdbild lobte,
aber ſich zugleich beklagte: er könne nicht recht unter-
ſcheiden, was eigentlich die Hunde, und was die Haſen
ſein ſollten. Sie würfeln wirklich Traum und Hiſtorie,
Vergangenheit und Gegenwart zu toll durch einander.
Theuerſter, wer darüber nicht confus wird, der iſt es
ſchon! Und wenn Sie noch Ihre Bilder einfach hin-
ſtellten, wie ein alter, vernünftiger, gelangweilter Herr
und Memoirenſchreiber! Aber nein, da rennt Ihnen Ihr
Mitarbeiterthum der „Welken Blätter“ zwiſchen die
Beine, da putzen Sie Ihre Erinnerungen auf mit dem,
was Ihnen der Augenblick eingiebt; hängen hier ein
Glöckchen an und da eins und ehe man’s ſich verſieht,
haben Sie ein Ding hingeſtellt wie — wie ein Gebäude
aus den bunten Steinen eines Kinderbaukaſtens. Das iſt
hübſch und bunt, aber — es paßt nichts recht zuſammen,
und wenn man es genau beſieht — puh! — Nehmen Sie’s
nicht übel; aber manchmal gleicht Ihre Chronik doch
dem Machwerk eines angehenden literariſchen Lichts, das
ſich mit Rouſſeau getröſtet hat: Avec quelque talent
qu’on puisse être né, l’art d’écrire ne s’apprend
pas tout d’un coup
“ —

Ich hatte dieſer langen Rede des Karikaturenzeich-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0222" n="212"/>
giebt, hineinzu&#x017F;chauen, ehe er &#x017F;ie zu gemeinnützigen<lb/>
Zwecken verwendet, &#x017F;o wird er in dem&#x017F;elben Fall &#x017F;ein,<lb/>
wie der alte Albrecht Dürer, der ein Jagdbild lobte,<lb/>
aber &#x017F;ich zugleich beklagte: er könne nicht recht unter-<lb/>
&#x017F;cheiden, was eigentlich die Hunde, und was die Ha&#x017F;en<lb/>
&#x017F;ein &#x017F;ollten. Sie würfeln wirklich Traum und Hi&#x017F;torie,<lb/>
Vergangenheit und Gegenwart zu toll durch einander.<lb/>
Theuer&#x017F;ter, wer darüber nicht confus wird, der i&#x017F;t es<lb/>
&#x017F;chon! Und wenn Sie noch Ihre Bilder einfach hin-<lb/>
&#x017F;tellten, wie ein alter, vernünftiger, gelangweilter Herr<lb/>
und Memoiren&#x017F;chreiber! Aber nein, da rennt Ihnen Ihr<lb/>
Mitarbeiterthum der &#x201E;Welken Blätter&#x201C; zwi&#x017F;chen die<lb/>
Beine, da putzen Sie Ihre Erinnerungen auf mit dem,<lb/>
was Ihnen der Augenblick eingiebt; hängen hier ein<lb/>
Glöckchen an und da eins und ehe man&#x2019;s &#x017F;ich ver&#x017F;ieht,<lb/>
haben Sie ein Ding hinge&#x017F;tellt wie &#x2014; wie ein Gebäude<lb/>
aus den bunten Steinen eines Kinderbauka&#x017F;tens. Das i&#x017F;t<lb/>
hüb&#x017F;ch und bunt, aber &#x2014; es paßt nichts recht zu&#x017F;ammen,<lb/>
und wenn man es genau be&#x017F;ieht &#x2014; puh! &#x2014; Nehmen Sie&#x2019;s<lb/>
nicht übel; aber manchmal gleicht Ihre Chronik doch<lb/>
dem Machwerk eines angehenden literari&#x017F;chen Lichts, das<lb/>
&#x017F;ich mit Rou&#x017F;&#x017F;eau getrö&#x017F;tet hat: <hi rendition="#aq">Avec quelque talent<lb/>
qu&#x2019;on puisse être né, l&#x2019;art d&#x2019;écrire ne s&#x2019;apprend<lb/>
pas tout d&#x2019;un coup</hi>&#x201C; &#x2014;</p><lb/>
        <p>Ich hatte die&#x017F;er langen Rede des Karikaturenzeich-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[212/0222] giebt, hineinzuſchauen, ehe er ſie zu gemeinnützigen Zwecken verwendet, ſo wird er in demſelben Fall ſein, wie der alte Albrecht Dürer, der ein Jagdbild lobte, aber ſich zugleich beklagte: er könne nicht recht unter- ſcheiden, was eigentlich die Hunde, und was die Haſen ſein ſollten. Sie würfeln wirklich Traum und Hiſtorie, Vergangenheit und Gegenwart zu toll durch einander. Theuerſter, wer darüber nicht confus wird, der iſt es ſchon! Und wenn Sie noch Ihre Bilder einfach hin- ſtellten, wie ein alter, vernünftiger, gelangweilter Herr und Memoirenſchreiber! Aber nein, da rennt Ihnen Ihr Mitarbeiterthum der „Welken Blätter“ zwiſchen die Beine, da putzen Sie Ihre Erinnerungen auf mit dem, was Ihnen der Augenblick eingiebt; hängen hier ein Glöckchen an und da eins und ehe man’s ſich verſieht, haben Sie ein Ding hingeſtellt wie — wie ein Gebäude aus den bunten Steinen eines Kinderbaukaſtens. Das iſt hübſch und bunt, aber — es paßt nichts recht zuſammen, und wenn man es genau beſieht — puh! — Nehmen Sie’s nicht übel; aber manchmal gleicht Ihre Chronik doch dem Machwerk eines angehenden literariſchen Lichts, das ſich mit Rouſſeau getröſtet hat: Avec quelque talent qu’on puisse être né, l’art d’écrire ne s’apprend pas tout d’un coup“ — Ich hatte dieſer langen Rede des Karikaturenzeich-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_sperlingsgasse_1857
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_sperlingsgasse_1857/222
Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_sperlingsgasse_1857/222>, abgerufen am 26.04.2024.