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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881.

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V. Hydrographie des Landes.
Stärke ahnen, zu der er oft und noch kurz zuvor herangewachsen war.
So weit diese Geröllmassen sich erstrecken, ist der Oberlauf des
Flusses; wo dagegen mit bedeutender Verringerung des Gefälles
Sandablagerungen an die Stelle treten, beginnt der Unterlauf. Die
Rollsteine aber finden vornehmlich bei der Construction der Dämme
wieder ihre Verwendung.

Einen besonderen Reiz gewähren die zahlreichen Gewässer den
herrlichen Waldlandschaften japanischer Gebirge. In vielen Windungen
führt der forellenreiche Bach sein klares Wasser dahin, bald an mäch-
tigen Felsblöcken vorbei, die es vorübergehend theilen und sehr häufig
mit einigen schönen Sträuchern, vornehmlich aber mit Farrenkräutern
und den rothen Blüthen kleiner Azalienbüsche, die lebhaft an unsere
Alpenrosen erinnern, geschmückt sind, bald über breite Geröllfelder
sich ausbreitend, bald eingeengt in eine enge Felsschlucht und über-
schattet vom Gebüsch und Baumschlag der Ufer, hier eilig über die
Felsen setzend und mit weissem Schaume bedeckt, dort langsam um
einen Felsvorsprung sich biegend, der den Bach aufzuhalten scheint
und woselbst er sein Bett tief eingegraben hat und wir uns am reinsten
Blaugrün seines klaren Wassers erfreuen können.

Die japanischen Inseln sind zu klein und zu schmal, um die
Entwickelung grosser Stromsysteme zu ermöglichen. Aber obgleich
die beträchtlichsten Flüsse kaum 300--400 Quadratmeilen Areal drai-
nieren und die Länge ihres Laufes nur der des Main gleichkommt,
ausserdem aber in ihrem Unterlaufe viele Canäle einen Theil ihres
Wassers nach den Reisfeldern ableiten, haben sie doch für den Binnen-
verkehr, vornehmlich in Folge der vielen Gebirge und des Mangels
an guten Strassen, eine grosse Bedeutung.

Der sehr ungleiche Wasserstand, stets wechselnde Sandbänke im
Unterlaufe und Barren an den Mündungen vieler derselben lassen
zwar tiefgehende Fahrzeuge nicht zu, aber in flachen Booten findet
trotz der erwähnten Hindernisse auf manchen derselben ein sehr leb-
hafter Verkehr statt, und man bedient sich thalwärts solcher Wasser-
strassen sogar in Fällen, wo bei uns weder Fährmann noch Passagier
das Betreten eines Bootes wagen würde.

Solche japanische Flussboote, insbesondere diejenigen, die man
zum Ueberschreiten der kleinen Stromschnellen benutzt, sind gegen-
über den Seebooten lang und schmal, gewöhnlich 7 ken (12 Meter)
lang und 1 1/3 Meter breit. Bald müssen sie über Stromschnellen im
engen felsigen Bett, bald über sandige Untiefen oder an Rollsteinen
im ausgebreiteten vorbei gelenkt werden, und welcher Europäer, der
alle Hindernisse und Gefahren bei Bootfahrten auf japanischen Ge-

V. Hydrographie des Landes.
Stärke ahnen, zu der er oft und noch kurz zuvor herangewachsen war.
So weit diese Geröllmassen sich erstrecken, ist der Oberlauf des
Flusses; wo dagegen mit bedeutender Verringerung des Gefälles
Sandablagerungen an die Stelle treten, beginnt der Unterlauf. Die
Rollsteine aber finden vornehmlich bei der Construction der Dämme
wieder ihre Verwendung.

Einen besonderen Reiz gewähren die zahlreichen Gewässer den
herrlichen Waldlandschaften japanischer Gebirge. In vielen Windungen
führt der forellenreiche Bach sein klares Wasser dahin, bald an mäch-
tigen Felsblöcken vorbei, die es vorübergehend theilen und sehr häufig
mit einigen schönen Sträuchern, vornehmlich aber mit Farrenkräutern
und den rothen Blüthen kleiner Azalienbüsche, die lebhaft an unsere
Alpenrosen erinnern, geschmückt sind, bald über breite Geröllfelder
sich ausbreitend, bald eingeengt in eine enge Felsschlucht und über-
schattet vom Gebüsch und Baumschlag der Ufer, hier eilig über die
Felsen setzend und mit weissem Schaume bedeckt, dort langsam um
einen Felsvorsprung sich biegend, der den Bach aufzuhalten scheint
und woselbst er sein Bett tief eingegraben hat und wir uns am reinsten
Blaugrün seines klaren Wassers erfreuen können.

Die japanischen Inseln sind zu klein und zu schmal, um die
Entwickelung grosser Stromsysteme zu ermöglichen. Aber obgleich
die beträchtlichsten Flüsse kaum 300—400 Quadratmeilen Areal drai-
nieren und die Länge ihres Laufes nur der des Main gleichkommt,
ausserdem aber in ihrem Unterlaufe viele Canäle einen Theil ihres
Wassers nach den Reisfeldern ableiten, haben sie doch für den Binnen-
verkehr, vornehmlich in Folge der vielen Gebirge und des Mangels
an guten Strassen, eine grosse Bedeutung.

Der sehr ungleiche Wasserstand, stets wechselnde Sandbänke im
Unterlaufe und Barren an den Mündungen vieler derselben lassen
zwar tiefgehende Fahrzeuge nicht zu, aber in flachen Booten findet
trotz der erwähnten Hindernisse auf manchen derselben ein sehr leb-
hafter Verkehr statt, und man bedient sich thalwärts solcher Wasser-
strassen sogar in Fällen, wo bei uns weder Fährmann noch Passagier
das Betreten eines Bootes wagen würde.

Solche japanische Flussboote, insbesondere diejenigen, die man
zum Ueberschreiten der kleinen Stromschnellen benutzt, sind gegen-
über den Seebooten lang und schmal, gewöhnlich 7 ken (12 Meter)
lang und 1⅓ Meter breit. Bald müssen sie über Stromschnellen im
engen felsigen Bett, bald über sandige Untiefen oder an Rollsteinen
im ausgebreiteten vorbei gelenkt werden, und welcher Europäer, der
alle Hindernisse und Gefahren bei Bootfahrten auf japanischen Ge-

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[102/0124] V. Hydrographie des Landes. Stärke ahnen, zu der er oft und noch kurz zuvor herangewachsen war. So weit diese Geröllmassen sich erstrecken, ist der Oberlauf des Flusses; wo dagegen mit bedeutender Verringerung des Gefälles Sandablagerungen an die Stelle treten, beginnt der Unterlauf. Die Rollsteine aber finden vornehmlich bei der Construction der Dämme wieder ihre Verwendung. Einen besonderen Reiz gewähren die zahlreichen Gewässer den herrlichen Waldlandschaften japanischer Gebirge. In vielen Windungen führt der forellenreiche Bach sein klares Wasser dahin, bald an mäch- tigen Felsblöcken vorbei, die es vorübergehend theilen und sehr häufig mit einigen schönen Sträuchern, vornehmlich aber mit Farrenkräutern und den rothen Blüthen kleiner Azalienbüsche, die lebhaft an unsere Alpenrosen erinnern, geschmückt sind, bald über breite Geröllfelder sich ausbreitend, bald eingeengt in eine enge Felsschlucht und über- schattet vom Gebüsch und Baumschlag der Ufer, hier eilig über die Felsen setzend und mit weissem Schaume bedeckt, dort langsam um einen Felsvorsprung sich biegend, der den Bach aufzuhalten scheint und woselbst er sein Bett tief eingegraben hat und wir uns am reinsten Blaugrün seines klaren Wassers erfreuen können. Die japanischen Inseln sind zu klein und zu schmal, um die Entwickelung grosser Stromsysteme zu ermöglichen. Aber obgleich die beträchtlichsten Flüsse kaum 300—400 Quadratmeilen Areal drai- nieren und die Länge ihres Laufes nur der des Main gleichkommt, ausserdem aber in ihrem Unterlaufe viele Canäle einen Theil ihres Wassers nach den Reisfeldern ableiten, haben sie doch für den Binnen- verkehr, vornehmlich in Folge der vielen Gebirge und des Mangels an guten Strassen, eine grosse Bedeutung. Der sehr ungleiche Wasserstand, stets wechselnde Sandbänke im Unterlaufe und Barren an den Mündungen vieler derselben lassen zwar tiefgehende Fahrzeuge nicht zu, aber in flachen Booten findet trotz der erwähnten Hindernisse auf manchen derselben ein sehr leb- hafter Verkehr statt, und man bedient sich thalwärts solcher Wasser- strassen sogar in Fällen, wo bei uns weder Fährmann noch Passagier das Betreten eines Bootes wagen würde. Solche japanische Flussboote, insbesondere diejenigen, die man zum Ueberschreiten der kleinen Stromschnellen benutzt, sind gegen- über den Seebooten lang und schmal, gewöhnlich 7 ken (12 Meter) lang und 1⅓ Meter breit. Bald müssen sie über Stromschnellen im engen felsigen Bett, bald über sandige Untiefen oder an Rollsteinen im ausgebreiteten vorbei gelenkt werden, und welcher Europäer, der alle Hindernisse und Gefahren bei Bootfahrten auf japanischen Ge-

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/124>, abgerufen am 27.04.2024.