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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753.

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sicherte sie, ich hätte die ganze Geistlichkeit über-
haupt, und besonders einige von ihnen, als
ihren D. Lewen zum Exempel, allezeit ausneh-
mend hochgehalten. Wenn auch die Feierung
des öffentlichen Gottesdienstes keine Pflicht der
Religion wäre, so hielte ich es doch (wie ich
dir auch einmal gesagt habe) für das angenehm-
ste Schauspiel, alle, Reiche und Arme, gleich-
sam in Gesellschaft einmal in der Woche an ei-
nem Orte, und Männer und Weiber in ih-
rem besten Schmuck, versammlet zu sehen, um
den GOtt zu verehren, der sie gemacht hat. Es
könnte auch für einen wolerzogenen Menschen
keine Beschwerde seyn, sich bei einer so feierli-
chen Gelegenheit einzufinden, und die Predigt
eines gelehrten Mannes anzuhören, (ob das
gleich nicht, wie es gemeiniglich angesehen wür-
de, der vornehmste Theil des öffentlichen Got-
tesdienstes wäre,) der allezeit etwas neues zu sa-
gen haben müßte, weil er die göttlichen War-
heiten für sich überdacht hätte, und sie also auf
eine ihm eigne Art vortrüge.

Sie schüttelte den Kopf, und wiederholte die
Worte: etwas neues. Doch sahe sie so aus,
als wenn sie bereit wäre, mit dieser Antwort
zufrieden zu seyn. Würklich, Bruder, sie denkt,
in der Hofnung, mich zu bekehren, seiner Sa-
tanischen Majestät einen rechten Possen zu spie-
len. Kein Wunder also, wenn er sich aufmacht,
ihr zuvor zu kommen und sich zu rächen. - -
Doch wie fält mir der Gedanke ein? - - Jch

bin
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ſicherte ſie, ich haͤtte die ganze Geiſtlichkeit uͤber-
haupt, und beſonders einige von ihnen, als
ihren D. Lewen zum Exempel, allezeit ausneh-
mend hochgehalten. Wenn auch die Feierung
des oͤffentlichen Gottesdienſtes keine Pflicht der
Religion waͤre, ſo hielte ich es doch (wie ich
dir auch einmal geſagt habe) fuͤr das angenehm-
ſte Schauſpiel, alle, Reiche und Arme, gleich-
ſam in Geſellſchaft einmal in der Woche an ei-
nem Orte, und Maͤnner und Weiber in ih-
rem beſten Schmuck, verſammlet zu ſehen, um
den GOtt zu verehren, der ſie gemacht hat. Es
koͤnnte auch fuͤr einen wolerzogenen Menſchen
keine Beſchwerde ſeyn, ſich bei einer ſo feierli-
chen Gelegenheit einzufinden, und die Predigt
eines gelehrten Mannes anzuhoͤren, (ob das
gleich nicht, wie es gemeiniglich angeſehen wuͤr-
de, der vornehmſte Theil des oͤffentlichen Got-
tesdienſtes waͤre,) der allezeit etwas neues zu ſa-
gen haben muͤßte, weil er die goͤttlichen War-
heiten fuͤr ſich uͤberdacht haͤtte, und ſie alſo auf
eine ihm eigne Art vortruͤge.

Sie ſchuͤttelte den Kopf, und wiederholte die
Worte: etwas neues. Doch ſahe ſie ſo aus,
als wenn ſie bereit waͤre, mit dieſer Antwort
zufrieden zu ſeyn. Wuͤrklich, Bruder, ſie denkt,
in der Hofnung, mich zu bekehren, ſeiner Sa-
taniſchen Majeſtaͤt einen rechten Poſſen zu ſpie-
len. Kein Wunder alſo, wenn er ſich aufmacht,
ihr zuvor zu kommen und ſich zu raͤchen. ‒ ‒
Doch wie faͤlt mir der Gedanke ein? ‒ ‒ Jch

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[195/0203] ſicherte ſie, ich haͤtte die ganze Geiſtlichkeit uͤber- haupt, und beſonders einige von ihnen, als ihren D. Lewen zum Exempel, allezeit ausneh- mend hochgehalten. Wenn auch die Feierung des oͤffentlichen Gottesdienſtes keine Pflicht der Religion waͤre, ſo hielte ich es doch (wie ich dir auch einmal geſagt habe) fuͤr das angenehm- ſte Schauſpiel, alle, Reiche und Arme, gleich- ſam in Geſellſchaft einmal in der Woche an ei- nem Orte, und Maͤnner und Weiber in ih- rem beſten Schmuck, verſammlet zu ſehen, um den GOtt zu verehren, der ſie gemacht hat. Es koͤnnte auch fuͤr einen wolerzogenen Menſchen keine Beſchwerde ſeyn, ſich bei einer ſo feierli- chen Gelegenheit einzufinden, und die Predigt eines gelehrten Mannes anzuhoͤren, (ob das gleich nicht, wie es gemeiniglich angeſehen wuͤr- de, der vornehmſte Theil des oͤffentlichen Got- tesdienſtes waͤre,) der allezeit etwas neues zu ſa- gen haben muͤßte, weil er die goͤttlichen War- heiten fuͤr ſich uͤberdacht haͤtte, und ſie alſo auf eine ihm eigne Art vortruͤge. Sie ſchuͤttelte den Kopf, und wiederholte die Worte: etwas neues. Doch ſahe ſie ſo aus, als wenn ſie bereit waͤre, mit dieſer Antwort zufrieden zu ſeyn. Wuͤrklich, Bruder, ſie denkt, in der Hofnung, mich zu bekehren, ſeiner Sa- taniſchen Majeſtaͤt einen rechten Poſſen zu ſpie- len. Kein Wunder alſo, wenn er ſich aufmacht, ihr zuvor zu kommen und ſich zu raͤchen. ‒ ‒ Doch wie faͤlt mir der Gedanke ein? ‒ ‒ Jch bin N 2

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753/203>, abgerufen am 26.04.2024.