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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853.

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unbedingten Selbstbestimmung seiner Unendlichkeit majestätisch.
Die Majestät vereint die absolute Größe mit der absoluten
Macht. Der Gegensatz des erhaben Großen ist das Klein¬
liche, welches unter die seinem Wesen nothwendigen Schranken
heruntergeht; der Gegensatz des erhaben Mächtigen das
Schwächliche, welches hinter dem ihm möglichen Maaß von
Kraft zurückbleibt; der Gegensatz des Majestätischen ist das
Niedrige, welches in seiner Selbstbestimmung von zufälligen
und beschränkten, von kleinlichen und egoistischen Motiven
bestimmt wird. Niedrig ist allerdings ein Ausdruck, der
auch relativ ist; wird er aber nicht comparativ, sondern
positiv gebraucht, so bezeichnet er das Unvollkommene, Ge¬
ringe, Gemeine schlechthin. Es hat sich im Deutschen der
Usus gebildet, daß man niedrig und nieder unterscheidet,
indem man unter ersterem das Gemeine, unter dem zweiten
das Einfache, Schlichte, Untere, versteht. Eine niedrige
Gesinnung, eine niedrige Behandlung, ein niedriger Streich
u. s. w.; dagegen ein niederes Dach, eine niedere Hütte,
ein niedrer Stand u. s. w. Vordem sagte man nur niedrig
überhaupt. Das Majestätische ist in seiner ruhigen Größe
einzig und in seinem Handeln, als nicht von Außen und
nicht durch den Zufall bestimmbar, absolut sicher. Es kann
daher zwar, sofern es als ein besonderes Dasein der Welt
der Erscheinungen angehört, Seiten haben, welche dem An¬
griff von Außen her preisgegeben sind, es kann leiden, es
kann den Schmerz fühlen, aber innerlich wird es sich in der
Gleichheit mit sich erhalten und im Untergang dessen, was
an seiner Existenz vergänglich ist, seiner Unendlichkeit gewiß
bleiben. Hieraus erklärt sich der scheinbare Widerspruch,
weshalb die Majestät gerade im Leiden ihre Größe und Macht
am Herrlichsten zu offenbaren vermöge. Die Niedrigkeit

unbedingten Selbſtbeſtimmung ſeiner Unendlichkeit majeſtätiſch.
Die Majeſtät vereint die abſolute Größe mit der abſoluten
Macht. Der Gegenſatz des erhaben Großen iſt das Klein¬
liche, welches unter die ſeinem Weſen nothwendigen Schranken
heruntergeht; der Gegenſatz des erhaben Mächtigen das
Schwächliche, welches hinter dem ihm möglichen Maaß von
Kraft zurückbleibt; der Gegenſatz des Majeſtätiſchen iſt das
Niedrige, welches in ſeiner Selbſtbeſtimmung von zufälligen
und beſchränkten, von kleinlichen und egoiſtiſchen Motiven
beſtimmt wird. Niedrig iſt allerdings ein Ausdruck, der
auch relativ iſt; wird er aber nicht comparativ, ſondern
poſitiv gebraucht, ſo bezeichnet er das Unvollkommene, Ge¬
ringe, Gemeine ſchlechthin. Es hat ſich im Deutſchen der
Uſus gebildet, daß man niedrig und nieder unterſcheidet,
indem man unter erſterem das Gemeine, unter dem zweiten
das Einfache, Schlichte, Untere, verſteht. Eine niedrige
Geſinnung, eine niedrige Behandlung, ein niedriger Streich
u. ſ. w.; dagegen ein niederes Dach, eine niedere Hütte,
ein niedrer Stand u. ſ. w. Vordem ſagte man nur niedrig
überhaupt. Das Majeſtätiſche iſt in ſeiner ruhigen Größe
einzig und in ſeinem Handeln, als nicht von Außen und
nicht durch den Zufall beſtimmbar, abſolut ſicher. Es kann
daher zwar, ſofern es als ein beſonderes Daſein der Welt
der Erſcheinungen angehört, Seiten haben, welche dem An¬
griff von Außen her preisgegeben ſind, es kann leiden, es
kann den Schmerz fühlen, aber innerlich wird es ſich in der
Gleichheit mit ſich erhalten und im Untergang deſſen, was
an ſeiner Exiſtenz vergänglich iſt, ſeiner Unendlichkeit gewiß
bleiben. Hieraus erklärt ſich der ſcheinbare Widerſpruch,
weshalb die Majeſtät gerade im Leiden ihre Größe und Macht
am Herrlichſten zu offenbaren vermöge. Die Niedrigkeit

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[198/0220] unbedingten Selbſtbeſtimmung ſeiner Unendlichkeit majeſtätiſch. Die Majeſtät vereint die abſolute Größe mit der abſoluten Macht. Der Gegenſatz des erhaben Großen iſt das Klein¬ liche, welches unter die ſeinem Weſen nothwendigen Schranken heruntergeht; der Gegenſatz des erhaben Mächtigen das Schwächliche, welches hinter dem ihm möglichen Maaß von Kraft zurückbleibt; der Gegenſatz des Majeſtätiſchen iſt das Niedrige, welches in ſeiner Selbſtbeſtimmung von zufälligen und beſchränkten, von kleinlichen und egoiſtiſchen Motiven beſtimmt wird. Niedrig iſt allerdings ein Ausdruck, der auch relativ iſt; wird er aber nicht comparativ, ſondern poſitiv gebraucht, ſo bezeichnet er das Unvollkommene, Ge¬ ringe, Gemeine ſchlechthin. Es hat ſich im Deutſchen der Uſus gebildet, daß man niedrig und nieder unterſcheidet, indem man unter erſterem das Gemeine, unter dem zweiten das Einfache, Schlichte, Untere, verſteht. Eine niedrige Geſinnung, eine niedrige Behandlung, ein niedriger Streich u. ſ. w.; dagegen ein niederes Dach, eine niedere Hütte, ein niedrer Stand u. ſ. w. Vordem ſagte man nur niedrig überhaupt. Das Majeſtätiſche iſt in ſeiner ruhigen Größe einzig und in ſeinem Handeln, als nicht von Außen und nicht durch den Zufall beſtimmbar, abſolut ſicher. Es kann daher zwar, ſofern es als ein beſonderes Daſein der Welt der Erſcheinungen angehört, Seiten haben, welche dem An¬ griff von Außen her preisgegeben ſind, es kann leiden, es kann den Schmerz fühlen, aber innerlich wird es ſich in der Gleichheit mit ſich erhalten und im Untergang deſſen, was an ſeiner Exiſtenz vergänglich iſt, ſeiner Unendlichkeit gewiß bleiben. Hieraus erklärt ſich der ſcheinbare Widerſpruch, weshalb die Majeſtät gerade im Leiden ihre Größe und Macht am Herrlichſten zu offenbaren vermöge. Die Niedrigkeit

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Zitationshilfe: Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/220>, abgerufen am 27.04.2024.