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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839.

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Drittes Buch. Viertes Capitel.

Und war es nicht sehr natürlich, daß die Hofräthe,
die von Anfang mit dieser Verwaltung in Competenzen ge-
rathen waren, die in dem Innern ausgebrochenen Mißhel-
ligkeiten benutzten um sich derselben zu entledigen?

Auch noch einen ganz besondern Grund hatten sie
dazu. Wie die Städte es andeuteten, in Deutschland war
wirklich der Gedanke rege geworden, einen römischen Kö-
nig zu ernennen. Der eigene Bruder des Kaisers war es,
den man dazu bestimmte: Ferdinand von Östreich. Man
glaubte, so viel ich diese Sache übersehen kann, 1 er werde
im Einverständniß mit dem Regiment, in den Formen der
gegründeten Verfassung regieren. Und am Tage liegt, daß
diese erst dadurch, daß man ein nicht sehr mächtiges, von
ihr abhängiges Oberhaupt in Deutschland gehabt hätte,
zu ihrer Vollendung gediehen wäre. Kein Wunder aber, daß
man die Anregung einer solchen Idee in Spanien sehr übel
empfand: es hätte fast eine Abdankung des Kaisers darin
gelegen.

Auch übrigens war man dort mit Ferdinand schlecht
zufrieden. Er machte unaufhörlich Anforderungen; nicht
selten liefen Beschwerden gegen ihn ein; man hielt in Spa-
nien seinen vertrautesten Rathgeber Salamanca für eben
so eigennützig als ehrgeizig. Als Hannart nach Deutsch-
land gieng, bekam er den Auftrag, Salamanca wo möglich
zu entfernen und sich allen jenen hochfliegenden Plänen zu
widersetzen.


1 Ich schöpfe aus einem Convolut des Weimarischen Archivs,
in welchem sich eine Anzahl zerstreuter Schreiben der vornehmsten
Räthe des Erzherzogs an Churf. Friedrich finden, von denen ich in
dem Anh. weitern Bericht zu thun gedenke.
Drittes Buch. Viertes Capitel.

Und war es nicht ſehr natürlich, daß die Hofräthe,
die von Anfang mit dieſer Verwaltung in Competenzen ge-
rathen waren, die in dem Innern ausgebrochenen Mißhel-
ligkeiten benutzten um ſich derſelben zu entledigen?

Auch noch einen ganz beſondern Grund hatten ſie
dazu. Wie die Städte es andeuteten, in Deutſchland war
wirklich der Gedanke rege geworden, einen römiſchen Kö-
nig zu ernennen. Der eigene Bruder des Kaiſers war es,
den man dazu beſtimmte: Ferdinand von Öſtreich. Man
glaubte, ſo viel ich dieſe Sache überſehen kann, 1 er werde
im Einverſtändniß mit dem Regiment, in den Formen der
gegründeten Verfaſſung regieren. Und am Tage liegt, daß
dieſe erſt dadurch, daß man ein nicht ſehr mächtiges, von
ihr abhängiges Oberhaupt in Deutſchland gehabt hätte,
zu ihrer Vollendung gediehen wäre. Kein Wunder aber, daß
man die Anregung einer ſolchen Idee in Spanien ſehr übel
empfand: es hätte faſt eine Abdankung des Kaiſers darin
gelegen.

Auch übrigens war man dort mit Ferdinand ſchlecht
zufrieden. Er machte unaufhörlich Anforderungen; nicht
ſelten liefen Beſchwerden gegen ihn ein; man hielt in Spa-
nien ſeinen vertrauteſten Rathgeber Salamanca für eben
ſo eigennützig als ehrgeizig. Als Hannart nach Deutſch-
land gieng, bekam er den Auftrag, Salamanca wo möglich
zu entfernen und ſich allen jenen hochfliegenden Plänen zu
widerſetzen.


1 Ich ſchoͤpfe aus einem Convolut des Weimariſchen Archivs,
in welchem ſich eine Anzahl zerſtreuter Schreiben der vornehmſten
Raͤthe des Erzherzogs an Churf. Friedrich finden, von denen ich in
dem Anh. weitern Bericht zu thun gedenke.
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[132/0142] Drittes Buch. Viertes Capitel. Und war es nicht ſehr natürlich, daß die Hofräthe, die von Anfang mit dieſer Verwaltung in Competenzen ge- rathen waren, die in dem Innern ausgebrochenen Mißhel- ligkeiten benutzten um ſich derſelben zu entledigen? Auch noch einen ganz beſondern Grund hatten ſie dazu. Wie die Städte es andeuteten, in Deutſchland war wirklich der Gedanke rege geworden, einen römiſchen Kö- nig zu ernennen. Der eigene Bruder des Kaiſers war es, den man dazu beſtimmte: Ferdinand von Öſtreich. Man glaubte, ſo viel ich dieſe Sache überſehen kann, 1 er werde im Einverſtändniß mit dem Regiment, in den Formen der gegründeten Verfaſſung regieren. Und am Tage liegt, daß dieſe erſt dadurch, daß man ein nicht ſehr mächtiges, von ihr abhängiges Oberhaupt in Deutſchland gehabt hätte, zu ihrer Vollendung gediehen wäre. Kein Wunder aber, daß man die Anregung einer ſolchen Idee in Spanien ſehr übel empfand: es hätte faſt eine Abdankung des Kaiſers darin gelegen. Auch übrigens war man dort mit Ferdinand ſchlecht zufrieden. Er machte unaufhörlich Anforderungen; nicht ſelten liefen Beſchwerden gegen ihn ein; man hielt in Spa- nien ſeinen vertrauteſten Rathgeber Salamanca für eben ſo eigennützig als ehrgeizig. Als Hannart nach Deutſch- land gieng, bekam er den Auftrag, Salamanca wo möglich zu entfernen und ſich allen jenen hochfliegenden Plänen zu widerſetzen. 1 Ich ſchoͤpfe aus einem Convolut des Weimariſchen Archivs, in welchem ſich eine Anzahl zerſtreuter Schreiben der vornehmſten Raͤthe des Erzherzogs an Churf. Friedrich finden, von denen ich in dem Anh. weitern Bericht zu thun gedenke.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/142>, abgerufen am 26.04.2024.