Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 5. Leipzig, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite
Doch Gott und dein Gemüt, sie würden sich vermischen
Im Innern, stände nicht die äußre Welt dazwischen;
Die Welt, die dem Gemüt Gott so verbirgt wie zeigt,
Durch die es ewig auf, er ewig nieder steigt.

42.
Vorm Menschen, welchen kein Gesetz der Lieb' und Treue
Beherrschet, habe mehr als vor dem Thiere Scheue!
Wenn auch dem Thiere fehlt Gemüt, Vernunft und Liebe,
Gehalten ist es doch vom Bande seiner Triebe.
An diesem halt es fest, du darfst dich drauf verlassen;
Den Menschen aber kannst du nirgend sicher fassen.
Der Liebe Widerschein kannst du ins Thier meintwegen,
Noch lieber in die fromm unschuld'ge Pflanze legen.
Doch in den Menschen, wo sie selber sollte seyn,
Kannst du, wo sie nicht ist, sie auch nicht legen ein.

Doch Gott und dein Gemuͤt, ſie wuͤrden ſich vermiſchen
Im Innern, ſtaͤnde nicht die aͤußre Welt dazwiſchen;
Die Welt, die dem Gemuͤt Gott ſo verbirgt wie zeigt,
Durch die es ewig auf, er ewig nieder ſteigt.

42.
Vorm Menſchen, welchen kein Geſetz der Lieb' und Treue
Beherrſchet, habe mehr als vor dem Thiere Scheue!
Wenn auch dem Thiere fehlt Gemuͤt, Vernunft und Liebe,
Gehalten iſt es doch vom Bande ſeiner Triebe.
An dieſem halt es feſt, du darfſt dich drauf verlaſſen;
Den Menſchen aber kannſt du nirgend ſicher faſſen.
Der Liebe Widerſchein kannſt du ins Thier meintwegen,
Noch lieber in die fromm unſchuld'ge Pflanze legen.
Doch in den Menſchen, wo ſie ſelber ſollte ſeyn,
Kannſt du, wo ſie nicht iſt, ſie auch nicht legen ein.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0266" n="256"/>
            <lg n="9">
              <l>Doch Gott und dein Gemu&#x0364;t, &#x017F;ie wu&#x0364;rden &#x017F;ich vermi&#x017F;chen</l><lb/>
              <l>Im Innern, &#x017F;ta&#x0364;nde nicht die a&#x0364;ußre Welt dazwi&#x017F;chen;</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="10">
              <l>Die Welt, die dem Gemu&#x0364;t Gott &#x017F;o verbirgt wie zeigt,</l><lb/>
              <l>Durch die es ewig auf, er ewig nieder &#x017F;teigt.</l>
            </lg><lb/>
          </lg>
        </div>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head>42.</head><lb/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>Vorm Men&#x017F;chen, welchen kein Ge&#x017F;etz der Lieb' und Treue</l><lb/>
              <l>Beherr&#x017F;chet, habe mehr als vor dem Thiere Scheue!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Wenn auch dem Thiere fehlt Gemu&#x0364;t, Vernunft und Liebe,</l><lb/>
              <l>Gehalten i&#x017F;t es doch vom Bande &#x017F;einer Triebe.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>An die&#x017F;em halt es fe&#x017F;t, du darf&#x017F;t dich drauf verla&#x017F;&#x017F;en;</l><lb/>
              <l>Den Men&#x017F;chen aber kann&#x017F;t du nirgend &#x017F;icher fa&#x017F;&#x017F;en.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="4">
              <l>Der Liebe Wider&#x017F;chein kann&#x017F;t du ins Thier meintwegen,</l><lb/>
              <l>Noch lieber in die fromm un&#x017F;chuld'ge Pflanze legen.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="5">
              <l>Doch in den Men&#x017F;chen, wo &#x017F;ie &#x017F;elber &#x017F;ollte &#x017F;eyn,</l><lb/>
              <l>Kann&#x017F;t du, wo &#x017F;ie nicht i&#x017F;t, &#x017F;ie auch nicht legen ein.</l>
            </lg><lb/>
          </lg>
        </div>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[256/0266] Doch Gott und dein Gemuͤt, ſie wuͤrden ſich vermiſchen Im Innern, ſtaͤnde nicht die aͤußre Welt dazwiſchen; Die Welt, die dem Gemuͤt Gott ſo verbirgt wie zeigt, Durch die es ewig auf, er ewig nieder ſteigt. 42. Vorm Menſchen, welchen kein Geſetz der Lieb' und Treue Beherrſchet, habe mehr als vor dem Thiere Scheue! Wenn auch dem Thiere fehlt Gemuͤt, Vernunft und Liebe, Gehalten iſt es doch vom Bande ſeiner Triebe. An dieſem halt es feſt, du darfſt dich drauf verlaſſen; Den Menſchen aber kannſt du nirgend ſicher faſſen. Der Liebe Widerſchein kannſt du ins Thier meintwegen, Noch lieber in die fromm unſchuld'ge Pflanze legen. Doch in den Menſchen, wo ſie ſelber ſollte ſeyn, Kannſt du, wo ſie nicht iſt, ſie auch nicht legen ein.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane05_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane05_1839/266
Zitationshilfe: Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 5. Leipzig, 1839, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane05_1839/266>, abgerufen am 26.04.2024.