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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 1. Leipzig, 1787.

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Der Vaticanische Pallast.
legenheit zu der Handlung einer schönen weiblichen Fi-
gur gegeben, welche die Köpfe derer, die vor ihr ste-
hen, zur Seite biegt, um sich Licht zu machen.

Auch verdient die Weisheit unsere Aufmerksam-
keit, mit welcher der Künstler den Ort des Gemähl-
des, der durch ein Fenster getheilt wird, bei der An-
ordnung ohne Nachtheil der Einheit zu nutzen wußte.

Dies Gemählde hat Raphael gleichfalls selbst
ausgeführt.

+ Die Befreiung des heiligen Petrus ausDer heilige
Petrus im
Gefängnisse.

dem Gefängniß.

Dieses Gemählde muß in drei Unterabtheilungen
abgesondert werden, welche man als drei verschiedene
Scenen eines Schauspiels ansehen kann: Drei auf
einander folgende Auftritte einer Haupthandlung.
Der Engel weckt den heiligen Petrus im Gefängnisse
auf, der führt ihn an der einen Seite dieses Gefäng-
nisses ab, und an der andern Seite desselben werden
die Wächter seine Flucht gewahr. Man kann sich
diese verschiedenen Zeitpunkte als auf einander folgende
fortschreitende Handlungen einer Begebenheit denken,
und so machen sie ein dichterisches Ganze aus: Aber
da man sie nicht als neben einander existirend anneh-
men darf; da sie an verschiedenen Orten und zu ver-
schiedenen Zeiten vorgehen, so sind es auch drei ganz
von einander verschiedene Gemählde.

So fällt denn auch der Vorwurf einer doppelten
Handlung weg, der darin gefunden wird, daß man
den heiligen Petrus einmahl vom Engel geweckt, das
andere mahl von ihm fortgeführt zu gleicher Zeit er-

blickt.

Der Vaticaniſche Pallaſt.
legenheit zu der Handlung einer ſchoͤnen weiblichen Fi-
gur gegeben, welche die Koͤpfe derer, die vor ihr ſte-
hen, zur Seite biegt, um ſich Licht zu machen.

Auch verdient die Weisheit unſere Aufmerkſam-
keit, mit welcher der Kuͤnſtler den Ort des Gemaͤhl-
des, der durch ein Fenſter getheilt wird, bei der An-
ordnung ohne Nachtheil der Einheit zu nutzen wußte.

Dies Gemaͤhlde hat Raphael gleichfalls ſelbſt
ausgefuͤhrt.

† Die Befreiung des heiligen Petrus ausDer heilige
Petrus im
Gefaͤngniſſe.

dem Gefaͤngniß.

Dieſes Gemaͤhlde muß in drei Unterabtheilungen
abgeſondert werden, welche man als drei verſchiedene
Scenen eines Schauſpiels anſehen kann: Drei auf
einander folgende Auftritte einer Haupthandlung.
Der Engel weckt den heiligen Petrus im Gefaͤngniſſe
auf, der fuͤhrt ihn an der einen Seite dieſes Gefaͤng-
niſſes ab, und an der andern Seite deſſelben werden
die Waͤchter ſeine Flucht gewahr. Man kann ſich
dieſe verſchiedenen Zeitpunkte als auf einander folgende
fortſchreitende Handlungen einer Begebenheit denken,
und ſo machen ſie ein dichteriſches Ganze aus: Aber
da man ſie nicht als neben einander exiſtirend anneh-
men darf; da ſie an verſchiedenen Orten und zu ver-
ſchiedenen Zeiten vorgehen, ſo ſind es auch drei ganz
von einander verſchiedene Gemaͤhlde.

So faͤllt denn auch der Vorwurf einer doppelten
Handlung weg, der darin gefunden wird, daß man
den heiligen Petrus einmahl vom Engel geweckt, das
andere mahl von ihm fortgefuͤhrt zu gleicher Zeit er-

blickt.
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[155/0177] Der Vaticaniſche Pallaſt. legenheit zu der Handlung einer ſchoͤnen weiblichen Fi- gur gegeben, welche die Koͤpfe derer, die vor ihr ſte- hen, zur Seite biegt, um ſich Licht zu machen. Auch verdient die Weisheit unſere Aufmerkſam- keit, mit welcher der Kuͤnſtler den Ort des Gemaͤhl- des, der durch ein Fenſter getheilt wird, bei der An- ordnung ohne Nachtheil der Einheit zu nutzen wußte. Dies Gemaͤhlde hat Raphael gleichfalls ſelbſt ausgefuͤhrt. † Die Befreiung des heiligen Petrus aus dem Gefaͤngniß. Dieſes Gemaͤhlde muß in drei Unterabtheilungen abgeſondert werden, welche man als drei verſchiedene Scenen eines Schauſpiels anſehen kann: Drei auf einander folgende Auftritte einer Haupthandlung. Der Engel weckt den heiligen Petrus im Gefaͤngniſſe auf, der fuͤhrt ihn an der einen Seite dieſes Gefaͤng- niſſes ab, und an der andern Seite deſſelben werden die Waͤchter ſeine Flucht gewahr. Man kann ſich dieſe verſchiedenen Zeitpunkte als auf einander folgende fortſchreitende Handlungen einer Begebenheit denken, und ſo machen ſie ein dichteriſches Ganze aus: Aber da man ſie nicht als neben einander exiſtirend anneh- men darf; da ſie an verſchiedenen Orten und zu ver- ſchiedenen Zeiten vorgehen, ſo ſind es auch drei ganz von einander verſchiedene Gemaͤhlde. So faͤllt denn auch der Vorwurf einer doppelten Handlung weg, der darin gefunden wird, daß man den heiligen Petrus einmahl vom Engel geweckt, das andere mahl von ihm fortgefuͤhrt zu gleicher Zeit er- blickt.

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Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 1. Leipzig, 1787, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei01_1787/177>, abgerufen am 26.04.2024.