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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.

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Buch IV. Staat und Hof.

Schon unter Paul IV. nahm man es wahr; das
Beispiel Pius V. hatte eine ungemeine Wirkung: unter
Gregor XIII. stellte es sich Jedermann vor Augen. "Zum
Besten der Kirche," sagt P. Tiepolo 1576, "trägt es un-
endlich viel bei, daß mehrere Päpste hintereinander von ta-
dellosem Lebenswandel gewesen sind: auch alle anderen sind
dadurch besser geworden, oder sie haben wenigstens den An-
schein davon angenommen. Cardinäle und Prälaten besu-
chen die Messe fleißig; ihr Hausstand sucht alles zu ver-
meiden, was anstößig seyn könnte; die ganze Stadt hat
von der alten Rücksichtslosigkeit abgelassen, in Sitten und
Lebensweise ist sie um vieles christlicher als früher. Man
kann behaupten, daß Rom in Sachen der Religion von
der Vollkommenheit, welche die menschliche Natur über-
haupt erreichen kann, nicht gar entfernt ist."

Nicht als ob nun dieser Hof aus Frömmlern und
Kopfhängern zusammengesetzt gewesen wäre: er bestand ohne
Zweifel aus ausgezeichneten Leuten -- die sich aber jene
streng kirchliche Sinnesweise in hohem Grade angeeignet
hatten.

Vergegenwärtigen wir ihn uns, wie er zu den Zeiten
Sixtus V. war, so saßen unter den Cardinälen nicht
wenige, die einen großen Antheil an den Weltgeschäften
genommen: Gallio von Como, der unter zwei Pontifica-
ten die Regierung als erster Minister geleitet, mit dem
Talent, durch Fügsamkeit zu herrschen; jetzt machte er sich
nur noch durch die Anwendung seiner großen Einkünfte zu
kirchlichen Stiftungen bemerklich; -- Rusticucci, mächtig
schon unter Pius V., auch unter Sixtus nicht ohne gro-

Buch IV. Staat und Hof.

Schon unter Paul IV. nahm man es wahr; das
Beiſpiel Pius V. hatte eine ungemeine Wirkung: unter
Gregor XIII. ſtellte es ſich Jedermann vor Augen. „Zum
Beſten der Kirche,“ ſagt P. Tiepolo 1576, „traͤgt es un-
endlich viel bei, daß mehrere Paͤpſte hintereinander von ta-
delloſem Lebenswandel geweſen ſind: auch alle anderen ſind
dadurch beſſer geworden, oder ſie haben wenigſtens den An-
ſchein davon angenommen. Cardinaͤle und Praͤlaten beſu-
chen die Meſſe fleißig; ihr Hausſtand ſucht alles zu ver-
meiden, was anſtoͤßig ſeyn koͤnnte; die ganze Stadt hat
von der alten Ruͤckſichtsloſigkeit abgelaſſen, in Sitten und
Lebensweiſe iſt ſie um vieles chriſtlicher als fruͤher. Man
kann behaupten, daß Rom in Sachen der Religion von
der Vollkommenheit, welche die menſchliche Natur uͤber-
haupt erreichen kann, nicht gar entfernt iſt.“

Nicht als ob nun dieſer Hof aus Froͤmmlern und
Kopfhaͤngern zuſammengeſetzt geweſen waͤre: er beſtand ohne
Zweifel aus ausgezeichneten Leuten — die ſich aber jene
ſtreng kirchliche Sinnesweiſe in hohem Grade angeeignet
hatten.

Vergegenwaͤrtigen wir ihn uns, wie er zu den Zeiten
Sixtus V. war, ſo ſaßen unter den Cardinaͤlen nicht
wenige, die einen großen Antheil an den Weltgeſchaͤften
genommen: Gallio von Como, der unter zwei Pontifica-
ten die Regierung als erſter Miniſter geleitet, mit dem
Talent, durch Fuͤgſamkeit zu herrſchen; jetzt machte er ſich
nur noch durch die Anwendung ſeiner großen Einkuͤnfte zu
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[500/0526] Buch IV. Staat und Hof. Schon unter Paul IV. nahm man es wahr; das Beiſpiel Pius V. hatte eine ungemeine Wirkung: unter Gregor XIII. ſtellte es ſich Jedermann vor Augen. „Zum Beſten der Kirche,“ ſagt P. Tiepolo 1576, „traͤgt es un- endlich viel bei, daß mehrere Paͤpſte hintereinander von ta- delloſem Lebenswandel geweſen ſind: auch alle anderen ſind dadurch beſſer geworden, oder ſie haben wenigſtens den An- ſchein davon angenommen. Cardinaͤle und Praͤlaten beſu- chen die Meſſe fleißig; ihr Hausſtand ſucht alles zu ver- meiden, was anſtoͤßig ſeyn koͤnnte; die ganze Stadt hat von der alten Ruͤckſichtsloſigkeit abgelaſſen, in Sitten und Lebensweiſe iſt ſie um vieles chriſtlicher als fruͤher. Man kann behaupten, daß Rom in Sachen der Religion von der Vollkommenheit, welche die menſchliche Natur uͤber- haupt erreichen kann, nicht gar entfernt iſt.“ Nicht als ob nun dieſer Hof aus Froͤmmlern und Kopfhaͤngern zuſammengeſetzt geweſen waͤre: er beſtand ohne Zweifel aus ausgezeichneten Leuten — die ſich aber jene ſtreng kirchliche Sinnesweiſe in hohem Grade angeeignet hatten. Vergegenwaͤrtigen wir ihn uns, wie er zu den Zeiten Sixtus V. war, ſo ſaßen unter den Cardinaͤlen nicht wenige, die einen großen Antheil an den Weltgeſchaͤften genommen: Gallio von Como, der unter zwei Pontifica- ten die Regierung als erſter Miniſter geleitet, mit dem Talent, durch Fuͤgſamkeit zu herrſchen; jetzt machte er ſich nur noch durch die Anwendung ſeiner großen Einkuͤnfte zu kirchlichen Stiftungen bemerklich; — Ruſticucci, maͤchtig ſchon unter Pius V., auch unter Sixtus nicht ohne gro-

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 500. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/526>, abgerufen am 26.04.2024.