Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752.

Bild:
<< vorherige Seite
Satyrische Briefe.

Nun war von meinen alten Liebhabern nie-
mand mehr übrig, als der ehrendienstwillige
Würzkrämer in R - -. Sollte ich noch einen An-
griff wagen, da ich so oft schimpflicher Weise ab-
gewiesen war? Aber war ich nicht schon bey aller
Schande abgehärtet? Was konnte ich weiter ver-
lieren, wenn ich mich auch von meiner Höhe bis
in den Kramladen meines ehemaligen Freyers her-
abließ? So weit hatte ich mich schon gefaßt, daß
ich den Reifenrock vor der Thüre ausziehen wollte,
damit ich Platz darinnen hätte. Was für Ueber-
windung kostet es einem Frauenzimmer, ehe sie sich,
dieses zu thun, entschließt! Aber wie sollte ich es
anfangen? Sollte ich von meines Liebhabers Ver-
stande, von seinen großen Verdiensten, von mei-
ner Liebe zu ihm, sollte ich von Pflicht und Ge-
wissen reden? Was meynen Sie, mein Herr? Das
sind wohl ordentlicher Weise die Sachen nicht, die
einen Kaufmann weichherzig machen. Vom Gel-
de konnte ich nicht viel sagen: das wäre sonst wohl
der bündigste Schluß gewesen. Jch wagte eine
ganz neue Art zärtlich zu seyn. Jch setzte ihm den
Degen an die Brust, und bat ihn ganz demüthig
um sein Herz. Hier haben Sie meinen Fehdebrief.

Mein Herr,

"Gewiß, Sie misbrauchen meine Geduld. Da
"ich mir seit fünf Jahren Mühe gegeben,
"Sie zu ihrer Schuldigkeit zurück zu bringen, da

alle
Satyriſche Briefe.

Nun war von meinen alten Liebhabern nie-
mand mehr uͤbrig, als der ehrendienſtwillige
Wuͤrzkraͤmer in R ‒ ‒. Sollte ich noch einen An-
griff wagen, da ich ſo oft ſchimpflicher Weiſe ab-
gewieſen war? Aber war ich nicht ſchon bey aller
Schande abgehaͤrtet? Was konnte ich weiter ver-
lieren, wenn ich mich auch von meiner Hoͤhe bis
in den Kramladen meines ehemaligen Freyers her-
abließ? So weit hatte ich mich ſchon gefaßt, daß
ich den Reifenrock vor der Thuͤre ausziehen wollte,
damit ich Platz darinnen haͤtte. Was fuͤr Ueber-
windung koſtet es einem Frauenzimmer, ehe ſie ſich,
dieſes zu thun, entſchließt! Aber wie ſollte ich es
anfangen? Sollte ich von meines Liebhabers Ver-
ſtande, von ſeinen großen Verdienſten, von mei-
ner Liebe zu ihm, ſollte ich von Pflicht und Ge-
wiſſen reden? Was meynen Sie, mein Herr? Das
ſind wohl ordentlicher Weiſe die Sachen nicht, die
einen Kaufmann weichherzig machen. Vom Gel-
de konnte ich nicht viel ſagen: das waͤre ſonſt wohl
der buͤndigſte Schluß geweſen. Jch wagte eine
ganz neue Art zaͤrtlich zu ſeyn. Jch ſetzte ihm den
Degen an die Bruſt, und bat ihn ganz demuͤthig
um ſein Herz. Hier haben Sie meinen Fehdebrief.

Mein Herr,

Gewiß, Sie misbrauchen meine Geduld. Da
„ich mir ſeit fuͤnf Jahren Muͤhe gegeben,
„Sie zu ihrer Schuldigkeit zuruͤck zu bringen, da

alle
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0280" n="252"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Satyri&#x017F;che Briefe.</hi> </fw><lb/>
        <p>Nun war von meinen alten Liebhabern nie-<lb/>
mand mehr u&#x0364;brig, als der ehrendien&#x017F;twillige<lb/>
Wu&#x0364;rzkra&#x0364;mer in R &#x2012; &#x2012;. Sollte ich noch einen An-<lb/>
griff wagen, da ich &#x017F;o oft &#x017F;chimpflicher Wei&#x017F;e ab-<lb/>
gewie&#x017F;en war? Aber war ich nicht &#x017F;chon bey aller<lb/>
Schande abgeha&#x0364;rtet? Was konnte ich weiter ver-<lb/>
lieren, wenn ich mich auch von meiner Ho&#x0364;he bis<lb/>
in den Kramladen meines ehemaligen Freyers her-<lb/>
abließ? So weit hatte ich mich &#x017F;chon gefaßt, daß<lb/>
ich den Reifenrock vor der Thu&#x0364;re ausziehen wollte,<lb/>
damit ich Platz darinnen ha&#x0364;tte. Was fu&#x0364;r Ueber-<lb/>
windung ko&#x017F;tet es einem Frauenzimmer, ehe &#x017F;ie &#x017F;ich,<lb/>
die&#x017F;es zu thun, ent&#x017F;chließt! Aber wie &#x017F;ollte ich es<lb/>
anfangen? Sollte ich von meines Liebhabers Ver-<lb/>
&#x017F;tande, von &#x017F;einen großen Verdien&#x017F;ten, von mei-<lb/>
ner Liebe zu ihm, &#x017F;ollte ich von Pflicht und Ge-<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en reden? Was meynen Sie, mein Herr? Das<lb/>
&#x017F;ind wohl ordentlicher Wei&#x017F;e die Sachen nicht, die<lb/>
einen Kaufmann weichherzig machen. Vom Gel-<lb/>
de konnte ich nicht viel &#x017F;agen: das wa&#x0364;re &#x017F;on&#x017F;t wohl<lb/>
der bu&#x0364;ndig&#x017F;te Schluß gewe&#x017F;en. Jch wagte eine<lb/>
ganz neue Art za&#x0364;rtlich zu &#x017F;eyn. Jch &#x017F;etzte ihm den<lb/>
Degen an die Bru&#x017F;t, und bat ihn ganz demu&#x0364;thig<lb/>
um &#x017F;ein Herz. Hier haben Sie meinen Fehdebrief.</p><lb/>
        <floatingText>
          <body>
            <div type="letter">
              <salute> <hi rendition="#et"> <hi rendition="#fr">Mein Herr,</hi> </hi> </salute><lb/>
              <p>&#x201E;<hi rendition="#in">G</hi>ewiß, Sie misbrauchen meine Geduld. Da<lb/>
&#x201E;ich mir &#x017F;eit fu&#x0364;nf Jahren Mu&#x0364;he gegeben,<lb/>
&#x201E;Sie zu ihrer Schuldigkeit zuru&#x0364;ck zu bringen, da<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">alle</fw><lb/></p>
            </div>
          </body>
        </floatingText>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[252/0280] Satyriſche Briefe. Nun war von meinen alten Liebhabern nie- mand mehr uͤbrig, als der ehrendienſtwillige Wuͤrzkraͤmer in R ‒ ‒. Sollte ich noch einen An- griff wagen, da ich ſo oft ſchimpflicher Weiſe ab- gewieſen war? Aber war ich nicht ſchon bey aller Schande abgehaͤrtet? Was konnte ich weiter ver- lieren, wenn ich mich auch von meiner Hoͤhe bis in den Kramladen meines ehemaligen Freyers her- abließ? So weit hatte ich mich ſchon gefaßt, daß ich den Reifenrock vor der Thuͤre ausziehen wollte, damit ich Platz darinnen haͤtte. Was fuͤr Ueber- windung koſtet es einem Frauenzimmer, ehe ſie ſich, dieſes zu thun, entſchließt! Aber wie ſollte ich es anfangen? Sollte ich von meines Liebhabers Ver- ſtande, von ſeinen großen Verdienſten, von mei- ner Liebe zu ihm, ſollte ich von Pflicht und Ge- wiſſen reden? Was meynen Sie, mein Herr? Das ſind wohl ordentlicher Weiſe die Sachen nicht, die einen Kaufmann weichherzig machen. Vom Gel- de konnte ich nicht viel ſagen: das waͤre ſonſt wohl der buͤndigſte Schluß geweſen. Jch wagte eine ganz neue Art zaͤrtlich zu ſeyn. Jch ſetzte ihm den Degen an die Bruſt, und bat ihn ganz demuͤthig um ſein Herz. Hier haben Sie meinen Fehdebrief. Mein Herr, „Gewiß, Sie misbrauchen meine Geduld. Da „ich mir ſeit fuͤnf Jahren Muͤhe gegeben, „Sie zu ihrer Schuldigkeit zuruͤck zu bringen, da alle

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/280
Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/280>, abgerufen am 26.04.2024.