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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752.

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Satyrische Briefe.
Seyd künftig klüger. Bemüht Euch, das Herz
Eures Vaters wieder zu gewinnen. Es kostet Euch
ein großes Opfer; aber ich kann Euch nicht helfen.
Das Fräulein ist unbaß, ich werde sie morgen be-
suchen. Lebt wohl, und glaubt, daß ich Euch liebe.

Frau Tochter,

Meine Reise ist, Gott Lob! glücklich gewesen. Jch
bin am fünften dieses hier angekommen, und
habe so gleich meine Badekur angetreten, wobey
ich mich wohl befinde. Jm rechten Fusse habe ich
seit einigen Tagen ziemliches Reissen. Es könnte
wohl gar das Podagra werden. Je nun, nun!
Vielleicht lebe ich hernach noch zwanzig Jahre län-
ger, und bin desto muntrer, wenn es vorbey ist.
Aber aufs Hauptwerk zu kommen. Was für ein
Narr ist unserm Jungen, meinem Enkel, in den
Kopf gestiegen! Lies einmal seinen Brief, Frau
Tochter, den ich gestern von ihm bekommen habe.
Des Himmels Einfall hätte ich mir eher versehn,
als so einen albernen Streich von dem Buben.
Kaum habe ich den Rücken gewandt, so wird das
Närrchen verliebt, und weißt du wohl, in wen? Jn
die Fräulein von L - - - Jch sehe wohl, ich muß
dem Jungen wieder einen Jnformator halten, daß
er in die Schule geht, sonst wird er zu muthwillig.
Bedenke nur einmal, Frau Tochter, der Limmel
ist kaum neunzehn Jahre alt, und will schon eine
Frau haben, und was das lächerlichste ist, bloß

aus

Satyriſche Briefe.
Seyd kuͤnftig kluͤger. Bemuͤht Euch, das Herz
Eures Vaters wieder zu gewinnen. Es koſtet Euch
ein großes Opfer; aber ich kann Euch nicht helfen.
Das Fraͤulein iſt unbaß, ich werde ſie morgen be-
ſuchen. Lebt wohl, und glaubt, daß ich Euch liebe.

Frau Tochter,

Meine Reiſe iſt, Gott Lob! gluͤcklich geweſen. Jch
bin am fuͤnften dieſes hier angekommen, und
habe ſo gleich meine Badekur angetreten, wobey
ich mich wohl befinde. Jm rechten Fuſſe habe ich
ſeit einigen Tagen ziemliches Reiſſen. Es koͤnnte
wohl gar das Podagra werden. Je nun, nun!
Vielleicht lebe ich hernach noch zwanzig Jahre laͤn-
ger, und bin deſto muntrer, wenn es vorbey iſt.
Aber aufs Hauptwerk zu kommen. Was fuͤr ein
Narr iſt unſerm Jungen, meinem Enkel, in den
Kopf geſtiegen! Lies einmal ſeinen Brief, Frau
Tochter, den ich geſtern von ihm bekommen habe.
Des Himmels Einfall haͤtte ich mir eher verſehn,
als ſo einen albernen Streich von dem Buben.
Kaum habe ich den Ruͤcken gewandt, ſo wird das
Naͤrrchen verliebt, und weißt du wohl, in wen? Jn
die Fraͤulein von L ‒ ‒ ‒ Jch ſehe wohl, ich muß
dem Jungen wieder einen Jnformator halten, daß
er in die Schule geht, ſonſt wird er zu muthwillig.
Bedenke nur einmal, Frau Tochter, der Limmel
iſt kaum neunzehn Jahre alt, und will ſchon eine
Frau haben, und was das laͤcherlichſte iſt, bloß

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[312/0340] Satyriſche Briefe. Seyd kuͤnftig kluͤger. Bemuͤht Euch, das Herz Eures Vaters wieder zu gewinnen. Es koſtet Euch ein großes Opfer; aber ich kann Euch nicht helfen. Das Fraͤulein iſt unbaß, ich werde ſie morgen be- ſuchen. Lebt wohl, und glaubt, daß ich Euch liebe. Frau Tochter, Meine Reiſe iſt, Gott Lob! gluͤcklich geweſen. Jch bin am fuͤnften dieſes hier angekommen, und habe ſo gleich meine Badekur angetreten, wobey ich mich wohl befinde. Jm rechten Fuſſe habe ich ſeit einigen Tagen ziemliches Reiſſen. Es koͤnnte wohl gar das Podagra werden. Je nun, nun! Vielleicht lebe ich hernach noch zwanzig Jahre laͤn- ger, und bin deſto muntrer, wenn es vorbey iſt. Aber aufs Hauptwerk zu kommen. Was fuͤr ein Narr iſt unſerm Jungen, meinem Enkel, in den Kopf geſtiegen! Lies einmal ſeinen Brief, Frau Tochter, den ich geſtern von ihm bekommen habe. Des Himmels Einfall haͤtte ich mir eher verſehn, als ſo einen albernen Streich von dem Buben. Kaum habe ich den Ruͤcken gewandt, ſo wird das Naͤrrchen verliebt, und weißt du wohl, in wen? Jn die Fraͤulein von L ‒ ‒ ‒ Jch ſehe wohl, ich muß dem Jungen wieder einen Jnformator halten, daß er in die Schule geht, ſonſt wird er zu muthwillig. Bedenke nur einmal, Frau Tochter, der Limmel iſt kaum neunzehn Jahre alt, und will ſchon eine Frau haben, und was das laͤcherlichſte iſt, bloß aus

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/340>, abgerufen am 26.04.2024.