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Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803.

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ken, lässt man fahren und vertauscht sie mit an-
deren.

3) Alle zum Behuf des Curplans erfundenen
psychischen Mittel, Zerstreuungen, Ableitungen
u. s. w. müssen dem Kranken als durch Zufall
herbeigeführt erscheinen und daher mit Klugheit
und Behutsamkeit ausgeführt werden, damit er
nichts von Absicht oder Betrug ahnde. In dieser
Rücksicht rechne man nicht zuviel auf seinen
Stumpfsinn. Er ist gewöhnlich schlauer, als wir
es vermuthen, und unterscheidet das Natürliche
von dem Künstlichen richtig genug. Sind wir
einmal auf Betrug ertappt, so ist das Zutrauen
für immer verlohren und jeder künftige Versuch
misslingt aus Verdacht eines ähnlichen Be-
truges.

4) Verliert derjenige, welcher die Cur des
Kranken vorzüglich handhabet, das Zutrauen
desselben durch irgend einen Fehlgriff in der Me-
thode; so gelingt ihm schwerlich irgend ein
künftiger Versuch. Er gehe ab und überlasse sei-
nen Platz einem andern Arzt, den sein Irrthum
auf einen entgegengesetzten besseren Weg leiten
kann. In der Regel wird es gerathen seyn, sol-
che Kranke ganz in eine andere Anstalt abzulie-
fern. Eben dies gilt auch von dem Fall, wo der
Kranke, wegen einer unbekannten Idiosyncrasie,
seinen Arzt nicht leiden kann.

5) Den Kranken, der sich ermannt hat, muss
man zu halten suchen. In dem Moment, wo er

ken, läſst man fahren und vertauſcht ſie mit an-
deren.

3) Alle zum Behuf des Curplans erfundenen
pſychiſchen Mittel, Zerſtreuungen, Ableitungen
u. ſ. w. müſſen dem Kranken als durch Zufall
herbeigeführt erſcheinen und daher mit Klugheit
und Behutſamkeit ausgeführt werden, damit er
nichts von Abſicht oder Betrug ahnde. In dieſer
Rückſicht rechne man nicht zuviel auf ſeinen
Stumpfſinn. Er iſt gewöhnlich ſchlauer, als wir
es vermuthen, und unterſcheidet das Natürliche
von dem Künſtlichen richtig genug. Sind wir
einmal auf Betrug ertappt, ſo iſt das Zutrauen
für immer verlohren und jeder künftige Verſuch
miſslingt aus Verdacht eines ähnlichen Be-
truges.

4) Verliert derjenige, welcher die Cur des
Kranken vorzüglich handhabet, das Zutrauen
deſſelben durch irgend einen Fehlgriff in der Me-
thode; ſo gelingt ihm ſchwerlich irgend ein
künftiger Verſuch. Er gehe ab und überlaſſe ſei-
nen Platz einem andern Arzt, den ſein Irrthum
auf einen entgegengeſetzten beſſeren Weg leiten
kann. In der Regel wird es gerathen ſeyn, ſol-
che Kranke ganz in eine andere Anſtalt abzulie-
fern. Eben dies gilt auch von dem Fall, wo der
Kranke, wegen einer unbekannten Idioſyncraſie,
ſeinen Arzt nicht leiden kann.

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[220/0225] ken, läſst man fahren und vertauſcht ſie mit an- deren. 3) Alle zum Behuf des Curplans erfundenen pſychiſchen Mittel, Zerſtreuungen, Ableitungen u. ſ. w. müſſen dem Kranken als durch Zufall herbeigeführt erſcheinen und daher mit Klugheit und Behutſamkeit ausgeführt werden, damit er nichts von Abſicht oder Betrug ahnde. In dieſer Rückſicht rechne man nicht zuviel auf ſeinen Stumpfſinn. Er iſt gewöhnlich ſchlauer, als wir es vermuthen, und unterſcheidet das Natürliche von dem Künſtlichen richtig genug. Sind wir einmal auf Betrug ertappt, ſo iſt das Zutrauen für immer verlohren und jeder künftige Verſuch miſslingt aus Verdacht eines ähnlichen Be- truges. 4) Verliert derjenige, welcher die Cur des Kranken vorzüglich handhabet, das Zutrauen deſſelben durch irgend einen Fehlgriff in der Me- thode; ſo gelingt ihm ſchwerlich irgend ein künftiger Verſuch. Er gehe ab und überlaſſe ſei- nen Platz einem andern Arzt, den ſein Irrthum auf einen entgegengeſetzten beſſeren Weg leiten kann. In der Regel wird es gerathen ſeyn, ſol- che Kranke ganz in eine andere Anſtalt abzulie- fern. Eben dies gilt auch von dem Fall, wo der Kranke, wegen einer unbekannten Idioſyncraſie, ſeinen Arzt nicht leiden kann. 5) Den Kranken, der ſich ermannt hat, muſs man zu halten ſuchen. In dem Moment, wo er

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Zitationshilfe: Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/225>, abgerufen am 26.04.2024.