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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

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Religiöse Stellung des Papstthums.
solcher aber war durchaus nothwendig. Es war nothwen-
dig, den unter der tausendfältigen Verhüllung zufälliger For-
men verborgenen Kern der Religion wieder einmal rein zu
Tage zu schaffen. Sollte das Evangelium aller Welt ver-
kündigt werden, so mußte es erst wieder in seiner unge-
trübten Lauterkeit erscheinen.

Es ist eine der größten Combinationen der Weltge-
schichte, daß in dem Augenblick, in welchem sich dem Sy-
stem der romanisch-germanischen Völker, welche sich zur
lateinischen Kirche bekannten, die Aussicht eröffnete, sich
eine vorwaltende Einwirkung auf die andern Erdtheile zu
verschaffen, sich zugleich eine religiöse Entwickelung erhob, die
dahin zielte die Reinheit der Offenbarung wiederherzustellen.

Die deutsche Nation, die an der Eroberung fremder
Welttheile wenig oder keinen Antheil hatte, nahm diese große
Aufgabe sich vor. Es kamen verschiedne Momente zusammen,
um ihr die Richtung dahin zu geben, eine entscheidende Op-
position gegen den römischen Stuhl in ihr hervorzurufen.

Opposition von weltlicher Seite.

Vor allem mußte das Bestreben, der Nation eine
geordnete, in sich geschlossene Verfassung zu geben, welches
die letzten Jahrzehnde beschäftigt hatte, dem Papstthum in
den Weg treten, dem bisher ein so großer Einfluß auf die
Reichsregierung zugestanden worden war.

Der Papst würde es gar bald gefühlt haben, wenn
es wirklich zu der nationalen Staatsgewalt gekommen wäre,
nach der man so eifrig strebte.


Religioͤſe Stellung des Papſtthums.
ſolcher aber war durchaus nothwendig. Es war nothwen-
dig, den unter der tauſendfältigen Verhüllung zufälliger For-
men verborgenen Kern der Religion wieder einmal rein zu
Tage zu ſchaffen. Sollte das Evangelium aller Welt ver-
kündigt werden, ſo mußte es erſt wieder in ſeiner unge-
trübten Lauterkeit erſcheinen.

Es iſt eine der größten Combinationen der Weltge-
ſchichte, daß in dem Augenblick, in welchem ſich dem Sy-
ſtem der romaniſch-germaniſchen Völker, welche ſich zur
lateiniſchen Kirche bekannten, die Ausſicht eröffnete, ſich
eine vorwaltende Einwirkung auf die andern Erdtheile zu
verſchaffen, ſich zugleich eine religiöſe Entwickelung erhob, die
dahin zielte die Reinheit der Offenbarung wiederherzuſtellen.

Die deutſche Nation, die an der Eroberung fremder
Welttheile wenig oder keinen Antheil hatte, nahm dieſe große
Aufgabe ſich vor. Es kamen verſchiedne Momente zuſammen,
um ihr die Richtung dahin zu geben, eine entſcheidende Op-
poſition gegen den römiſchen Stuhl in ihr hervorzurufen.

Oppoſition von weltlicher Seite.

Vor allem mußte das Beſtreben, der Nation eine
geordnete, in ſich geſchloſſene Verfaſſung zu geben, welches
die letzten Jahrzehnde beſchäftigt hatte, dem Papſtthum in
den Weg treten, dem bisher ein ſo großer Einfluß auf die
Reichsregierung zugeſtanden worden war.

Der Papſt würde es gar bald gefühlt haben, wenn
es wirklich zu der nationalen Staatsgewalt gekommen wäre,
nach der man ſo eifrig ſtrebte.


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[247/0265] Religioͤſe Stellung des Papſtthums. ſolcher aber war durchaus nothwendig. Es war nothwen- dig, den unter der tauſendfältigen Verhüllung zufälliger For- men verborgenen Kern der Religion wieder einmal rein zu Tage zu ſchaffen. Sollte das Evangelium aller Welt ver- kündigt werden, ſo mußte es erſt wieder in ſeiner unge- trübten Lauterkeit erſcheinen. Es iſt eine der größten Combinationen der Weltge- ſchichte, daß in dem Augenblick, in welchem ſich dem Sy- ſtem der romaniſch-germaniſchen Völker, welche ſich zur lateiniſchen Kirche bekannten, die Ausſicht eröffnete, ſich eine vorwaltende Einwirkung auf die andern Erdtheile zu verſchaffen, ſich zugleich eine religiöſe Entwickelung erhob, die dahin zielte die Reinheit der Offenbarung wiederherzuſtellen. Die deutſche Nation, die an der Eroberung fremder Welttheile wenig oder keinen Antheil hatte, nahm dieſe große Aufgabe ſich vor. Es kamen verſchiedne Momente zuſammen, um ihr die Richtung dahin zu geben, eine entſcheidende Op- poſition gegen den römiſchen Stuhl in ihr hervorzurufen. Oppoſition von weltlicher Seite. Vor allem mußte das Beſtreben, der Nation eine geordnete, in ſich geſchloſſene Verfaſſung zu geben, welches die letzten Jahrzehnde beſchäftigt hatte, dem Papſtthum in den Weg treten, dem bisher ein ſo großer Einfluß auf die Reichsregierung zugeſtanden worden war. Der Papſt würde es gar bald gefühlt haben, wenn es wirklich zu der nationalen Staatsgewalt gekommen wäre, nach der man ſo eifrig ſtrebte.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/265>, abgerufen am 26.04.2024.