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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.

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Buch II. Regeneration des Katholicismus.
entweder anfängt, oder wenn sie angefangen hat, fortge-
setzt, oder wenn sie verloren ist, wieder erworben wird 1). Es
hat keine Schwierigkeit, sie alle sieben, wie sie bisher an-
genommen worden, beizubehalten und auf den Urheber des
Glaubens zurückzuführen, da die Institute der Kirche Christi
nicht allein durch die Schrift, sondern auch durch die Tra-
dition mitgetheilt sind 2). Nun umfassen aber diese Sa-
cramente, wie man weiß, das ganze Leben und alle Stu-
fen, in denen es sich entwickelt; sie gründen die Hierar-
chie, in so fern sie Tag und Stunde beherrscht; indem sie
die Gnade nicht allein bedeuten, sondern mittheilen, voll-
enden sie den mystischen Bezug, in welchem der Mensch
zu Gott gedacht wird.

Eben darum nahm man die Tradition an, weil der
heilige Geist der Kirche immerfort inwohne; die Vulgata,
weil die römische Kirche durch besondere göttliche Gnade
von aller Verirrung frei erhalten worden; diesem Inwoh-
nen des göttlichen Elementes entspricht es dann, daß auch
das rechtfertigende Prinzip in dem Menschen selbst Platz
nimmt, daß die in dem sichtbaren Sacrament gleichsam
gebundene Gnade ihm Schritt für Schritt mitgetheilt
wird und sein Leben und Sterben umfaßt. Die erschei-
nende Kirche ist zugleich die wahre, die man die unsicht-
bare genannt hat. Religiöse Existenz kann sie außer ihrem
Kreise nicht anerkennen.



1) Sessio VII. Prooemium
2) Die Discussionen hierüber theilt Sarpi mit: Historia del
concilio Tridentino; p.
241 (Ausg. v. 1629.). Pallavicini ist dar-
über sehr unzureichend.

Buch II. Regeneration des Katholicismus.
entweder anfaͤngt, oder wenn ſie angefangen hat, fortge-
ſetzt, oder wenn ſie verloren iſt, wieder erworben wird 1). Es
hat keine Schwierigkeit, ſie alle ſieben, wie ſie bisher an-
genommen worden, beizubehalten und auf den Urheber des
Glaubens zuruͤckzufuͤhren, da die Inſtitute der Kirche Chriſti
nicht allein durch die Schrift, ſondern auch durch die Tra-
dition mitgetheilt ſind 2). Nun umfaſſen aber dieſe Sa-
cramente, wie man weiß, das ganze Leben und alle Stu-
fen, in denen es ſich entwickelt; ſie gruͤnden die Hierar-
chie, in ſo fern ſie Tag und Stunde beherrſcht; indem ſie
die Gnade nicht allein bedeuten, ſondern mittheilen, voll-
enden ſie den myſtiſchen Bezug, in welchem der Menſch
zu Gott gedacht wird.

Eben darum nahm man die Tradition an, weil der
heilige Geiſt der Kirche immerfort inwohne; die Vulgata,
weil die roͤmiſche Kirche durch beſondere goͤttliche Gnade
von aller Verirrung frei erhalten worden; dieſem Inwoh-
nen des goͤttlichen Elementes entſpricht es dann, daß auch
das rechtfertigende Prinzip in dem Menſchen ſelbſt Platz
nimmt, daß die in dem ſichtbaren Sacrament gleichſam
gebundene Gnade ihm Schritt fuͤr Schritt mitgetheilt
wird und ſein Leben und Sterben umfaßt. Die erſchei-
nende Kirche iſt zugleich die wahre, die man die unſicht-
bare genannt hat. Religioͤſe Exiſtenz kann ſie außer ihrem
Kreiſe nicht anerkennen.



1) Sessio VII. Prooemium
2) Die Discuſſionen hieruͤber theilt Sarpi mit: Historia del
concilio Tridentino; p.
241 (Ausg. v. 1629.). Pallavicini iſt dar-
uͤber ſehr unzureichend.
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[204/0230] Buch II. Regeneration des Katholicismus. entweder anfaͤngt, oder wenn ſie angefangen hat, fortge- ſetzt, oder wenn ſie verloren iſt, wieder erworben wird 1). Es hat keine Schwierigkeit, ſie alle ſieben, wie ſie bisher an- genommen worden, beizubehalten und auf den Urheber des Glaubens zuruͤckzufuͤhren, da die Inſtitute der Kirche Chriſti nicht allein durch die Schrift, ſondern auch durch die Tra- dition mitgetheilt ſind 2). Nun umfaſſen aber dieſe Sa- cramente, wie man weiß, das ganze Leben und alle Stu- fen, in denen es ſich entwickelt; ſie gruͤnden die Hierar- chie, in ſo fern ſie Tag und Stunde beherrſcht; indem ſie die Gnade nicht allein bedeuten, ſondern mittheilen, voll- enden ſie den myſtiſchen Bezug, in welchem der Menſch zu Gott gedacht wird. Eben darum nahm man die Tradition an, weil der heilige Geiſt der Kirche immerfort inwohne; die Vulgata, weil die roͤmiſche Kirche durch beſondere goͤttliche Gnade von aller Verirrung frei erhalten worden; dieſem Inwoh- nen des goͤttlichen Elementes entſpricht es dann, daß auch das rechtfertigende Prinzip in dem Menſchen ſelbſt Platz nimmt, daß die in dem ſichtbaren Sacrament gleichſam gebundene Gnade ihm Schritt fuͤr Schritt mitgetheilt wird und ſein Leben und Sterben umfaßt. Die erſchei- nende Kirche iſt zugleich die wahre, die man die unſicht- bare genannt hat. Religioͤſe Exiſtenz kann ſie außer ihrem Kreiſe nicht anerkennen. 1) Sessio VII. Prooemium 2) Die Discuſſionen hieruͤber theilt Sarpi mit: Historia del concilio Tridentino; p. 241 (Ausg. v. 1629.). Pallavicini iſt dar- uͤber ſehr unzureichend.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/230>, abgerufen am 26.04.2024.