Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807.

Bild:
<< vorherige Seite



nur immer Abbildungen von Dingen, die sie in
der Wirklichkeit schon kennt, und es wird sich früh
eine richtige Vorstellung von Bild und Sache in
ihrer Seele festsetzen. Nenne ihr oft die einzel-
nen Theile jedes Geräthes im Zimmer, besonders
an solchen, wo einzelne Theile leicht zu unterschei-
den sind. Fange bei den einfachsten an, und gehe
zu den künstlicher zusammengesetzten fort. --

Hast Du Jda so vor Eigensinn bewahrt, und
sie gegen Langeweile durch stete Beschäftigung ge-
sichert, dann sind zwey Hauptquellen des Uebels
in der Erziehung verstopft, und Deinem Mutter-
herzen vielleicht jede Strenge für die Zukunft ganz
erspart: Du wirst vielleicht nie strafen dürfen! --
Ueber die Schädlichkeit mancher unentbehrlichen
und nicht zu entfernenden Dinge laß sie sich durch
das Gefühl belehren. Greift sie nach einem bren-
nenden Lichte, oder nach dem Feuer im Kamin;
so sage ihr: Jda, es brennt! Jda, es thut wehe!
Sie wird das nicht verstehen, und die schöne helle
Flamme greifen wollen. Laß sie das Fingerchen
dem Lichte ein klein wenig nähern, (vor dem Ver-
brennen wird Muttersorgfalt sie wohl schützen)



nur immer Abbildungen von Dingen, die ſie in
der Wirklichkeit ſchon kennt, und es wird ſich früh
eine richtige Vorſtellung von Bild und Sache in
ihrer Seele feſtſetzen. Nenne ihr oft die einzel-
nen Theile jedes Geräthes im Zimmer, beſonders
an ſolchen, wo einzelne Theile leicht zu unterſchei-
den ſind. Fange bei den einfachſten an, und gehe
zu den künſtlicher zuſammengeſetzten fort. —

Haſt Du Jda ſo vor Eigenſinn bewahrt, und
ſie gegen Langeweile durch ſtete Beſchäftigung ge-
ſichert, dann ſind zwey Hauptquellen des Uebels
in der Erziehung verſtopft, und Deinem Mutter-
herzen vielleicht jede Strenge für die Zukunft ganz
erſpart: Du wirſt vielleicht nie ſtrafen dürfen! —
Ueber die Schädlichkeit mancher unentbehrlichen
und nicht zu entfernenden Dinge laß ſie ſich durch
das Gefühl belehren. Greift ſie nach einem bren-
nenden Lichte, oder nach dem Feuer im Kamin;
ſo ſage ihr: Jda, es brennt! Jda, es thut wehe!
Sie wird das nicht verſtehen, und die ſchöne helle
Flamme greifen wollen. Laß ſie das Fingerchen
dem Lichte ein klein wenig nähern, (vor dem Ver-
brennen wird Mutterſorgfalt ſie wohl ſchützen)

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0043" n="29"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
nur immer Abbildungen von Dingen, die &#x017F;ie in<lb/>
der Wirklichkeit &#x017F;chon kennt, und es wird &#x017F;ich früh<lb/>
eine richtige Vor&#x017F;tellung von Bild und Sache in<lb/>
ihrer Seele fe&#x017F;t&#x017F;etzen. Nenne ihr oft die einzel-<lb/>
nen Theile jedes Geräthes im Zimmer, be&#x017F;onders<lb/>
an &#x017F;olchen, wo einzelne Theile leicht zu unter&#x017F;chei-<lb/>
den &#x017F;ind. Fange bei den einfach&#x017F;ten an, und gehe<lb/>
zu den kün&#x017F;tlicher zu&#x017F;ammenge&#x017F;etzten fort. &#x2014;</p><lb/>
          <p>Ha&#x017F;t Du Jda &#x017F;o vor Eigen&#x017F;inn bewahrt, und<lb/>
&#x017F;ie gegen Langeweile durch &#x017F;tete Be&#x017F;chäftigung ge-<lb/>
&#x017F;ichert, dann &#x017F;ind zwey Hauptquellen des Uebels<lb/>
in der Erziehung ver&#x017F;topft, und Deinem Mutter-<lb/>
herzen vielleicht jede Strenge für die Zukunft ganz<lb/>
er&#x017F;part: Du wir&#x017F;t vielleicht nie <hi rendition="#g">&#x017F;trafen</hi> dürfen! &#x2014;<lb/>
Ueber die Schädlichkeit mancher unentbehrlichen<lb/>
und nicht zu entfernenden Dinge laß &#x017F;ie &#x017F;ich durch<lb/>
das Gefühl belehren. Greift &#x017F;ie nach einem bren-<lb/>
nenden Lichte, oder nach dem Feuer im Kamin;<lb/>
&#x017F;o &#x017F;age ihr: Jda, es brennt! Jda, es thut wehe!<lb/>
Sie wird das nicht ver&#x017F;tehen, und die &#x017F;chöne helle<lb/>
Flamme greifen wollen. Laß &#x017F;ie das Fingerchen<lb/>
dem Lichte ein klein wenig nähern, (vor dem <hi rendition="#g">Ver</hi>-<lb/>
brennen wird Mutter&#x017F;orgfalt &#x017F;ie wohl &#x017F;chützen)<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[29/0043] nur immer Abbildungen von Dingen, die ſie in der Wirklichkeit ſchon kennt, und es wird ſich früh eine richtige Vorſtellung von Bild und Sache in ihrer Seele feſtſetzen. Nenne ihr oft die einzel- nen Theile jedes Geräthes im Zimmer, beſonders an ſolchen, wo einzelne Theile leicht zu unterſchei- den ſind. Fange bei den einfachſten an, und gehe zu den künſtlicher zuſammengeſetzten fort. — Haſt Du Jda ſo vor Eigenſinn bewahrt, und ſie gegen Langeweile durch ſtete Beſchäftigung ge- ſichert, dann ſind zwey Hauptquellen des Uebels in der Erziehung verſtopft, und Deinem Mutter- herzen vielleicht jede Strenge für die Zukunft ganz erſpart: Du wirſt vielleicht nie ſtrafen dürfen! — Ueber die Schädlichkeit mancher unentbehrlichen und nicht zu entfernenden Dinge laß ſie ſich durch das Gefühl belehren. Greift ſie nach einem bren- nenden Lichte, oder nach dem Feuer im Kamin; ſo ſage ihr: Jda, es brennt! Jda, es thut wehe! Sie wird das nicht verſtehen, und die ſchöne helle Flamme greifen wollen. Laß ſie das Fingerchen dem Lichte ein klein wenig nähern, (vor dem Ver- brennen wird Mutterſorgfalt ſie wohl ſchützen)

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/43
Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/43>, abgerufen am 27.04.2024.