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Rapsilber, Maximilian: Das Reichstags-Gebäude. Berlin, 1895.

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so entspricht es der tiefen Auffassung, mit welcher der Reichstags¬
baumeister seine grossen Aufgaben allseitig erfasst, dass der Ab¬
geordnete beim Eintritt in das Haus, von der Weihe der Kunst
umfangen, losgelöst von dem kleinlichen Getriebe der Alltagswelt,
in eine höhere Sphäre gleichsam versetzt wird. Architektur, Bild¬
hauerkunst und Malerei vereinigen sich in der Vorhalle zu einem
Kunstwerk höchster Art. Ein grosser Zug durchdringt das Ganze,
die Herrlichkeit des neuen Reichs wächst aus der ruhmvollen Ver¬
gangenheit des deutschen Mittelalters empor. Nicht etwa, als ob
damit staatsrechtlich das nationale Kaiserthum als eine Fortsetzung
des römischen Weltkaiserreichs deutscher Nation gedeutet ist, aber
die Geschichte und die Kultur des Germanenthums ist seit tausend
Jahren ein untheilbar Ganzes und auf den wirkenden Volkskräften,
die die alten Kaisergeschlechter zu der glanzvollen Heldenhöhe empor¬
gehoben, ist auch das neuerstandene Reich gegründet, keine kurz¬
lebige Schöpfung, sondern von derselben dauernden Urkraft erfüllt,
welche der tausendjährigen Geschichte des Vaterlandes inne wohnt.
Und gerade die altehrwürdigen Erinnerungen, die von den Wänden
und Wölbungen herniedersprechen, mahnen die Vertreter des jungen
Reichs, dass ihr Thun und Lassen einen Faden anspinnt, der in die
Jahrhunderte hinausläuft, ebenso weit vorwärts strebt, wie die Gedenk¬
zeichen der Vergangenheit auf den Ursprung des Deutschthums zurück
weisen. Es liegt eine überwältigende Macht in dieser Idee, die das
Präludium der Innenarchitektur des Reichstagshauses bildet.

Die Südvorhalle ist völlig in Bayersfelder Sandstein aus der
Rheinpfalz, einer Steinart von einer schönen warmgetönten gelblichen
Färbung, ausgebaut. Zwölf gedrungene Pfeiler tragen auf den beiden
Längsseiten eine mit Adlerschilden reichgeschmückte Gallerie, darüber
erheben sich als Träger des kassettirten Tonnengewölbes zwölf präch¬
tige Säulen. Die Renaissanceformen der Halle nähern sich in der
eigenartigen Stilisirung dem Geist des romanischen Mittelalters. Den
Hauptschmuck der Halle werden die acht Broncestandbilder der
Kaiser darstellen und zwar sind es Karl der Grosse, Heinrich I.,

so entspricht es der tiefen Auffassung, mit welcher der Reichstags¬
baumeister seine grossen Aufgaben allseitig erfasst, dass der Ab¬
geordnete beim Eintritt in das Haus, von der Weihe der Kunst
umfangen, losgelöst von dem kleinlichen Getriebe der Alltagswelt,
in eine höhere Sphäre gleichsam versetzt wird. Architektur, Bild¬
hauerkunst und Malerei vereinigen sich in der Vorhalle zu einem
Kunstwerk höchster Art. Ein grosser Zug durchdringt das Ganze,
die Herrlichkeit des neuen Reichs wächst aus der ruhmvollen Ver¬
gangenheit des deutschen Mittelalters empor. Nicht etwa, als ob
damit staatsrechtlich das nationale Kaiserthum als eine Fortsetzung
des römischen Weltkaiserreichs deutscher Nation gedeutet ist, aber
die Geschichte und die Kultur des Germanenthums ist seit tausend
Jahren ein untheilbar Ganzes und auf den wirkenden Volkskräften,
die die alten Kaisergeschlechter zu der glanzvollen Heldenhöhe empor¬
gehoben, ist auch das neuerstandene Reich gegründet, keine kurz¬
lebige Schöpfung, sondern von derselben dauernden Urkraft erfüllt,
welche der tausendjährigen Geschichte des Vaterlandes inne wohnt.
Und gerade die altehrwürdigen Erinnerungen, die von den Wänden
und Wölbungen herniedersprechen, mahnen die Vertreter des jungen
Reichs, dass ihr Thun und Lassen einen Faden anspinnt, der in die
Jahrhunderte hinausläuft, ebenso weit vorwärts strebt, wie die Gedenk¬
zeichen der Vergangenheit auf den Ursprung des Deutschthums zurück
weisen. Es liegt eine überwältigende Macht in dieser Idee, die das
Präludium der Innenarchitektur des Reichstagshauses bildet.

Die Südvorhalle ist völlig in Bayersfelder Sandstein aus der
Rheinpfalz, einer Steinart von einer schönen warmgetönten gelblichen
Färbung, ausgebaut. Zwölf gedrungene Pfeiler tragen auf den beiden
Längsseiten eine mit Adlerschilden reichgeschmückte Gallerie, darüber
erheben sich als Träger des kassettirten Tonnengewölbes zwölf präch¬
tige Säulen. Die Renaissanceformen der Halle nähern sich in der
eigenartigen Stilisirung dem Geist des romanischen Mittelalters. Den
Hauptschmuck der Halle werden die acht Broncestandbilder der
Kaiser darstellen und zwar sind es Karl der Grosse, Heinrich I.,

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[31/0037] so entspricht es der tiefen Auffassung, mit welcher der Reichstags¬ baumeister seine grossen Aufgaben allseitig erfasst, dass der Ab¬ geordnete beim Eintritt in das Haus, von der Weihe der Kunst umfangen, losgelöst von dem kleinlichen Getriebe der Alltagswelt, in eine höhere Sphäre gleichsam versetzt wird. Architektur, Bild¬ hauerkunst und Malerei vereinigen sich in der Vorhalle zu einem Kunstwerk höchster Art. Ein grosser Zug durchdringt das Ganze, die Herrlichkeit des neuen Reichs wächst aus der ruhmvollen Ver¬ gangenheit des deutschen Mittelalters empor. Nicht etwa, als ob damit staatsrechtlich das nationale Kaiserthum als eine Fortsetzung des römischen Weltkaiserreichs deutscher Nation gedeutet ist, aber die Geschichte und die Kultur des Germanenthums ist seit tausend Jahren ein untheilbar Ganzes und auf den wirkenden Volkskräften, die die alten Kaisergeschlechter zu der glanzvollen Heldenhöhe empor¬ gehoben, ist auch das neuerstandene Reich gegründet, keine kurz¬ lebige Schöpfung, sondern von derselben dauernden Urkraft erfüllt, welche der tausendjährigen Geschichte des Vaterlandes inne wohnt. Und gerade die altehrwürdigen Erinnerungen, die von den Wänden und Wölbungen herniedersprechen, mahnen die Vertreter des jungen Reichs, dass ihr Thun und Lassen einen Faden anspinnt, der in die Jahrhunderte hinausläuft, ebenso weit vorwärts strebt, wie die Gedenk¬ zeichen der Vergangenheit auf den Ursprung des Deutschthums zurück weisen. Es liegt eine überwältigende Macht in dieser Idee, die das Präludium der Innenarchitektur des Reichstagshauses bildet. Die Südvorhalle ist völlig in Bayersfelder Sandstein aus der Rheinpfalz, einer Steinart von einer schönen warmgetönten gelblichen Färbung, ausgebaut. Zwölf gedrungene Pfeiler tragen auf den beiden Längsseiten eine mit Adlerschilden reichgeschmückte Gallerie, darüber erheben sich als Träger des kassettirten Tonnengewölbes zwölf präch¬ tige Säulen. Die Renaissanceformen der Halle nähern sich in der eigenartigen Stilisirung dem Geist des romanischen Mittelalters. Den Hauptschmuck der Halle werden die acht Broncestandbilder der Kaiser darstellen und zwar sind es Karl der Grosse, Heinrich I.,

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Zitationshilfe: Rapsilber, Maximilian: Das Reichstags-Gebäude. Berlin, 1895, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rapsilber_reichstagsgebaeude_1895/37>, abgerufen am 26.04.2024.