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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.

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Verweltlichung der Kirche.
daß der Nepot sein Amt nur als eine Pfründe betrachtete,
deren Ertrag er so hoch zu steigern habe als möglich.

In diesen Zeiten wurden bereits, wie wir sahen, die
Bisthümer an den meisten Orten nicht ohne einen großen
Antheil der weltlichen Gewalt vergeben; nach den Rücksich-
ten der Familie, der Gunst des Hofes, als Sinecuren wur-
den sie vertheilt. Die römische Curie suchte nur bei den
Vacanzen und der Besetzung den möglichsten Vortheil zu
ziehen. Alexander nahm doppelte Annaten: er machte sich
zwei drei Zehnten aus; es fehlte nicht viel an einem völli-
gen Verkaufe. Die Taxen der päpstlichen Canzlei stiegen
von Tage zu Tage; der Regens derselben sollte den Klagen
abhelfen, aber gewöhnlich übertrug er eben denen die
Revision, welche die Taxen festgesetzt hatten 1). Für jede
Gunstbezeugung, welche das Amt der Dataria ausgehen
ließ, mußte man ihr eine vorher bestimmte Summe zah-
len. Der Streit zwischen Fürstenthum und Curie bezog
sich in der Regel auf nichts andres als auf diese Leistun-
gen. Die Curie wollte sie so weit als möglich ausdeh-
nen; in jedem Lande wollte man sie so viel als möglich
beschränken.

Mit Nothwendigkeit wirkte dieß Prinzip in den der-
gestalt Angestellten, bis in die untern Grade nach. Man
verzichtete wohl auf sein Bisthum: behielt sich aber die
Einkünfte wenigstens zum größten Theile vor: zuweilen

1) Reformationes cancellariae apostolicae Smi. Dni. Nrt.
Pauli III. 1540. Ms.
der Bibl. Barberini zu Rom Nro. 2275
zählt alle seit Sixtus und Alexander eingeschlichenen Mißbräuche
auf. Die Gravamina der deutschen Nation betreffen besonders diese
"neuen Funde" und Aemter der römischen Canzlei. §. 14. §. 38.

Verweltlichung der Kirche.
daß der Nepot ſein Amt nur als eine Pfruͤnde betrachtete,
deren Ertrag er ſo hoch zu ſteigern habe als moͤglich.

In dieſen Zeiten wurden bereits, wie wir ſahen, die
Bisthuͤmer an den meiſten Orten nicht ohne einen großen
Antheil der weltlichen Gewalt vergeben; nach den Ruͤckſich-
ten der Familie, der Gunſt des Hofes, als Sinecuren wur-
den ſie vertheilt. Die roͤmiſche Curie ſuchte nur bei den
Vacanzen und der Beſetzung den moͤglichſten Vortheil zu
ziehen. Alexander nahm doppelte Annaten: er machte ſich
zwei drei Zehnten aus; es fehlte nicht viel an einem voͤlli-
gen Verkaufe. Die Taxen der paͤpſtlichen Canzlei ſtiegen
von Tage zu Tage; der Regens derſelben ſollte den Klagen
abhelfen, aber gewoͤhnlich uͤbertrug er eben denen die
Reviſion, welche die Taxen feſtgeſetzt hatten 1). Fuͤr jede
Gunſtbezeugung, welche das Amt der Dataria ausgehen
ließ, mußte man ihr eine vorher beſtimmte Summe zah-
len. Der Streit zwiſchen Fuͤrſtenthum und Curie bezog
ſich in der Regel auf nichts andres als auf dieſe Leiſtun-
gen. Die Curie wollte ſie ſo weit als moͤglich ausdeh-
nen; in jedem Lande wollte man ſie ſo viel als moͤglich
beſchraͤnken.

Mit Nothwendigkeit wirkte dieß Prinzip in den der-
geſtalt Angeſtellten, bis in die untern Grade nach. Man
verzichtete wohl auf ſein Bisthum: behielt ſich aber die
Einkuͤnfte wenigſtens zum groͤßten Theile vor: zuweilen

1) Reformationes cancellariae apostolicae Sm̱i̱. Dṉi̱. Nṟṯ.
Pauli III. 1540. Ms.
der Bibl. Barberini zu Rom Nro. 2275
zaͤhlt alle ſeit Sixtus und Alexander eingeſchlichenen Mißbraͤuche
auf. Die Gravamina der deutſchen Nation betreffen beſonders dieſe
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[57/0083] Verweltlichung der Kirche. daß der Nepot ſein Amt nur als eine Pfruͤnde betrachtete, deren Ertrag er ſo hoch zu ſteigern habe als moͤglich. In dieſen Zeiten wurden bereits, wie wir ſahen, die Bisthuͤmer an den meiſten Orten nicht ohne einen großen Antheil der weltlichen Gewalt vergeben; nach den Ruͤckſich- ten der Familie, der Gunſt des Hofes, als Sinecuren wur- den ſie vertheilt. Die roͤmiſche Curie ſuchte nur bei den Vacanzen und der Beſetzung den moͤglichſten Vortheil zu ziehen. Alexander nahm doppelte Annaten: er machte ſich zwei drei Zehnten aus; es fehlte nicht viel an einem voͤlli- gen Verkaufe. Die Taxen der paͤpſtlichen Canzlei ſtiegen von Tage zu Tage; der Regens derſelben ſollte den Klagen abhelfen, aber gewoͤhnlich uͤbertrug er eben denen die Reviſion, welche die Taxen feſtgeſetzt hatten 1). Fuͤr jede Gunſtbezeugung, welche das Amt der Dataria ausgehen ließ, mußte man ihr eine vorher beſtimmte Summe zah- len. Der Streit zwiſchen Fuͤrſtenthum und Curie bezog ſich in der Regel auf nichts andres als auf dieſe Leiſtun- gen. Die Curie wollte ſie ſo weit als moͤglich ausdeh- nen; in jedem Lande wollte man ſie ſo viel als moͤglich beſchraͤnken. Mit Nothwendigkeit wirkte dieß Prinzip in den der- geſtalt Angeſtellten, bis in die untern Grade nach. Man verzichtete wohl auf ſein Bisthum: behielt ſich aber die Einkuͤnfte wenigſtens zum groͤßten Theile vor: zuweilen 1) Reformationes cancellariae apostolicae Sm̱i̱. Dṉi̱. Nṟṯ. Pauli III. 1540. Ms. der Bibl. Barberini zu Rom Nro. 2275 zaͤhlt alle ſeit Sixtus und Alexander eingeſchlichenen Mißbraͤuche auf. Die Gravamina der deutſchen Nation betreffen beſonders dieſe „neuen Funde“ und Aemter der roͤmiſchen Canzlei. §. 14. §. 38.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/83>, abgerufen am 26.04.2024.