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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748.

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der Clarissa.
"che Einrichtung gemacht hat, daß zu Erhaltung
"des Lebens nicht viel erfordert wird: denn sonst
"würden drey Viertheile unter ihnen nicht das
"nothwendige zu ihrem Unterhalt haben. Es
"fallen mir dabey zwey Sprüchwörter ein, in
"denen sehr viel gesunder Verstand ist."

Darf ich mir diese Sprüchwörter wohl
ausbitten? Jch mag sie gern reden hören/
wenn sie so verständig sind/ als jetzt.

"Das eine kommt gantz nahe zur Sache:
"Armuth ist die Mutter der Gesundheit.
"Wenn ich jetzt mehr Appetit hätte, und bey so
"wenigem Schlaf und vielen Kummer stärcker
"ässe, so würde ich nicht so bey mir selbst seyn,
"als ich jetzt bin, sondern ich würde am Ver-
"stande Schaden leiden."

Es ist nichts so schlimm/ dabey nicht
etwas gutes ist!
sagte Elisabeth, als wollte
sie mir Sprüchwort für Sprüchwort geben.
Allein/ wie heißt das andere? Fräulein!

"Dafür daß die Reichen lachen/ müssen
"die Armen weinen.
Es ist daher billig, daß
"der Ueberfluß der Reichen Kranckheiten und
"Ungemach nach sich ziehet: und daß mit der
"Armuth gemeiniglich ein gesunder Leib verbun-
"den ist, der alle andere Trübsal erleichtert. Und
"hiebey fällt mir noch ein drittes Sprüchwort
"ein, weil ihr doch eine so grosse Freundin von
"Sprüchwörtern seyd: besser barfuß/ als
"ohne Füsse.
Die Meinung ist, es sey besser
"barfuß zu gehen, als gar nicht gehen zu können."

Was
M 2

der Clariſſa.
„che Einrichtung gemacht hat, daß zu Erhaltung
„des Lebens nicht viel erfordert wird: denn ſonſt
„wuͤrden drey Viertheile unter ihnen nicht das
„nothwendige zu ihrem Unterhalt haben. Es
„fallen mir dabey zwey Spruͤchwoͤrter ein, in
„denen ſehr viel geſunder Verſtand iſt.„

Darf ich mir dieſe Spruͤchwoͤrter wohl
ausbitten? Jch mag ſie gern reden hoͤren/
wenn ſie ſo verſtaͤndig ſind/ als jetzt.

„Das eine kommt gantz nahe zur Sache:
Armuth iſt die Mutter der Geſundheit.
„Wenn ich jetzt mehr Appetit haͤtte, und bey ſo
„wenigem Schlaf und vielen Kummer ſtaͤrcker
„aͤſſe, ſo wuͤrde ich nicht ſo bey mir ſelbſt ſeyn,
„als ich jetzt bin, ſondern ich wuͤrde am Ver-
„ſtande Schaden leiden.„

Es iſt nichts ſo ſchlimm/ dabey nicht
etwas gutes iſt!
ſagte Eliſabeth, als wollte
ſie mir Spruͤchwort fuͤr Spruͤchwort geben.
Allein/ wie heißt das andere? Fraͤulein!

Dafuͤr daß die Reichen lachen/ muͤſſen
„die Armen weinen.
Es iſt daher billig, daß
„der Ueberfluß der Reichen Kranckheiten und
„Ungemach nach ſich ziehet: und daß mit der
„Armuth gemeiniglich ein geſunder Leib verbun-
„den iſt, der alle andere Truͤbſal erleichtert. Und
„hiebey faͤllt mir noch ein drittes Spruͤchwort
„ein, weil ihr doch eine ſo groſſe Freundin von
„Spruͤchwoͤrtern ſeyd: beſſer barfuß/ als
„ohne Fuͤſſe.
Die Meinung iſt, es ſey beſſer
„barfuß zu gehen, als gar nicht gehen zu koͤnnen.„

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[179/0185] der Clariſſa. „che Einrichtung gemacht hat, daß zu Erhaltung „des Lebens nicht viel erfordert wird: denn ſonſt „wuͤrden drey Viertheile unter ihnen nicht das „nothwendige zu ihrem Unterhalt haben. Es „fallen mir dabey zwey Spruͤchwoͤrter ein, in „denen ſehr viel geſunder Verſtand iſt.„ Darf ich mir dieſe Spruͤchwoͤrter wohl ausbitten? Jch mag ſie gern reden hoͤren/ wenn ſie ſo verſtaͤndig ſind/ als jetzt. „Das eine kommt gantz nahe zur Sache: „Armuth iſt die Mutter der Geſundheit. „Wenn ich jetzt mehr Appetit haͤtte, und bey ſo „wenigem Schlaf und vielen Kummer ſtaͤrcker „aͤſſe, ſo wuͤrde ich nicht ſo bey mir ſelbſt ſeyn, „als ich jetzt bin, ſondern ich wuͤrde am Ver- „ſtande Schaden leiden.„ Es iſt nichts ſo ſchlimm/ dabey nicht etwas gutes iſt! ſagte Eliſabeth, als wollte ſie mir Spruͤchwort fuͤr Spruͤchwort geben. Allein/ wie heißt das andere? Fraͤulein! „Dafuͤr daß die Reichen lachen/ muͤſſen „die Armen weinen. Es iſt daher billig, daß „der Ueberfluß der Reichen Kranckheiten und „Ungemach nach ſich ziehet: und daß mit der „Armuth gemeiniglich ein geſunder Leib verbun- „den iſt, der alle andere Truͤbſal erleichtert. Und „hiebey faͤllt mir noch ein drittes Spruͤchwort „ein, weil ihr doch eine ſo groſſe Freundin von „Spruͤchwoͤrtern ſeyd: beſſer barfuß/ als „ohne Fuͤſſe. Die Meinung iſt, es ſey beſſer „barfuß zu gehen, als gar nicht gehen zu koͤnnen.„ Was M 2

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/185>, abgerufen am 26.04.2024.