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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886.

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III. Kunstgewerbe und Verwandtes.
schinen bezog man aus Europa, ebenso die Leiter der Fabriken, deren
es jetzt bereits ein Dutzend gibt. Eine solche entstand zuerst in der
Nähe von Kioto, eine andere zu Oji bei Tokio. Versuche, das in
diesen Papierfabriken bereitete Papier auf den europäischen Markt zu
werfen, scheiterten an den Preisen. Für unsere Zwecke hat ein wei-
teres Eingehen auf dieselben keinen Werth, da man ihre Fabrikation
meist mit Regierungsmitteln in's Leben rief und dieselbe noch keines-
wegs den Rang einer eingebürgerten, nationalen Industrie einnimmt.

Von den Gewächsen, deren Schleim in der Bastpapier-Industrie
statt des thierischen Leimes das nöthige Bindemittel liefert, steht:

1) Hibiscus Manihot L. oben an. Die japanischen Benen-
nungen dieser krautartigen Malvacee, welche sich theils auf die ganze
Pflanze, theils auf die schleimliefernden Wurzeln beziehen, sind:
Tororo, Neri, Nubeshi, Tamo-Osho-ki, Nori-kusa (Kleister-
kraut), Nebari (Klebmittel), Aki-no-gi, Tsunagi (Bindemittel).
Tororo ist ein Sommergewächs, das schon zu Anfang des 18. Jahr-
hunderts seiner tiefgetheilten fünflappigen Blätter und grossen hell-
gelben Blüthen wegen als Zierpflanze von China nach England ge-
langte. Diese Form findet man auch in japanischen Gärten hier und
da. Sie unterscheidet sich durch die schmalen linear lanzettlichen
Blattlappen von einer andern mit viel weniger tiefen Blatteinschnitten
und breiteren Lappen mit gekerbten Rändern. Nur diese Varietät
wird der Papierbereitung wegen angebaut, und zwar in Reihen, wie
die Buschbohnen, deren Höhe sie auch erreicht. Die Aussaat findet
im Mai statt; die Blüthezeit fällt in den Nachsommer und die Ernte
der dünnen walzenförmigen Wurzeln in den October. Man trocknet
sie alsdann, nachdem man sie zuvor gereinigt hat, an der Sonne und
hängt sie hierauf bündelweise an einem trocknen Orte bis zum Ver-
brauch auf. Sie bilden keinen Handelsartikel; vielmehr pflanzt in
der Regel jeder Papiermacher selbst seinen Bedarf, den er auf den
Winter berechnet, da während des Sommers das folgende Gewächs an
die Stelle tritt.

2) Hydrangea paniculata S. & Z. Es ist dies ein über ganz
Japan verbreiteter grosser Strauch, der in den Bergwaldungen bis zu
1500 m Seehöhe emporsteigt. Man nennt ihn Shiro-utsugi und
Nori-no-ki, d. h. Kleisterbaum, in Tosa aber Tadzu und Kami-
no-ki
(Papierbaum). In letztgenannter Provinz der Insel Shikoku
sucht man den Strauch den Sommer über in den Bergwäldern auf,
schabt die äussere Haut ab, löst dann die Rinde in etwa fingerlangen
Stücken los, bringt sie frisch in den nächsten Ort, schüttet sie in eine
kleine flache Bütte, giesst etwas Wasser hinzu und knetet nun mit

III. Kunstgewerbe und Verwandtes.
schinen bezog man aus Europa, ebenso die Leiter der Fabriken, deren
es jetzt bereits ein Dutzend gibt. Eine solche entstand zuerst in der
Nähe von Kiôto, eine andere zu Ôji bei Tôkio. Versuche, das in
diesen Papierfabriken bereitete Papier auf den europäischen Markt zu
werfen, scheiterten an den Preisen. Für unsere Zwecke hat ein wei-
teres Eingehen auf dieselben keinen Werth, da man ihre Fabrikation
meist mit Regierungsmitteln in’s Leben rief und dieselbe noch keines-
wegs den Rang einer eingebürgerten, nationalen Industrie einnimmt.

Von den Gewächsen, deren Schleim in der Bastpapier-Industrie
statt des thierischen Leimes das nöthige Bindemittel liefert, steht:

1) Hibiscus Manihot L. oben an. Die japanischen Benen-
nungen dieser krautartigen Malvacee, welche sich theils auf die ganze
Pflanze, theils auf die schleimliefernden Wurzeln beziehen, sind:
Tororo, Neri, Nubeshi, Tamo-Ôsho-ki, Nori-kusa (Kleister-
kraut), Nebari (Klebmittel), Aki-no-gi, Tsunagi (Bindemittel).
Tororo ist ein Sommergewächs, das schon zu Anfang des 18. Jahr-
hunderts seiner tiefgetheilten fünflappigen Blätter und grossen hell-
gelben Blüthen wegen als Zierpflanze von China nach England ge-
langte. Diese Form findet man auch in japanischen Gärten hier und
da. Sie unterscheidet sich durch die schmalen linear lanzettlichen
Blattlappen von einer andern mit viel weniger tiefen Blatteinschnitten
und breiteren Lappen mit gekerbten Rändern. Nur diese Varietät
wird der Papierbereitung wegen angebaut, und zwar in Reihen, wie
die Buschbohnen, deren Höhe sie auch erreicht. Die Aussaat findet
im Mai statt; die Blüthezeit fällt in den Nachsommer und die Ernte
der dünnen walzenförmigen Wurzeln in den October. Man trocknet
sie alsdann, nachdem man sie zuvor gereinigt hat, an der Sonne und
hängt sie hierauf bündelweise an einem trocknen Orte bis zum Ver-
brauch auf. Sie bilden keinen Handelsartikel; vielmehr pflanzt in
der Regel jeder Papiermacher selbst seinen Bedarf, den er auf den
Winter berechnet, da während des Sommers das folgende Gewächs an
die Stelle tritt.

2) Hydrangea paniculata S. & Z. Es ist dies ein über ganz
Japan verbreiteter grosser Strauch, der in den Bergwaldungen bis zu
1500 m Seehöhe emporsteigt. Man nennt ihn Shiro-utsugi und
Nori-no-ki, d. h. Kleisterbaum, in Tosa aber Tadzu und Kami-
no-ki
(Papierbaum). In letztgenannter Provinz der Insel Shikoku
sucht man den Strauch den Sommer über in den Bergwäldern auf,
schabt die äussere Haut ab, löst dann die Rinde in etwa fingerlangen
Stücken los, bringt sie frisch in den nächsten Ort, schüttet sie in eine
kleine flache Bütte, giesst etwas Wasser hinzu und knetet nun mit

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[474/0516] III. Kunstgewerbe und Verwandtes. schinen bezog man aus Europa, ebenso die Leiter der Fabriken, deren es jetzt bereits ein Dutzend gibt. Eine solche entstand zuerst in der Nähe von Kiôto, eine andere zu Ôji bei Tôkio. Versuche, das in diesen Papierfabriken bereitete Papier auf den europäischen Markt zu werfen, scheiterten an den Preisen. Für unsere Zwecke hat ein wei- teres Eingehen auf dieselben keinen Werth, da man ihre Fabrikation meist mit Regierungsmitteln in’s Leben rief und dieselbe noch keines- wegs den Rang einer eingebürgerten, nationalen Industrie einnimmt. Von den Gewächsen, deren Schleim in der Bastpapier-Industrie statt des thierischen Leimes das nöthige Bindemittel liefert, steht: 1) Hibiscus Manihot L. oben an. Die japanischen Benen- nungen dieser krautartigen Malvacee, welche sich theils auf die ganze Pflanze, theils auf die schleimliefernden Wurzeln beziehen, sind: Tororo, Neri, Nubeshi, Tamo-Ôsho-ki, Nori-kusa (Kleister- kraut), Nebari (Klebmittel), Aki-no-gi, Tsunagi (Bindemittel). Tororo ist ein Sommergewächs, das schon zu Anfang des 18. Jahr- hunderts seiner tiefgetheilten fünflappigen Blätter und grossen hell- gelben Blüthen wegen als Zierpflanze von China nach England ge- langte. Diese Form findet man auch in japanischen Gärten hier und da. Sie unterscheidet sich durch die schmalen linear lanzettlichen Blattlappen von einer andern mit viel weniger tiefen Blatteinschnitten und breiteren Lappen mit gekerbten Rändern. Nur diese Varietät wird der Papierbereitung wegen angebaut, und zwar in Reihen, wie die Buschbohnen, deren Höhe sie auch erreicht. Die Aussaat findet im Mai statt; die Blüthezeit fällt in den Nachsommer und die Ernte der dünnen walzenförmigen Wurzeln in den October. Man trocknet sie alsdann, nachdem man sie zuvor gereinigt hat, an der Sonne und hängt sie hierauf bündelweise an einem trocknen Orte bis zum Ver- brauch auf. Sie bilden keinen Handelsartikel; vielmehr pflanzt in der Regel jeder Papiermacher selbst seinen Bedarf, den er auf den Winter berechnet, da während des Sommers das folgende Gewächs an die Stelle tritt. 2) Hydrangea paniculata S. & Z. Es ist dies ein über ganz Japan verbreiteter grosser Strauch, der in den Bergwaldungen bis zu 1500 m Seehöhe emporsteigt. Man nennt ihn Shiro-utsugi und Nori-no-ki, d. h. Kleisterbaum, in Tosa aber Tadzu und Kami- no-ki (Papierbaum). In letztgenannter Provinz der Insel Shikoku sucht man den Strauch den Sommer über in den Bergwäldern auf, schabt die äussere Haut ab, löst dann die Rinde in etwa fingerlangen Stücken los, bringt sie frisch in den nächsten Ort, schüttet sie in eine kleine flache Bütte, giesst etwas Wasser hinzu und knetet nun mit

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 474. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/516>, abgerufen am 26.04.2024.