Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite
Geheime Nachricht
Codicill.

Jch Endesbezeichneter ordne mit reifem Vorbe-
dachte, als meinen letzten Willen, daß mein Toll-
haus mit nachbenannten Personen eingeweiht wer-
den soll, weil sie dieser Wohlthat vor allen andern
bedürftig sind:

Nicolaus Earring, mein Küster, würde es
sehr übel nehmen, wenn ich ihn nicht zuerst nennte.
Er besitzt so viel geistlichen Hochmuth, daß er ver-
diente, Lord Erzbischoff zu werden, und da er seine
Verdienste um die Kirche am besten kennt, so ver-
zweifelt er selbst noch nicht gänzlich an seinem hö-
hern Glücke, es müßte ihm denn die Gräfinn Yar-
mouth
zuwider seyn, welcher er Schuld giebt,
daß sie ihm schon zweymal hinderlich gewesen,
und den König George wider seine Person einge-
nommen habe. Wenn der Hof noch weiter fort-
fährt, unerkenntlich zu seyn: So ist er fast willens,
sich zum Prätendenten zu schlagen. Er sagt seinen
Freunden ins Ohr, daß er öfters an der Wahr-
heit seiner Religion zu zweifeln anfange, weil nach
derselben unsre Geistlichen eine so unumschränkte
Gewalt nicht hätten, als ihnen wohl von Rechts-
wegen zukäme, und weil man besonders aus
den Küstern so gar wenig machte, die doch bey
den Jacobiten in einem größern Ansehen stünden.
Dem ungeachtet habe ich ihn bey seiner Reli-
gion in andern Punkten sehr eifrig gefunden. Er

macht
Geheime Nachricht
Codicill.

Jch Endesbezeichneter ordne mit reifem Vorbe-
dachte, als meinen letzten Willen, daß mein Toll-
haus mit nachbenannten Perſonen eingeweiht wer-
den ſoll, weil ſie dieſer Wohlthat vor allen andern
beduͤrftig ſind:

Nicolaus Earring, mein Kuͤſter, wuͤrde es
ſehr uͤbel nehmen, wenn ich ihn nicht zuerſt nennte.
Er beſitzt ſo viel geiſtlichen Hochmuth, daß er ver-
diente, Lord Erzbiſchoff zu werden, und da er ſeine
Verdienſte um die Kirche am beſten kennt, ſo ver-
zweifelt er ſelbſt noch nicht gaͤnzlich an ſeinem hoͤ-
hern Gluͤcke, es muͤßte ihm denn die Graͤfinn Yar-
mouth
zuwider ſeyn, welcher er Schuld giebt,
daß ſie ihm ſchon zweymal hinderlich geweſen,
und den Koͤnig George wider ſeine Perſon einge-
nommen habe. Wenn der Hof noch weiter fort-
faͤhrt, unerkenntlich zu ſeyn: So iſt er faſt willens,
ſich zum Praͤtendenten zu ſchlagen. Er ſagt ſeinen
Freunden ins Ohr, daß er oͤfters an der Wahr-
heit ſeiner Religion zu zweifeln anfange, weil nach
derſelben unſre Geiſtlichen eine ſo unumſchraͤnkte
Gewalt nicht haͤtten, als ihnen wohl von Rechts-
wegen zukaͤme, und weil man beſonders aus
den Kuͤſtern ſo gar wenig machte, die doch bey
den Jacobiten in einem groͤßern Anſehen ſtuͤnden.
Dem ungeachtet habe ich ihn bey ſeiner Reli-
gion in andern Punkten ſehr eifrig gefunden. Er

macht
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0236" n="236"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Geheime Nachricht</hi> </fw><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Codicill.</hi> </head><lb/>
          <div>
            <p>Jch Endesbezeichneter ordne mit reifem Vorbe-<lb/>
dachte, als meinen letzten Willen, daß mein Toll-<lb/>
haus mit nachbenannten Per&#x017F;onen eingeweiht wer-<lb/>
den &#x017F;oll, weil &#x017F;ie die&#x017F;er Wohlthat vor allen andern<lb/>
bedu&#x0364;rftig &#x017F;ind:</p><lb/>
            <p><hi rendition="#fr">Nicolaus Earring,</hi> mein Ku&#x0364;&#x017F;ter, wu&#x0364;rde es<lb/>
&#x017F;ehr u&#x0364;bel nehmen, wenn ich ihn nicht zuer&#x017F;t nennte.<lb/>
Er be&#x017F;itzt &#x017F;o viel gei&#x017F;tlichen Hochmuth, daß er ver-<lb/>
diente, Lord Erzbi&#x017F;choff zu werden, und da er &#x017F;eine<lb/>
Verdien&#x017F;te um die Kirche am be&#x017F;ten kennt, &#x017F;o ver-<lb/>
zweifelt er &#x017F;elb&#x017F;t noch nicht ga&#x0364;nzlich an &#x017F;einem ho&#x0364;-<lb/>
hern Glu&#x0364;cke, es mu&#x0364;ßte ihm denn die Gra&#x0364;finn <hi rendition="#fr">Yar-<lb/>
mouth</hi> zuwider &#x017F;eyn, welcher er Schuld giebt,<lb/>
daß &#x017F;ie ihm &#x017F;chon zweymal hinderlich gewe&#x017F;en,<lb/>
und den Ko&#x0364;nig <hi rendition="#fr">George</hi> wider &#x017F;eine Per&#x017F;on einge-<lb/>
nommen habe. Wenn der Hof noch weiter fort-<lb/>
fa&#x0364;hrt, unerkenntlich zu &#x017F;eyn: So i&#x017F;t er fa&#x017F;t willens,<lb/>
&#x017F;ich zum Pra&#x0364;tendenten zu &#x017F;chlagen. Er &#x017F;agt &#x017F;einen<lb/>
Freunden ins Ohr, daß er o&#x0364;fters an der Wahr-<lb/>
heit &#x017F;einer Religion zu zweifeln anfange, weil nach<lb/>
der&#x017F;elben un&#x017F;re Gei&#x017F;tlichen eine &#x017F;o unum&#x017F;chra&#x0364;nkte<lb/>
Gewalt nicht ha&#x0364;tten, als ihnen wohl von Rechts-<lb/>
wegen zuka&#x0364;me, und weil man be&#x017F;onders aus<lb/>
den Ku&#x0364;&#x017F;tern &#x017F;o gar wenig machte, die doch bey<lb/>
den Jacobiten in einem gro&#x0364;ßern An&#x017F;ehen &#x017F;tu&#x0364;nden.<lb/>
Dem ungeachtet habe ich ihn bey &#x017F;einer Reli-<lb/>
gion in andern Punkten &#x017F;ehr eifrig gefunden. Er<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">macht</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[236/0236] Geheime Nachricht Codicill. Jch Endesbezeichneter ordne mit reifem Vorbe- dachte, als meinen letzten Willen, daß mein Toll- haus mit nachbenannten Perſonen eingeweiht wer- den ſoll, weil ſie dieſer Wohlthat vor allen andern beduͤrftig ſind: Nicolaus Earring, mein Kuͤſter, wuͤrde es ſehr uͤbel nehmen, wenn ich ihn nicht zuerſt nennte. Er beſitzt ſo viel geiſtlichen Hochmuth, daß er ver- diente, Lord Erzbiſchoff zu werden, und da er ſeine Verdienſte um die Kirche am beſten kennt, ſo ver- zweifelt er ſelbſt noch nicht gaͤnzlich an ſeinem hoͤ- hern Gluͤcke, es muͤßte ihm denn die Graͤfinn Yar- mouth zuwider ſeyn, welcher er Schuld giebt, daß ſie ihm ſchon zweymal hinderlich geweſen, und den Koͤnig George wider ſeine Perſon einge- nommen habe. Wenn der Hof noch weiter fort- faͤhrt, unerkenntlich zu ſeyn: So iſt er faſt willens, ſich zum Praͤtendenten zu ſchlagen. Er ſagt ſeinen Freunden ins Ohr, daß er oͤfters an der Wahr- heit ſeiner Religion zu zweifeln anfange, weil nach derſelben unſre Geiſtlichen eine ſo unumſchraͤnkte Gewalt nicht haͤtten, als ihnen wohl von Rechts- wegen zukaͤme, und weil man beſonders aus den Kuͤſtern ſo gar wenig machte, die doch bey den Jacobiten in einem groͤßern Anſehen ſtuͤnden. Dem ungeachtet habe ich ihn bey ſeiner Reli- gion in andern Punkten ſehr eifrig gefunden. Er macht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung02_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung02_1751/236
Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung02_1751/236>, abgerufen am 26.04.2024.