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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

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Entwicklungsgeschichte der Zelle, Entstehung der
vierziger Jahren an die neue Zellentheorie mit Erfolg hätte an-
knüpfen können, dieß jedoch nicht that, sondern ganz auf den vor
1845 entstandenen Gedankengang zurückgriff. Es wurde schon
im vorigen Capitel darauf hingewiesen, wie Mohl seine 1836 aufge-
stellte Theorie von der Interzellularsubstanz nach und nach ein-
schränkte, und dieselbe um 1850 nur noch als einen in manchen
Fällen sichtbaren Kitt zwischen den Zellwänden gelten ließ. Es
ist hier nachzutragen, daß Schleiden im Zusammenhang mit
seiner Zellentheorie die Interzellularsubstanz ebenso wie die Cu-
ticula als nachträgliche Ausscheidungen der Zellen betrachtete,
die Interzellularräume durch jene sich füllen ließ, ähnlich wie
milch- und harzführende Gänge durch die Sekrete ihrer Grenz-
zellen (1845). Auch Unger hielt noch 1855 ("Anatomie und
Physiologie der Pflanzen") die Existenz eines Kittes zwischen den
Zellen für nöthig, damit sie nicht auseinanderfallen. Schacht,
der schon in seiner "Pflanzenzelle" 1852 die Interzellularsubstanz
und die Cuticula im Anschluß an Schleiden für Ausscheidungen
oder Excrete der Zellen genommen hatte, hielt im Ganzen auch
1858 noch an dieser Vorstellung fest, wenn er sie auch in einigen
wichtigeren Puncten modificirte. Dieser Schleiden- Schacht-
schen Theorie trat zuerst Wigand in einer Reihe von Abhand-
lungen 1850-1861 entgegen, wo er in strenger Festhaltung
der Mohl'schen Appositionstheorie nachzuweisen suchte, daß
diejenigen Schichten, welche zumal bei Holzzellen als mittlere
Lamellen in den Scheidewänden sichtbar sind, und welche man
bisher als einen Kitt zwischen den benachbarten Zellen, als Inter-
zellularsubstanz, betrachtet hatte, weiter nichts seien, als die pri-
mären dünnen, bei der Zelltheilung entstandenen Hautlamellen,
die eine nachträgliche chemische Veränderung erfahren haben,
während sich beiderseits die sekundären Verdickungsschichten im
Sinne Mohl's anlagerten. Eine entsprechende Deutung erhielt die
Cuticula auf der Epidermis. Wenn später auch Sanio (1863)
gegen Wigand's Auffassung Verschiedenes einzuwenden hatte,
so hielt er doch den Grundgedanken derselben fest, der eine um
so kräftigere Bestätigung dadurch zu gewinnen schien, daß es ihm

Entwicklungsgeſchichte der Zelle, Entſtehung der
vierziger Jahren an die neue Zellentheorie mit Erfolg hätte an-
knüpfen können, dieß jedoch nicht that, ſondern ganz auf den vor
1845 entſtandenen Gedankengang zurückgriff. Es wurde ſchon
im vorigen Capitel darauf hingewieſen, wie Mohl ſeine 1836 aufge-
ſtellte Theorie von der Interzellularſubſtanz nach und nach ein-
ſchränkte, und dieſelbe um 1850 nur noch als einen in manchen
Fällen ſichtbaren Kitt zwiſchen den Zellwänden gelten ließ. Es
iſt hier nachzutragen, daß Schleiden im Zuſammenhang mit
ſeiner Zellentheorie die Interzellularſubſtanz ebenſo wie die Cu-
ticula als nachträgliche Ausſcheidungen der Zellen betrachtete,
die Interzellularräume durch jene ſich füllen ließ, ähnlich wie
milch- und harzführende Gänge durch die Sekrete ihrer Grenz-
zellen (1845). Auch Unger hielt noch 1855 („Anatomie und
Phyſiologie der Pflanzen“) die Exiſtenz eines Kittes zwiſchen den
Zellen für nöthig, damit ſie nicht auseinanderfallen. Schacht,
der ſchon in ſeiner „Pflanzenzelle“ 1852 die Interzellularſubſtanz
und die Cuticula im Anſchluß an Schleiden für Ausſcheidungen
oder Excrete der Zellen genommen hatte, hielt im Ganzen auch
1858 noch an dieſer Vorſtellung feſt, wenn er ſie auch in einigen
wichtigeren Puncten modificirte. Dieſer Schleiden- Schacht-
ſchen Theorie trat zuerſt Wigand in einer Reihe von Abhand-
lungen 1850-1861 entgegen, wo er in ſtrenger Feſthaltung
der Mohl'ſchen Appoſitionstheorie nachzuweiſen ſuchte, daß
diejenigen Schichten, welche zumal bei Holzzellen als mittlere
Lamellen in den Scheidewänden ſichtbar ſind, und welche man
bisher als einen Kitt zwiſchen den benachbarten Zellen, als Inter-
zellularſubſtanz, betrachtet hatte, weiter nichts ſeien, als die pri-
mären dünnen, bei der Zelltheilung entſtandenen Hautlamellen,
die eine nachträgliche chemiſche Veränderung erfahren haben,
während ſich beiderſeits die ſekundären Verdickungsſchichten im
Sinne Mohl's anlagerten. Eine entſprechende Deutung erhielt die
Cuticula auf der Epidermis. Wenn ſpäter auch Sanio (1863)
gegen Wigand's Auffaſſung Verſchiedenes einzuwenden hatte,
ſo hielt er doch den Grundgedanken derſelben feſt, der eine um
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[368/0380] Entwicklungsgeſchichte der Zelle, Entſtehung der vierziger Jahren an die neue Zellentheorie mit Erfolg hätte an- knüpfen können, dieß jedoch nicht that, ſondern ganz auf den vor 1845 entſtandenen Gedankengang zurückgriff. Es wurde ſchon im vorigen Capitel darauf hingewieſen, wie Mohl ſeine 1836 aufge- ſtellte Theorie von der Interzellularſubſtanz nach und nach ein- ſchränkte, und dieſelbe um 1850 nur noch als einen in manchen Fällen ſichtbaren Kitt zwiſchen den Zellwänden gelten ließ. Es iſt hier nachzutragen, daß Schleiden im Zuſammenhang mit ſeiner Zellentheorie die Interzellularſubſtanz ebenſo wie die Cu- ticula als nachträgliche Ausſcheidungen der Zellen betrachtete, die Interzellularräume durch jene ſich füllen ließ, ähnlich wie milch- und harzführende Gänge durch die Sekrete ihrer Grenz- zellen (1845). Auch Unger hielt noch 1855 („Anatomie und Phyſiologie der Pflanzen“) die Exiſtenz eines Kittes zwiſchen den Zellen für nöthig, damit ſie nicht auseinanderfallen. Schacht, der ſchon in ſeiner „Pflanzenzelle“ 1852 die Interzellularſubſtanz und die Cuticula im Anſchluß an Schleiden für Ausſcheidungen oder Excrete der Zellen genommen hatte, hielt im Ganzen auch 1858 noch an dieſer Vorſtellung feſt, wenn er ſie auch in einigen wichtigeren Puncten modificirte. Dieſer Schleiden- Schacht- ſchen Theorie trat zuerſt Wigand in einer Reihe von Abhand- lungen 1850-1861 entgegen, wo er in ſtrenger Feſthaltung der Mohl'ſchen Appoſitionstheorie nachzuweiſen ſuchte, daß diejenigen Schichten, welche zumal bei Holzzellen als mittlere Lamellen in den Scheidewänden ſichtbar ſind, und welche man bisher als einen Kitt zwiſchen den benachbarten Zellen, als Inter- zellularſubſtanz, betrachtet hatte, weiter nichts ſeien, als die pri- mären dünnen, bei der Zelltheilung entſtandenen Hautlamellen, die eine nachträgliche chemiſche Veränderung erfahren haben, während ſich beiderſeits die ſekundären Verdickungsſchichten im Sinne Mohl's anlagerten. Eine entſprechende Deutung erhielt die Cuticula auf der Epidermis. Wenn ſpäter auch Sanio (1863) gegen Wigand's Auffaſſung Verſchiedenes einzuwenden hatte, ſo hielt er doch den Grundgedanken derſelben feſt, der eine um ſo kräftigere Beſtätigung dadurch zu gewinnen ſchien, daß es ihm

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Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 368. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/380>, abgerufen am 26.04.2024.