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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751.

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eines deutschen Wörterbuchs.
Verstand.

Weil ich hier nicht Willens bin, eine philoso-
phische Abhandlung zu schreiben: So wird man
mir nicht zumuthen, von demjenigen Begriffe etwas
zu gedenken, welchen man sich auf der Catheder
von dem Worte, Verstand, macht.

Jch schreibe nicht für Pedanten, sondern für die
große Welt, und in der großen Welt heißt Verstand
so viel, als Reichthum.

Ein Mensch ohne Verstand, ist nichts an-
ders, als ein armer. Er kann ehrlich, er kann
gelehrt, er kann witzig, mit einem Wort, er kann
der artigste, und nützlichste Mann in der Stadt
seyn, das hilft ihm alles nichts; der Verstand fehlt
ihm, denn er hat kein Geld.

Es ist nicht für einen Dreyer Verstand
darinnen!
spricht mein Wirth, wenn er ein ver-
nünftiges Gedicht liest. Warum? Mein Wirth
ist ein Wechsler, welcher in der Welt nichts gelernt
hat, als addiren, und er glaubt, wenn er die Ode
von dem Gottesläugner *) auf die Börse trüge:
So würde er nicht einen Dreyer dafür bekommen.

Das
*) Jm zweyten Bande der bremischen Beyträge auf der 47. S.
N 5
eines deutſchen Woͤrterbuchs.
Verſtand.

Weil ich hier nicht Willens bin, eine philoſo-
phiſche Abhandlung zu ſchreiben: So wird man
mir nicht zumuthen, von demjenigen Begriffe etwas
zu gedenken, welchen man ſich auf der Catheder
von dem Worte, Verſtand, macht.

Jch ſchreibe nicht fuͤr Pedanten, ſondern fuͤr die
große Welt, und in der großen Welt heißt Verſtand
ſo viel, als Reichthum.

Ein Menſch ohne Verſtand, iſt nichts an-
ders, als ein armer. Er kann ehrlich, er kann
gelehrt, er kann witzig, mit einem Wort, er kann
der artigſte, und nuͤtzlichſte Mann in der Stadt
ſeyn, das hilft ihm alles nichts; der Verſtand fehlt
ihm, denn er hat kein Geld.

Es iſt nicht fuͤr einen Dreyer Verſtand
darinnen!
ſpricht mein Wirth, wenn er ein ver-
nuͤnftiges Gedicht lieſt. Warum? Mein Wirth
iſt ein Wechsler, welcher in der Welt nichts gelernt
hat, als addiren, und er glaubt, wenn er die Ode
von dem Gotteslaͤugner *) auf die Boͤrſe truͤge:
So wuͤrde er nicht einen Dreyer dafuͤr bekommen.

Das
*) Jm zweyten Bande der bremiſchen Beytraͤge auf der 47. S.
N 5
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[201/0201] eines deutſchen Woͤrterbuchs. Verſtand. Weil ich hier nicht Willens bin, eine philoſo- phiſche Abhandlung zu ſchreiben: So wird man mir nicht zumuthen, von demjenigen Begriffe etwas zu gedenken, welchen man ſich auf der Catheder von dem Worte, Verſtand, macht. Jch ſchreibe nicht fuͤr Pedanten, ſondern fuͤr die große Welt, und in der großen Welt heißt Verſtand ſo viel, als Reichthum. Ein Menſch ohne Verſtand, iſt nichts an- ders, als ein armer. Er kann ehrlich, er kann gelehrt, er kann witzig, mit einem Wort, er kann der artigſte, und nuͤtzlichſte Mann in der Stadt ſeyn, das hilft ihm alles nichts; der Verſtand fehlt ihm, denn er hat kein Geld. Es iſt nicht fuͤr einen Dreyer Verſtand darinnen! ſpricht mein Wirth, wenn er ein ver- nuͤnftiges Gedicht lieſt. Warum? Mein Wirth iſt ein Wechsler, welcher in der Welt nichts gelernt hat, als addiren, und er glaubt, wenn er die Ode von dem Gotteslaͤugner *) auf die Boͤrſe truͤge: So wuͤrde er nicht einen Dreyer dafuͤr bekommen. Das *) Jm zweyten Bande der bremiſchen Beytraͤge auf der 47. S. N 5

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung02_1751/201>, abgerufen am 27.04.2024.