Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863.

Bild:
<< vorherige Seite

(hat vielleicht wie bei der Birke einen pädagogischen Grund!), Bein-,
Zeck-, Kohl-, Greis-, Kahl-, Mund-, Wein- und Weißknieholz, Eisenbeer-
strauch, Hartender, Kiengerten, Grünbaum und viele andere.

33. Die Stechpalme oder Hülse, Ilex Aquifolium L.

Unser einziger wenn auch nur kleiner wirklich immer grüner Laub-
holzbaum, der vielleicht auch blos aus diesem Grunde den stolzen Namen
trägt, da er sonst mit den Palmen durchaus nichts gemein hat. Wenn
Bernardin St. Pierre (nicht Humboldt, wie man gewöhnlich glaubt, denn
dieser führt für diese Bezeichnung jenen ausdrücklich als Urheber an) die
hochaufragenden Palmen "einen Wald über dem Walde" nennt, so kann
man die Stechpalme einen Wald unter dem Walde nennen, denn die
kleinen immergrünen schattenliebenden Bäumchen bilden, in Deutschland
wenigstens in einigen Theilen des Schwarzwaldes, zu den Füßen der
ragenden Nadelbäume einen Wald im Kleinen.

Die Stechpalme bildet mit einigen andern Gattungen ihre eigene
kleine Familie, welche die Einen Ilicineen, Andere Aquifoliaceen nennen,
und schon ziemlich hoch in der Rangordnung des Gewächsreiches steht.

Die Blüthe hat einen 4--5zähnigen Kelch und eine 4--5theilige
zuletzt ziemlich radförmig flach ausgebreitete schneeweiße Blumenkrone,
während sie als Knospe rosenroth gefärbt und kugelig, von der Größe
einer kleinen Erbse ist; 4 Staubgefäße und 4--5 sitzende Narben. Die
im Oktober reifende Frucht ist eine scharlachrothe erbsengroße 4--5 steinige
kurzgestielte Beere, welche von den Turteltauben sehr geliebt wird. Die
Blätter sind im ganzen von einem eirunden Umriß aber tief einge-
schnitten, die Einschnitte wellenförmig abwechselnd ab- und aufwärts gebogen
und gehen in einen harten knorpeligen spitzen Stachel aus, wie überhaupt
die ganzen Blätter starr und hart und von einer lebhaften sattgrünen unten
helleren Farbe und wie lackirt glänzend sind. Sie stehen undeutlich spiral
an den steifen ziemlich dicken, lebhaft grün berindeten Trieben; die dickeren
Aeste werden allmälig rothbraun und gestreift und der walzenrunde Stamm
ist grau und feinrissig. Die Krone ist dicht belaubt, meist von eiförmigen
Umriß mit spitzem Gipfel. Die Wurzel geht ziemlich tief. Das Holz
ist von allen deutschen Holzarten das festeste und dichteste und daher

(hat vielleicht wie bei der Birke einen pädagogiſchen Grund!), Bein-,
Zeck-, Kohl-, Greis-, Kahl-, Mund-, Wein- und Weißknieholz, Eiſenbeer-
ſtrauch, Hartender, Kiengerten, Grünbaum und viele andere.

33. Die Stechpalme oder Hülſe, Ilex Aquifolium L.

Unſer einziger wenn auch nur kleiner wirklich immer grüner Laub-
holzbaum, der vielleicht auch blos aus dieſem Grunde den ſtolzen Namen
trägt, da er ſonſt mit den Palmen durchaus nichts gemein hat. Wenn
Bernardin St. Pierre (nicht Humboldt, wie man gewöhnlich glaubt, denn
dieſer führt für dieſe Bezeichnung jenen ausdrücklich als Urheber an) die
hochaufragenden Palmen „einen Wald über dem Walde“ nennt, ſo kann
man die Stechpalme einen Wald unter dem Walde nennen, denn die
kleinen immergrünen ſchattenliebenden Bäumchen bilden, in Deutſchland
wenigſtens in einigen Theilen des Schwarzwaldes, zu den Füßen der
ragenden Nadelbäume einen Wald im Kleinen.

Die Stechpalme bildet mit einigen andern Gattungen ihre eigene
kleine Familie, welche die Einen Ilicineen, Andere Aquifoliaceen nennen,
und ſchon ziemlich hoch in der Rangordnung des Gewächsreiches ſteht.

Die Blüthe hat einen 4—5zähnigen Kelch und eine 4—5theilige
zuletzt ziemlich radförmig flach ausgebreitete ſchneeweiße Blumenkrone,
während ſie als Knospe roſenroth gefärbt und kugelig, von der Größe
einer kleinen Erbſe iſt; 4 Staubgefäße und 4—5 ſitzende Narben. Die
im Oktober reifende Frucht iſt eine ſcharlachrothe erbſengroße 4—5 ſteinige
kurzgeſtielte Beere, welche von den Turteltauben ſehr geliebt wird. Die
Blätter ſind im ganzen von einem eirunden Umriß aber tief einge-
ſchnitten, die Einſchnitte wellenförmig abwechſelnd ab- und aufwärts gebogen
und gehen in einen harten knorpeligen ſpitzen Stachel aus, wie überhaupt
die ganzen Blätter ſtarr und hart und von einer lebhaften ſattgrünen unten
helleren Farbe und wie lackirt glänzend ſind. Sie ſtehen undeutlich ſpiral
an den ſteifen ziemlich dicken, lebhaft grün berindeten Trieben; die dickeren
Aeſte werden allmälig rothbraun und geſtreift und der walzenrunde Stamm
iſt grau und feinriſſig. Die Krone iſt dicht belaubt, meiſt von eiförmigen
Umriß mit ſpitzem Gipfel. Die Wurzel geht ziemlich tief. Das Holz
iſt von allen deutſchen Holzarten das feſteſte und dichteſte und daher

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0545" n="493"/>
(hat vielleicht wie bei der Birke einen pädagogi&#x017F;chen Grund!), Bein-,<lb/>
Zeck-, Kohl-, Greis-, Kahl-, Mund-, Wein- und Weißknieholz, Ei&#x017F;enbeer-<lb/>
&#x017F;trauch, Hartender, Kiengerten, Grünbaum und viele andere.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#b">33. Die Stechpalme oder Hül&#x017F;e, <hi rendition="#aq">Ilex Aquifolium L.</hi></hi> </head><lb/>
              <p>Un&#x017F;er einziger wenn auch nur kleiner wirklich immer grüner Laub-<lb/>
holzbaum, der vielleicht auch blos aus die&#x017F;em Grunde den &#x017F;tolzen Namen<lb/>
trägt, da er &#x017F;on&#x017F;t mit den Palmen durchaus nichts gemein hat. Wenn<lb/>
Bernardin St. Pierre (nicht Humboldt, wie man gewöhnlich glaubt, denn<lb/>
die&#x017F;er führt für die&#x017F;e Bezeichnung jenen ausdrücklich als Urheber an) die<lb/>
hochaufragenden Palmen &#x201E;einen Wald über dem Walde&#x201C; nennt, &#x017F;o kann<lb/>
man die Stechpalme einen Wald unter dem Walde nennen, denn die<lb/>
kleinen immergrünen &#x017F;chattenliebenden Bäumchen bilden, in Deut&#x017F;chland<lb/>
wenig&#x017F;tens in einigen Theilen des Schwarzwaldes, zu den Füßen der<lb/>
ragenden Nadelbäume einen Wald im Kleinen.</p><lb/>
              <p>Die Stechpalme bildet mit einigen andern Gattungen ihre eigene<lb/>
kleine Familie, welche die Einen Ilicineen, Andere Aquifoliaceen nennen,<lb/>
und &#x017F;chon ziemlich hoch in der Rangordnung des Gewächsreiches &#x017F;teht.</p><lb/>
              <p>Die <hi rendition="#g">Blüthe</hi> hat einen 4&#x2014;5zähnigen Kelch und eine 4&#x2014;5theilige<lb/>
zuletzt ziemlich radförmig flach ausgebreitete &#x017F;chneeweiße Blumenkrone,<lb/>
während &#x017F;ie als Knospe ro&#x017F;enroth gefärbt und kugelig, von der Größe<lb/>
einer kleinen Erb&#x017F;e i&#x017F;t; 4 Staubgefäße und 4&#x2014;5 &#x017F;itzende Narben. Die<lb/>
im Oktober reifende <hi rendition="#g">Frucht</hi> i&#x017F;t eine &#x017F;charlachrothe erb&#x017F;engroße 4&#x2014;5 &#x017F;teinige<lb/>
kurzge&#x017F;tielte Beere, welche von den Turteltauben &#x017F;ehr geliebt wird. Die<lb/><hi rendition="#g">Blätter</hi> &#x017F;ind im ganzen von einem eirunden Umriß aber tief einge-<lb/>
&#x017F;chnitten, die Ein&#x017F;chnitte wellenförmig abwech&#x017F;elnd ab- und aufwärts gebogen<lb/>
und gehen in einen harten knorpeligen &#x017F;pitzen Stachel aus, wie überhaupt<lb/>
die ganzen Blätter &#x017F;tarr und hart und von einer lebhaften &#x017F;attgrünen unten<lb/>
helleren Farbe und wie lackirt glänzend &#x017F;ind. Sie &#x017F;tehen undeutlich &#x017F;piral<lb/>
an den &#x017F;teifen ziemlich dicken, lebhaft grün berindeten Trieben; die dickeren<lb/>
Ae&#x017F;te werden allmälig rothbraun und ge&#x017F;treift und der walzenrunde <hi rendition="#g">Stamm</hi><lb/>
i&#x017F;t grau und feinri&#x017F;&#x017F;ig. Die <hi rendition="#g">Krone</hi> i&#x017F;t dicht belaubt, mei&#x017F;t von eiförmigen<lb/>
Umriß mit &#x017F;pitzem Gipfel. Die <hi rendition="#g">Wurzel</hi> geht ziemlich tief. Das <hi rendition="#g">Holz</hi><lb/>
i&#x017F;t von allen deut&#x017F;chen Holzarten das fe&#x017F;te&#x017F;te und dichte&#x017F;te und daher<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[493/0545] (hat vielleicht wie bei der Birke einen pädagogiſchen Grund!), Bein-, Zeck-, Kohl-, Greis-, Kahl-, Mund-, Wein- und Weißknieholz, Eiſenbeer- ſtrauch, Hartender, Kiengerten, Grünbaum und viele andere. 33. Die Stechpalme oder Hülſe, Ilex Aquifolium L. Unſer einziger wenn auch nur kleiner wirklich immer grüner Laub- holzbaum, der vielleicht auch blos aus dieſem Grunde den ſtolzen Namen trägt, da er ſonſt mit den Palmen durchaus nichts gemein hat. Wenn Bernardin St. Pierre (nicht Humboldt, wie man gewöhnlich glaubt, denn dieſer führt für dieſe Bezeichnung jenen ausdrücklich als Urheber an) die hochaufragenden Palmen „einen Wald über dem Walde“ nennt, ſo kann man die Stechpalme einen Wald unter dem Walde nennen, denn die kleinen immergrünen ſchattenliebenden Bäumchen bilden, in Deutſchland wenigſtens in einigen Theilen des Schwarzwaldes, zu den Füßen der ragenden Nadelbäume einen Wald im Kleinen. Die Stechpalme bildet mit einigen andern Gattungen ihre eigene kleine Familie, welche die Einen Ilicineen, Andere Aquifoliaceen nennen, und ſchon ziemlich hoch in der Rangordnung des Gewächsreiches ſteht. Die Blüthe hat einen 4—5zähnigen Kelch und eine 4—5theilige zuletzt ziemlich radförmig flach ausgebreitete ſchneeweiße Blumenkrone, während ſie als Knospe roſenroth gefärbt und kugelig, von der Größe einer kleinen Erbſe iſt; 4 Staubgefäße und 4—5 ſitzende Narben. Die im Oktober reifende Frucht iſt eine ſcharlachrothe erbſengroße 4—5 ſteinige kurzgeſtielte Beere, welche von den Turteltauben ſehr geliebt wird. Die Blätter ſind im ganzen von einem eirunden Umriß aber tief einge- ſchnitten, die Einſchnitte wellenförmig abwechſelnd ab- und aufwärts gebogen und gehen in einen harten knorpeligen ſpitzen Stachel aus, wie überhaupt die ganzen Blätter ſtarr und hart und von einer lebhaften ſattgrünen unten helleren Farbe und wie lackirt glänzend ſind. Sie ſtehen undeutlich ſpiral an den ſteifen ziemlich dicken, lebhaft grün berindeten Trieben; die dickeren Aeſte werden allmälig rothbraun und geſtreift und der walzenrunde Stamm iſt grau und feinriſſig. Die Krone iſt dicht belaubt, meiſt von eiförmigen Umriß mit ſpitzem Gipfel. Die Wurzel geht ziemlich tief. Das Holz iſt von allen deutſchen Holzarten das feſteſte und dichteſte und daher

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/545
Zitationshilfe: Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 493. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/545>, abgerufen am 27.04.2024.