Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite




Der zwey und sechzigste Brief
von
Herrn Lovelace an Herrn Joh. Belford.

Jch dachte, ich würde weder Zeit noch Lust ge-
habt haben, annoch eine Zeile zu schreiben,
ehe ich zu M. Hall ankäme. Aber die erste ist
schon da; und die letzte muß sich finden: weil ich
weder schlafen, noch etwas anders thun kann, als
schreiben; wo ich dieß noch thun kann. Jch bin
verzweifelt verdrieslich. Die Ursache mag fol-
gen: wo sie folgen will - - Jch mache keine
Vorbereitung dazu.

Jch versuchte durch Freundlichkeit und Liebe
zu erweichen - - Was? - - Marmor. Ein
Herz, das weder zur Liebe, noch zur Freundlich-
keit geschickt ist. Jhre vorigen Beleidigungen
stecken ihr ewig in dem Kopfe. Sie war wohl
bereit, eine Gunstbezeigung, die Erlaubniß, daß
sie nach Hampstead gehen möchte, anzunehmen:
aber, sie weder zu verdienen, noch durch irgend
eine Gunst an ihrer Seite zu vergelten, geneigt.
Also ward mein Vorschlag, sie durch Güte zu ge-
winnen, bald aufgegeben.

Jch wollte dann nur gereizet seyn: wie ein
feiger Bube, der auf den ersten Schlag wartet,

ehe




Der zwey und ſechzigſte Brief
von
Herrn Lovelace an Herrn Joh. Belford.

Jch dachte, ich wuͤrde weder Zeit noch Luſt ge-
habt haben, annoch eine Zeile zu ſchreiben,
ehe ich zu M. Hall ankaͤme. Aber die erſte iſt
ſchon da; und die letzte muß ſich finden: weil ich
weder ſchlafen, noch etwas anders thun kann, als
ſchreiben; wo ich dieß noch thun kann. Jch bin
verzweifelt verdrieslich. Die Urſache mag fol-
gen: wo ſie folgen will ‒ ‒ Jch mache keine
Vorbereitung dazu.

Jch verſuchte durch Freundlichkeit und Liebe
zu erweichen ‒ ‒ Was? ‒ ‒ Marmor. Ein
Herz, das weder zur Liebe, noch zur Freundlich-
keit geſchickt iſt. Jhre vorigen Beleidigungen
ſtecken ihr ewig in dem Kopfe. Sie war wohl
bereit, eine Gunſtbezeigung, die Erlaubniß, daß
ſie nach Hampſtead gehen moͤchte, anzunehmen:
aber, ſie weder zu verdienen, noch durch irgend
eine Gunſt an ihrer Seite zu vergelten, geneigt.
Alſo ward mein Vorſchlag, ſie durch Guͤte zu ge-
winnen, bald aufgegeben.

Jch wollte dann nur gereizet ſeyn: wie ein
feiger Bube, der auf den erſten Schlag wartet,

ehe
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0804" n="798"/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#fr">Der zwey und &#x017F;echzig&#x017F;te Brief</hi><lb/>
von<lb/><hi rendition="#fr">Herrn Lovelace an Herrn Joh. Belford.</hi></head><lb/>
          <dateline> <hi rendition="#et">Freytags in der Nacht, oder vielmehr Sonn-<lb/>
abends fru&#x0364;he um ein Uhr.</hi> </dateline><lb/>
          <p><hi rendition="#in">J</hi>ch dachte, ich wu&#x0364;rde weder Zeit noch Lu&#x017F;t ge-<lb/>
habt haben, annoch eine Zeile zu &#x017F;chreiben,<lb/>
ehe ich zu M. Hall anka&#x0364;me. Aber die er&#x017F;te i&#x017F;t<lb/>
&#x017F;chon da; und die letzte muß &#x017F;ich finden: weil ich<lb/>
weder &#x017F;chlafen, noch etwas anders thun kann, als<lb/>
&#x017F;chreiben; wo ich dieß noch thun kann. Jch bin<lb/><hi rendition="#fr">verzweifelt</hi> verdrieslich. Die Ur&#x017F;ache mag fol-<lb/>
gen: wo &#x017F;ie folgen will &#x2012; &#x2012; Jch mache keine<lb/>
Vorbereitung dazu.</p><lb/>
          <p>Jch ver&#x017F;uchte durch Freundlichkeit und Liebe<lb/>
zu erweichen &#x2012; &#x2012; Was? &#x2012; &#x2012; Marmor. Ein<lb/>
Herz, das weder zur Liebe, noch zur Freundlich-<lb/>
keit ge&#x017F;chickt i&#x017F;t. Jhre vorigen Beleidigungen<lb/>
&#x017F;tecken ihr ewig in dem Kopfe. Sie war wohl<lb/>
bereit, eine Gun&#x017F;tbezeigung, die Erlaubniß, daß<lb/>
&#x017F;ie nach Hamp&#x017F;tead gehen mo&#x0364;chte, anzunehmen:<lb/>
aber, &#x017F;ie weder zu verdienen, noch durch irgend<lb/>
eine Gun&#x017F;t an ihrer Seite zu vergelten, geneigt.<lb/>
Al&#x017F;o ward mein Vor&#x017F;chlag, &#x017F;ie durch Gu&#x0364;te zu ge-<lb/>
winnen, bald aufgegeben.</p><lb/>
          <p>Jch wollte dann nur gereizet &#x017F;eyn: wie ein<lb/>
feiger Bube, der auf den er&#x017F;ten Schlag wartet,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ehe</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[798/0804] Der zwey und ſechzigſte Brief von Herrn Lovelace an Herrn Joh. Belford. Freytags in der Nacht, oder vielmehr Sonn- abends fruͤhe um ein Uhr. Jch dachte, ich wuͤrde weder Zeit noch Luſt ge- habt haben, annoch eine Zeile zu ſchreiben, ehe ich zu M. Hall ankaͤme. Aber die erſte iſt ſchon da; und die letzte muß ſich finden: weil ich weder ſchlafen, noch etwas anders thun kann, als ſchreiben; wo ich dieß noch thun kann. Jch bin verzweifelt verdrieslich. Die Urſache mag fol- gen: wo ſie folgen will ‒ ‒ Jch mache keine Vorbereitung dazu. Jch verſuchte durch Freundlichkeit und Liebe zu erweichen ‒ ‒ Was? ‒ ‒ Marmor. Ein Herz, das weder zur Liebe, noch zur Freundlich- keit geſchickt iſt. Jhre vorigen Beleidigungen ſtecken ihr ewig in dem Kopfe. Sie war wohl bereit, eine Gunſtbezeigung, die Erlaubniß, daß ſie nach Hampſtead gehen moͤchte, anzunehmen: aber, ſie weder zu verdienen, noch durch irgend eine Gunſt an ihrer Seite zu vergelten, geneigt. Alſo ward mein Vorſchlag, ſie durch Guͤte zu ge- winnen, bald aufgegeben. Jch wollte dann nur gereizet ſeyn: wie ein feiger Bube, der auf den erſten Schlag wartet, ehe

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/804
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 798. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/804>, abgerufen am 26.04.2024.