Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite
Noten ohne Text.

Erläutert) Das ist ein erschrecklicher Druck-
fehler, und soll erweitert heißen, welches ein jeder
ehrengünstiger Leser in seinem Exemplare zu än-
dern beliebe. Jch wäre nicht werth, daß ich ein
Autor hieße, wenn ich bey diesen Anmerkungen die
Absicht gehabt hätte, den eigentlichen Verstand des
Textes zu erklären, oder zu erläutern, zu geschweigen,
daß vielmals ein Text keinen eigentlichen Verstand
hat. Aber das ist die wahre Pflicht vieler unsrer
heutigen Scribenten, daß sie eine Sache weitläuftig
dehnen, und dasjenige auf etlichen Bogen sagen,
was der ungelehrte Pöbel in wenig Zeilen fassen
würde.

Jch weis aber nicht, ob ich dieser meiner
Schrift die Ewigkeit versprechen darf:)

Das ist nur eine bescheidne Verstellung von mir,
ich weis dieses aber ganz gewiß, denn ich bin ein
Autor. Diese Formel ist der so gewöhnliche väterli-
che Seegen, welchen wir unsern Büchern mittheilen,
wenn wir sie in die Welt schicken. Von dem Nach-
drucke dieses Seegens kann niemand besser urthei-
len, als wer Gelegenheit gehabt hat, entweder durch
die Erfahrung, oder auf andre Wege sich einen hin-
länglichen Begriff von derjenigen innbrünstigen Zärt-
lichkeit zu machen, welche man die väterliche Liebe
nennt. Ein Schriftsteller empfindet diese in dem
stärksten Grade. An unsern Kindern halten wir
dasjenige für Schönheiten und Artigkeiten, was
wir an den Kindern andrer Leute für Leibesgebre-
chen und Laster ansehen. Ein Autor, welcher die
Mängel andrer Schriften aufs schärfste beurtheilt,

ist
H 5
Noten ohne Text.

Erlaͤutert) Das iſt ein erſchrecklicher Druck-
fehler, und ſoll erweitert heißen, welches ein jeder
ehrenguͤnſtiger Leſer in ſeinem Exemplare zu aͤn-
dern beliebe. Jch waͤre nicht werth, daß ich ein
Autor hieße, wenn ich bey dieſen Anmerkungen die
Abſicht gehabt haͤtte, den eigentlichen Verſtand des
Textes zu erklaͤren, oder zu erlaͤutern, zu geſchweigen,
daß vielmals ein Text keinen eigentlichen Verſtand
hat. Aber das iſt die wahre Pflicht vieler unſrer
heutigen Scribenten, daß ſie eine Sache weitlaͤuftig
dehnen, und dasjenige auf etlichen Bogen ſagen,
was der ungelehrte Poͤbel in wenig Zeilen faſſen
wuͤrde.

Jch weis aber nicht, ob ich dieſer meiner
Schrift die Ewigkeit verſprechen darf:)

Das iſt nur eine beſcheidne Verſtellung von mir,
ich weis dieſes aber ganz gewiß, denn ich bin ein
Autor. Dieſe Formel iſt der ſo gewoͤhnliche vaͤterli-
che Seegen, welchen wir unſern Buͤchern mittheilen,
wenn wir ſie in die Welt ſchicken. Von dem Nach-
drucke dieſes Seegens kann niemand beſſer urthei-
len, als wer Gelegenheit gehabt hat, entweder durch
die Erfahrung, oder auf andre Wege ſich einen hin-
laͤnglichen Begriff von derjenigen innbruͤnſtigen Zaͤrt-
lichkeit zu machen, welche man die vaͤterliche Liebe
nennt. Ein Schriftſteller empfindet dieſe in dem
ſtaͤrkſten Grade. An unſern Kindern halten wir
dasjenige fuͤr Schoͤnheiten und Artigkeiten, was
wir an den Kindern andrer Leute fuͤr Leibesgebre-
chen und Laſter anſehen. Ein Autor, welcher die
Maͤngel andrer Schriften aufs ſchaͤrfſte beurtheilt,

iſt
H 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0121" n="121"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Noten ohne Text.</hi> </fw><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Erla&#x0364;utert)</hi> Das i&#x017F;t ein er&#x017F;chrecklicher Druck-<lb/>
fehler, und &#x017F;oll <hi rendition="#fr">erweitert</hi> heißen, welches ein jeder<lb/>
ehrengu&#x0364;n&#x017F;tiger Le&#x017F;er in &#x017F;einem Exemplare zu a&#x0364;n-<lb/>
dern beliebe. Jch wa&#x0364;re nicht werth, daß ich ein<lb/>
Autor hieße, wenn ich bey die&#x017F;en Anmerkungen die<lb/>
Ab&#x017F;icht gehabt ha&#x0364;tte, den eigentlichen Ver&#x017F;tand des<lb/>
Textes zu erkla&#x0364;ren, oder zu erla&#x0364;utern, zu ge&#x017F;chweigen,<lb/>
daß vielmals ein Text keinen eigentlichen Ver&#x017F;tand<lb/>
hat. Aber das i&#x017F;t die wahre Pflicht vieler un&#x017F;rer<lb/>
heutigen Scribenten, daß &#x017F;ie eine Sache weitla&#x0364;uftig<lb/>
dehnen, und dasjenige auf etlichen Bogen &#x017F;agen,<lb/>
was der ungelehrte Po&#x0364;bel in wenig Zeilen fa&#x017F;&#x017F;en<lb/>
wu&#x0364;rde.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Jch weis aber nicht, ob ich die&#x017F;er meiner<lb/>
Schrift die Ewigkeit ver&#x017F;prechen darf:)</hi><lb/>
Das i&#x017F;t nur eine be&#x017F;cheidne Ver&#x017F;tellung von mir,<lb/>
ich weis die&#x017F;es aber ganz gewiß, denn ich bin ein<lb/>
Autor. Die&#x017F;e Formel i&#x017F;t der &#x017F;o gewo&#x0364;hnliche va&#x0364;terli-<lb/>
che Seegen, welchen wir un&#x017F;ern Bu&#x0364;chern mittheilen,<lb/>
wenn wir &#x017F;ie in die Welt &#x017F;chicken. Von dem Nach-<lb/>
drucke die&#x017F;es Seegens kann niemand be&#x017F;&#x017F;er urthei-<lb/>
len, als wer Gelegenheit gehabt hat, entweder durch<lb/>
die Erfahrung, oder auf andre Wege &#x017F;ich einen hin-<lb/>
la&#x0364;nglichen Begriff von derjenigen innbru&#x0364;n&#x017F;tigen Za&#x0364;rt-<lb/>
lichkeit zu machen, welche man die va&#x0364;terliche Liebe<lb/>
nennt. Ein Schrift&#x017F;teller empfindet die&#x017F;e in dem<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;rk&#x017F;ten Grade. An un&#x017F;ern Kindern halten wir<lb/>
dasjenige fu&#x0364;r Scho&#x0364;nheiten und Artigkeiten, was<lb/>
wir an den Kindern andrer Leute fu&#x0364;r Leibesgebre-<lb/>
chen und La&#x017F;ter an&#x017F;ehen. Ein Autor, welcher die<lb/>
Ma&#x0364;ngel andrer Schriften aufs &#x017F;cha&#x0364;rf&#x017F;te beurtheilt,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">H 5</fw><fw place="bottom" type="catch">i&#x017F;t</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[121/0121] Noten ohne Text. Erlaͤutert) Das iſt ein erſchrecklicher Druck- fehler, und ſoll erweitert heißen, welches ein jeder ehrenguͤnſtiger Leſer in ſeinem Exemplare zu aͤn- dern beliebe. Jch waͤre nicht werth, daß ich ein Autor hieße, wenn ich bey dieſen Anmerkungen die Abſicht gehabt haͤtte, den eigentlichen Verſtand des Textes zu erklaͤren, oder zu erlaͤutern, zu geſchweigen, daß vielmals ein Text keinen eigentlichen Verſtand hat. Aber das iſt die wahre Pflicht vieler unſrer heutigen Scribenten, daß ſie eine Sache weitlaͤuftig dehnen, und dasjenige auf etlichen Bogen ſagen, was der ungelehrte Poͤbel in wenig Zeilen faſſen wuͤrde. Jch weis aber nicht, ob ich dieſer meiner Schrift die Ewigkeit verſprechen darf:) Das iſt nur eine beſcheidne Verſtellung von mir, ich weis dieſes aber ganz gewiß, denn ich bin ein Autor. Dieſe Formel iſt der ſo gewoͤhnliche vaͤterli- che Seegen, welchen wir unſern Buͤchern mittheilen, wenn wir ſie in die Welt ſchicken. Von dem Nach- drucke dieſes Seegens kann niemand beſſer urthei- len, als wer Gelegenheit gehabt hat, entweder durch die Erfahrung, oder auf andre Wege ſich einen hin- laͤnglichen Begriff von derjenigen innbruͤnſtigen Zaͤrt- lichkeit zu machen, welche man die vaͤterliche Liebe nennt. Ein Schriftſteller empfindet dieſe in dem ſtaͤrkſten Grade. An unſern Kindern halten wir dasjenige fuͤr Schoͤnheiten und Artigkeiten, was wir an den Kindern andrer Leute fuͤr Leibesgebre- chen und Laſter anſehen. Ein Autor, welcher die Maͤngel andrer Schriften aufs ſchaͤrfſte beurtheilt, iſt H 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung02_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung02_1751/121
Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung02_1751/121>, abgerufen am 27.04.2024.