Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 4. Leipzig, 1838.

Bild:
<< vorherige Seite
11.
Ich dachte nun erst warm im Alter dich zu pflegen,
Und muß statt aller Pfleg' ins kalte Grab dich legen.
Die Zinsen dacht' ich erst der Schuld dir abzutragen
Der Sohnesdankbarkeit, statt dich ins Grab zu tragen.
Gott nimmt den Willen für die That; nicht mir beschieden
War's, dir zu schaffen Ruh; er schuf dir Ruh und Frieden.

12.
Oft zu verspotten scheint das Schicksal unsern Plan,
Doch wir verspotten es, es ist uns unterthan.
Mit Liebe dacht' ich dein an einem stillen Abend,
Den Lebensabend malt' ich dir so still und labend.
Du solltest leben, bis ich meinen Sohn vermählte,
Und ein Urenkel noch ein Mährchen dir erzählte.
Das sollte trösten dich für jeglichen Verlust,
Und blüh'n seh'n solltest du noch einmal deine Lust.
11.
Ich dachte nun erſt warm im Alter dich zu pflegen,
Und muß ſtatt aller Pfleg' ins kalte Grab dich legen.
Die Zinſen dacht' ich erſt der Schuld dir abzutragen
Der Sohnesdankbarkeit, ſtatt dich ins Grab zu tragen.
Gott nimmt den Willen fuͤr die That; nicht mir beſchieden
War's, dir zu ſchaffen Ruh; er ſchuf dir Ruh und Frieden.

12.
Oft zu verſpotten ſcheint das Schickſal unſern Plan,
Doch wir verſpotten es, es iſt uns unterthan.
Mit Liebe dacht' ich dein an einem ſtillen Abend,
Den Lebensabend malt' ich dir ſo ſtill und labend.
Du ſollteſt leben, bis ich meinen Sohn vermaͤhlte,
Und ein Urenkel noch ein Maͤhrchen dir erzaͤhlte.
Das ſollte troͤſten dich fuͤr jeglichen Verluſt,
Und bluͤh'n ſeh'n ſollteſt du noch einmal deine Luſt.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0284" n="274"/>
        <div n="2">
          <head>11.</head><lb/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>Ich dachte nun er&#x017F;t warm im Alter dich zu pflegen,</l><lb/>
              <l>Und muß &#x017F;tatt aller Pfleg' ins kalte Grab dich legen.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Die Zin&#x017F;en dacht' ich er&#x017F;t der Schuld dir abzutragen</l><lb/>
              <l>Der Sohnesdankbarkeit, &#x017F;tatt dich ins Grab zu tragen.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Gott nimmt den Willen fu&#x0364;r die That; nicht mir be&#x017F;chieden</l><lb/>
              <l>War's, dir zu &#x017F;chaffen Ruh; er &#x017F;chuf dir Ruh und Frieden.</l>
            </lg><lb/>
          </lg>
        </div>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head>12.</head><lb/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>Oft zu ver&#x017F;potten &#x017F;cheint das Schick&#x017F;al un&#x017F;ern Plan,</l><lb/>
              <l>Doch wir ver&#x017F;potten es, es i&#x017F;t uns unterthan.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Mit Liebe dacht' ich dein an einem &#x017F;tillen Abend,</l><lb/>
              <l>Den Lebensabend malt' ich dir &#x017F;o &#x017F;till und labend.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Du &#x017F;ollte&#x017F;t leben, bis ich meinen Sohn verma&#x0364;hlte,</l><lb/>
              <l>Und ein Urenkel noch ein Ma&#x0364;hrchen dir erza&#x0364;hlte.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="4">
              <l>Das &#x017F;ollte tro&#x0364;&#x017F;ten dich fu&#x0364;r jeglichen Verlu&#x017F;t,</l><lb/>
              <l>Und blu&#x0364;h'n &#x017F;eh'n &#x017F;ollte&#x017F;t du noch einmal deine Lu&#x017F;t.</l>
            </lg><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[274/0284] 11. Ich dachte nun erſt warm im Alter dich zu pflegen, Und muß ſtatt aller Pfleg' ins kalte Grab dich legen. Die Zinſen dacht' ich erſt der Schuld dir abzutragen Der Sohnesdankbarkeit, ſtatt dich ins Grab zu tragen. Gott nimmt den Willen fuͤr die That; nicht mir beſchieden War's, dir zu ſchaffen Ruh; er ſchuf dir Ruh und Frieden. 12. Oft zu verſpotten ſcheint das Schickſal unſern Plan, Doch wir verſpotten es, es iſt uns unterthan. Mit Liebe dacht' ich dein an einem ſtillen Abend, Den Lebensabend malt' ich dir ſo ſtill und labend. Du ſollteſt leben, bis ich meinen Sohn vermaͤhlte, Und ein Urenkel noch ein Maͤhrchen dir erzaͤhlte. Das ſollte troͤſten dich fuͤr jeglichen Verluſt, Und bluͤh'n ſeh'n ſollteſt du noch einmal deine Luſt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane04_1838
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane04_1838/284
Zitationshilfe: Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 4. Leipzig, 1838, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane04_1838/284>, abgerufen am 26.04.2024.