Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 1. Leipzig, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Vaticanische Pallast.

Zimmer der Musen.

Man hat die Statuen aller Neun Musen beiApollo und
die Musen.

einander haben wollen. Einige derselben sind zu Ti-
voli in der Villa des Hadrian auch würklich bei einan-
der nebst dem Apollo Musagetes gefunden. Ob sie
alle von einer Hand verfertigt; ob sie nicht schon bei
Anlegung der Villa selbst zusammen gelesen worden;
ob sie in alten Zeiten in einer Gruppe vereinigt gestan-
den haben? sind Fragen, die ich unbeantwortet lasse.
Inzwischen meine Meinung über dergleichen weitläuf-
tige Compositionen in der Bildhauerkunst habe ich be-
reits geäußert. 22) Der Künstler, der die wahren
Gränzen seiner Kunst, das Maaß menschlicher Kräfte
genung kennt, wird sich schwerlich an die Zusammen-
setzung vieler Figuren wagen, und als mahlerische
Gruppe aufgestellt, das glaube ich mit mehrerer
Dreistigkeit behaupten zu können, thun sie keine
Würkung.

Genung! Man hat in der Villa des Hadrian
nur einige Figuren der Musen zusammen gefunden.
Die fehlenden hat man von allen Seiten herbei
geschafft.

Die Benennungen sind eben so willkührlich als
der größte Theil der Attribute, die sie bezeichnen.

+ Mel-
Kopf und Arme sind neu. Inzwischen sieht man
auf der Schulter die Spuren des Schleiers, den
ihr der moderne Künstler über den Kopf gezogen
hat; und ein antikes Stück des Blumenkranzes,
den sie in der Hand trägt.
22) Oben beim Pallast Farnese.
F 2
Der Vaticaniſche Pallaſt.

Zimmer der Muſen.

Man hat die Statuen aller Neun Muſen beiApollo und
die Muſen.

einander haben wollen. Einige derſelben ſind zu Ti-
voli in der Villa des Hadrian auch wuͤrklich bei einan-
der nebſt dem Apollo Muſagetes gefunden. Ob ſie
alle von einer Hand verfertigt; ob ſie nicht ſchon bei
Anlegung der Villa ſelbſt zuſammen geleſen worden;
ob ſie in alten Zeiten in einer Gruppe vereinigt geſtan-
den haben? ſind Fragen, die ich unbeantwortet laſſe.
Inzwiſchen meine Meinung uͤber dergleichen weitlaͤuf-
tige Compoſitionen in der Bildhauerkunſt habe ich be-
reits geaͤußert. 22) Der Kuͤnſtler, der die wahren
Graͤnzen ſeiner Kunſt, das Maaß menſchlicher Kraͤfte
genung kennt, wird ſich ſchwerlich an die Zuſammen-
ſetzung vieler Figuren wagen, und als mahleriſche
Gruppe aufgeſtellt, das glaube ich mit mehrerer
Dreiſtigkeit behaupten zu koͤnnen, thun ſie keine
Wuͤrkung.

Genung! Man hat in der Villa des Hadrian
nur einige Figuren der Muſen zuſammen gefunden.
Die fehlenden hat man von allen Seiten herbei
geſchafft.

Die Benennungen ſind eben ſo willkuͤhrlich als
der groͤßte Theil der Attribute, die ſie bezeichnen.

Mel-
Kopf und Arme ſind neu. Inzwiſchen ſieht man
auf der Schulter die Spuren des Schleiers, den
ihr der moderne Kuͤnſtler uͤber den Kopf gezogen
hat; und ein antikes Stuͤck des Blumenkranzes,
den ſie in der Hand traͤgt.
22) Oben beim Pallaſt Farneſe.
F 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0105" n="83"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Der Vaticani&#x017F;che Palla&#x017F;t.</hi> </fw><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Zimmer der Mu&#x017F;en</hi>.</hi> </head><lb/>
            <p>Man hat die Statuen aller Neun Mu&#x017F;en bei<note place="right">Apollo und<lb/>
die Mu&#x017F;en.</note><lb/>
einander haben wollen. Einige der&#x017F;elben &#x017F;ind zu Ti-<lb/>
voli in der Villa des Hadrian auch wu&#x0364;rklich bei einan-<lb/>
der neb&#x017F;t dem Apollo Mu&#x017F;agetes gefunden. Ob &#x017F;ie<lb/>
alle von einer Hand verfertigt; ob &#x017F;ie nicht &#x017F;chon bei<lb/>
Anlegung der Villa &#x017F;elb&#x017F;t zu&#x017F;ammen gele&#x017F;en worden;<lb/>
ob &#x017F;ie in alten Zeiten in einer Gruppe vereinigt ge&#x017F;tan-<lb/>
den haben? &#x017F;ind Fragen, die ich unbeantwortet la&#x017F;&#x017F;e.<lb/>
Inzwi&#x017F;chen meine Meinung u&#x0364;ber dergleichen weitla&#x0364;uf-<lb/>
tige Compo&#x017F;itionen in der Bildhauerkun&#x017F;t habe ich be-<lb/>
reits gea&#x0364;ußert. <note place="foot" n="22)">Oben beim Palla&#x017F;t Farne&#x017F;e.</note> Der Ku&#x0364;n&#x017F;tler, der die wahren<lb/>
Gra&#x0364;nzen &#x017F;einer Kun&#x017F;t, das Maaß men&#x017F;chlicher Kra&#x0364;fte<lb/>
genung kennt, wird &#x017F;ich &#x017F;chwerlich an die Zu&#x017F;ammen-<lb/>
&#x017F;etzung vieler     Figuren wagen, und als mahleri&#x017F;che<lb/>
Gruppe aufge&#x017F;tellt, das glaube ich mit mehrerer<lb/>
Drei&#x017F;tigkeit behaupten zu ko&#x0364;nnen, thun &#x017F;ie keine<lb/>
Wu&#x0364;rkung.</p><lb/>
            <p>Genung! Man hat in der Villa des Hadrian<lb/>
nur einige Figuren der Mu&#x017F;en zu&#x017F;ammen gefunden.<lb/>
Die fehlenden hat man von allen Seiten herbei<lb/>
ge&#x017F;chafft.</p><lb/>
            <p>Die Benennungen &#x017F;ind eben &#x017F;o willku&#x0364;hrlich als<lb/>
der gro&#x0364;ßte Theil der Attribute, die &#x017F;ie bezeichnen.</p><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig">F 2</fw>
            <fw place="bottom" type="catch">&#x2020; <hi rendition="#fr">Mel-</hi></fw><lb/>
            <note xml:id="note-0150" prev="#seg2pn_4_3" place="foot" n="21)">Kopf und Arme &#x017F;ind neu. Inzwi&#x017F;chen &#x017F;ieht man<lb/>
auf der Schulter die Spuren des Schleiers, den<lb/>
ihr der moderne Ku&#x0364;n&#x017F;tler u&#x0364;ber den Kopf gezogen<lb/>
hat; und ein antikes Stu&#x0364;ck des Blumenkranzes,<lb/>
den &#x017F;ie in der Hand tra&#x0364;gt.</note><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[83/0105] Der Vaticaniſche Pallaſt. Zimmer der Muſen. Man hat die Statuen aller Neun Muſen bei einander haben wollen. Einige derſelben ſind zu Ti- voli in der Villa des Hadrian auch wuͤrklich bei einan- der nebſt dem Apollo Muſagetes gefunden. Ob ſie alle von einer Hand verfertigt; ob ſie nicht ſchon bei Anlegung der Villa ſelbſt zuſammen geleſen worden; ob ſie in alten Zeiten in einer Gruppe vereinigt geſtan- den haben? ſind Fragen, die ich unbeantwortet laſſe. Inzwiſchen meine Meinung uͤber dergleichen weitlaͤuf- tige Compoſitionen in der Bildhauerkunſt habe ich be- reits geaͤußert. 22) Der Kuͤnſtler, der die wahren Graͤnzen ſeiner Kunſt, das Maaß menſchlicher Kraͤfte genung kennt, wird ſich ſchwerlich an die Zuſammen- ſetzung vieler Figuren wagen, und als mahleriſche Gruppe aufgeſtellt, das glaube ich mit mehrerer Dreiſtigkeit behaupten zu koͤnnen, thun ſie keine Wuͤrkung. Apollo und die Muſen. Genung! Man hat in der Villa des Hadrian nur einige Figuren der Muſen zuſammen gefunden. Die fehlenden hat man von allen Seiten herbei geſchafft. Die Benennungen ſind eben ſo willkuͤhrlich als der groͤßte Theil der Attribute, die ſie bezeichnen. † Mel- 21) 22) Oben beim Pallaſt Farneſe. 21) Kopf und Arme ſind neu. Inzwiſchen ſieht man auf der Schulter die Spuren des Schleiers, den ihr der moderne Kuͤnſtler uͤber den Kopf gezogen hat; und ein antikes Stuͤck des Blumenkranzes, den ſie in der Hand traͤgt. F 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei01_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei01_1787/105
Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 1. Leipzig, 1787, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei01_1787/105>, abgerufen am 26.04.2024.