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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 2. Leipzig, 1787.

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Villa Ludovisi.
Unteres Zimmer.

+ Das Gemählde in der Mitte des Pla-Mahlereien
des Guerci-
no.

fonds stellet die Aurora vor, die dem Bette
des Tithon entflohen, in ihrem Wagen daher
fährt, und Blumen auf die Erde streuet.
Die Horen gehen vor ihr her, und vertreiben
die Gestirne.
Die Anordnung dieses Gemähldes
ist schön, auch bewundert man mit Recht den kräfti-
gen Pinsel, den schönen Auftrag der Farben, die
Leichtigkeit der Ausführung und die pikante Wür-
kung der Ründung; den Hauptvorzug in den Ge-
mählden dieses Meisters. Allein was Farbe und
Zeichnung anbetrifft, so ist in beiden nur ein Schein
von Wahrheit vorhanden, der eine genauere Prü-
fung nicht aushält. Der Tithon hat keinen edlen
Ausdruck.

Linker Hand sieht man den anbrechenden
Tag unter der Figur eines geflügelten Jüng-
lings mit brennender Fackel.
Diese Figur tritt
erstaunlich vor, ist mit vieler Wahrheit, und unbe-
greiflicher Leichtigkeit gemahlt.

Rechter Hand ist die Nacht unter der Fi-
gur eines Frauenzimmers vorgestellet, das
beim Lesen eingeschlafen ist. Sie sitzet in den
Trümmern eines Gebäudes, die durch eine
Lampe erhellet werden. Eine Eule guckt aus
ihrem Loche hervor, und eine Fledermaus
fliegt umher. Zu den beiden Seiten der Nacht
schlafen zwei Knaben.
Der Gedanke ist fein,
die Abwechselung des Lichts und Schattens thut wie
gewöhnlich viele Würkung; aber die Figuren sind
äußerst unedel.

Ueber
O 4
Villa Ludoviſi.
Unteres Zimmer.

Das Gemaͤhlde in der Mitte des Pla-Mahlereien
des Guerci-
no.

fonds ſtellet die Aurora vor, die dem Bette
des Tithon entflohen, in ihrem Wagen daher
faͤhrt, und Blumen auf die Erde ſtreuet.
Die Horen gehen vor ihr her, und vertreiben
die Geſtirne.
Die Anordnung dieſes Gemaͤhldes
iſt ſchoͤn, auch bewundert man mit Recht den kraͤfti-
gen Pinſel, den ſchoͤnen Auftrag der Farben, die
Leichtigkeit der Ausfuͤhrung und die pikante Wuͤr-
kung der Ruͤndung; den Hauptvorzug in den Ge-
maͤhlden dieſes Meiſters. Allein was Farbe und
Zeichnung anbetrifft, ſo iſt in beiden nur ein Schein
von Wahrheit vorhanden, der eine genauere Pruͤ-
fung nicht aushaͤlt. Der Tithon hat keinen edlen
Ausdruck.

Linker Hand ſieht man den anbrechenden
Tag unter der Figur eines gefluͤgelten Juͤng-
lings mit brennender Fackel.
Dieſe Figur tritt
erſtaunlich vor, iſt mit vieler Wahrheit, und unbe-
greiflicher Leichtigkeit gemahlt.

Rechter Hand iſt die Nacht unter der Fi-
gur eines Frauenzimmers vorgeſtellet, das
beim Leſen eingeſchlafen iſt. Sie ſitzet in den
Truͤmmern eines Gebaͤudes, die durch eine
Lampe erhellet werden. Eine Eule guckt aus
ihrem Loche hervor, und eine Fledermaus
fliegt umher. Zu den beiden Seiten der Nacht
ſchlafen zwei Knaben.
Der Gedanke iſt fein,
die Abwechſelung des Lichts und Schattens thut wie
gewoͤhnlich viele Wuͤrkung; aber die Figuren ſind
aͤußerſt unedel.

Ueber
O 4
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[215/0229] Villa Ludoviſi. Unteres Zimmer. † Das Gemaͤhlde in der Mitte des Pla- fonds ſtellet die Aurora vor, die dem Bette des Tithon entflohen, in ihrem Wagen daher faͤhrt, und Blumen auf die Erde ſtreuet. Die Horen gehen vor ihr her, und vertreiben die Geſtirne. Die Anordnung dieſes Gemaͤhldes iſt ſchoͤn, auch bewundert man mit Recht den kraͤfti- gen Pinſel, den ſchoͤnen Auftrag der Farben, die Leichtigkeit der Ausfuͤhrung und die pikante Wuͤr- kung der Ruͤndung; den Hauptvorzug in den Ge- maͤhlden dieſes Meiſters. Allein was Farbe und Zeichnung anbetrifft, ſo iſt in beiden nur ein Schein von Wahrheit vorhanden, der eine genauere Pruͤ- fung nicht aushaͤlt. Der Tithon hat keinen edlen Ausdruck. Mahlereien des Guerci- no. Linker Hand ſieht man den anbrechenden Tag unter der Figur eines gefluͤgelten Juͤng- lings mit brennender Fackel. Dieſe Figur tritt erſtaunlich vor, iſt mit vieler Wahrheit, und unbe- greiflicher Leichtigkeit gemahlt. Rechter Hand iſt die Nacht unter der Fi- gur eines Frauenzimmers vorgeſtellet, das beim Leſen eingeſchlafen iſt. Sie ſitzet in den Truͤmmern eines Gebaͤudes, die durch eine Lampe erhellet werden. Eine Eule guckt aus ihrem Loche hervor, und eine Fledermaus fliegt umher. Zu den beiden Seiten der Nacht ſchlafen zwei Knaben. Der Gedanke iſt fein, die Abwechſelung des Lichts und Schattens thut wie gewoͤhnlich viele Wuͤrkung; aber die Figuren ſind aͤußerſt unedel. Ueber O 4

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Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 2. Leipzig, 1787, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei02_1787/229>, abgerufen am 26.04.2024.