Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

Bild:
<< vorherige Seite

Geschichte der Ernährungstheorie der Pflanzen.
anderen in einen festen Zustand versetzt werden, so mußten sie
mit der Eigenschaft begabt sein, ihren elastischen Zustand wieder
anzunehmen, wenn sie von der attraktiven Masse befreit werden.
So bestehe ein beständiger Kreislauf von Bildung und Auflösung
animalischer und vegetabilischer Körper. Die Luft sei nun sehr
wichtig bei der Erzeugung und dem Wachsthum der Thiere und
Pflanzen in zweifacher Weise; sie gebe ihren Säften Kraft (by
invigorating
), so lange sie sich im elastischen Zustand befinde,
sie trage aber auch viel zur festen Vereinigung der constituirenden
Theile bei, wenn sie fixirt worden ist.

Man sieht, wie gut Hales mit dem geringen Capital phy-
sikalischer und chemischer Begriffe seiner Zeit Haus zu halten
wußte und es verstand, sich damit auf einen hohen Standpunct
zu stellen, der ihn die Vegetationserscheinungen in ihren wich-
tigsten Beziehungen zur übrigen Natur, in ihrem inneren Verlauf
und Zusammenhang verstehen ließ. Seine Nachfolger aber ver-
standen die principielle Bedeutung dieser Betrachtungen nicht und
und ließen den so fruchtbaren Gedanken, daß ein sehr großer
Theil der Pflanzensubstanz aus der Luft und nicht aus Wasser
und Erde stammt, unbenutzt liegen, um sich immer wieder
darüber zu verwundern, daß doch nur so wenig von der Erde
an die Pflanze abgegeben wird, wie schon van Helmont ge-
zeigt hatte, ohne daß man aber mit diesem eine Verwandlung
des Wassers in Pflanzensubstanz offen annahm. -- Indem man
so das Princip verlor, welches schon lange vor Ingen-Houß die
wichtigste Beziehung der Pflanze zur Außenwelt, ihre Ernährung
durch Bestandtheile der Atmosphäre, genügend erklären konnte
und es verabsäumte diesen Gedanken experimentell weiter zu
verfolgen, citirte und wiederholte man immer wieder die einzelnen
Versuche und Beobachtungen des Hales, ohne das Band zu
beachten, welches bei ihm diese einzelnen Wahrnehmungen ver-
knüpfte.

Mit Hales schließt die Reihe der hervorragenden Natur-
forscher, welche die Pflanzenphysiologie zuerst begründeten. So
fremd uns auch Manches bei ihnen anmuthet, sie waren es doch,

Geſchichte der Ernährungstheorie der Pflanzen.
anderen in einen feſten Zuſtand verſetzt werden, ſo mußten ſie
mit der Eigenſchaft begabt ſein, ihren elaſtiſchen Zuſtand wieder
anzunehmen, wenn ſie von der attraktiven Maſſe befreit werden.
So beſtehe ein beſtändiger Kreislauf von Bildung und Auflöſung
animaliſcher und vegetabiliſcher Körper. Die Luft ſei nun ſehr
wichtig bei der Erzeugung und dem Wachsthum der Thiere und
Pflanzen in zweifacher Weiſe; ſie gebe ihren Säften Kraft (by
invigorating
), ſo lange ſie ſich im elaſtiſchen Zuſtand befinde,
ſie trage aber auch viel zur feſten Vereinigung der conſtituirenden
Theile bei, wenn ſie fixirt worden iſt.

Man ſieht, wie gut Hales mit dem geringen Capital phy-
ſikaliſcher und chemiſcher Begriffe ſeiner Zeit Haus zu halten
wußte und es verſtand, ſich damit auf einen hohen Standpunct
zu ſtellen, der ihn die Vegetationserſcheinungen in ihren wich-
tigſten Beziehungen zur übrigen Natur, in ihrem inneren Verlauf
und Zuſammenhang verſtehen ließ. Seine Nachfolger aber ver-
ſtanden die principielle Bedeutung dieſer Betrachtungen nicht und
und ließen den ſo fruchtbaren Gedanken, daß ein ſehr großer
Theil der Pflanzenſubſtanz aus der Luft und nicht aus Waſſer
und Erde ſtammt, unbenutzt liegen, um ſich immer wieder
darüber zu verwundern, daß doch nur ſo wenig von der Erde
an die Pflanze abgegeben wird, wie ſchon van Helmont ge-
zeigt hatte, ohne daß man aber mit dieſem eine Verwandlung
des Waſſers in Pflanzenſubſtanz offen annahm. — Indem man
ſo das Princip verlor, welches ſchon lange vor Ingen-Houß die
wichtigſte Beziehung der Pflanze zur Außenwelt, ihre Ernährung
durch Beſtandtheile der Atmoſphäre, genügend erklären konnte
und es verabſäumte dieſen Gedanken experimentell weiter zu
verfolgen, citirte und wiederholte man immer wieder die einzelnen
Verſuche und Beobachtungen des Hales, ohne das Band zu
beachten, welches bei ihm dieſe einzelnen Wahrnehmungen ver-
knüpfte.

Mit Hales ſchließt die Reihe der hervorragenden Natur-
forſcher, welche die Pflanzenphyſiologie zuerſt begründeten. So
fremd uns auch Manches bei ihnen anmuthet, ſie waren es doch,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0532" n="520"/><fw place="top" type="header">Ge&#x017F;chichte der Ernährungstheorie der Pflanzen.</fw><lb/>
anderen in einen fe&#x017F;ten Zu&#x017F;tand ver&#x017F;etzt werden, &#x017F;o mußten &#x017F;ie<lb/>
mit der Eigen&#x017F;chaft begabt &#x017F;ein, ihren ela&#x017F;ti&#x017F;chen Zu&#x017F;tand wieder<lb/>
anzunehmen, wenn &#x017F;ie von der attraktiven Ma&#x017F;&#x017F;e befreit werden.<lb/>
So be&#x017F;tehe ein be&#x017F;tändiger Kreislauf von Bildung und Auflö&#x017F;ung<lb/>
animali&#x017F;cher und vegetabili&#x017F;cher Körper. Die Luft &#x017F;ei nun &#x017F;ehr<lb/>
wichtig bei der Erzeugung und dem Wachsthum der Thiere und<lb/>
Pflanzen in zweifacher Wei&#x017F;e; &#x017F;ie gebe ihren Säften Kraft (<hi rendition="#aq">by<lb/>
invigorating</hi>), &#x017F;o lange &#x017F;ie &#x017F;ich im ela&#x017F;ti&#x017F;chen Zu&#x017F;tand befinde,<lb/>
&#x017F;ie trage aber auch viel zur fe&#x017F;ten Vereinigung der con&#x017F;tituirenden<lb/>
Theile bei, wenn &#x017F;ie fixirt worden i&#x017F;t.</p><lb/>
            <p>Man &#x017F;ieht, wie gut Hales mit dem geringen Capital phy-<lb/>
&#x017F;ikali&#x017F;cher und chemi&#x017F;cher Begriffe &#x017F;einer Zeit Haus zu halten<lb/>
wußte und es ver&#x017F;tand, &#x017F;ich damit auf einen hohen Standpunct<lb/>
zu &#x017F;tellen, der ihn die Vegetationser&#x017F;cheinungen in ihren wich-<lb/>
tig&#x017F;ten Beziehungen zur übrigen Natur, in ihrem inneren Verlauf<lb/>
und Zu&#x017F;ammenhang ver&#x017F;tehen ließ. Seine Nachfolger aber ver-<lb/>
&#x017F;tanden die principielle Bedeutung die&#x017F;er Betrachtungen nicht und<lb/>
und ließen den &#x017F;o fruchtbaren Gedanken, daß ein &#x017F;ehr großer<lb/>
Theil der Pflanzen&#x017F;ub&#x017F;tanz aus der Luft und nicht aus Wa&#x017F;&#x017F;er<lb/>
und Erde &#x017F;tammt, unbenutzt liegen, um &#x017F;ich immer wieder<lb/>
darüber zu verwundern, daß doch nur &#x017F;o wenig von der Erde<lb/>
an die Pflanze abgegeben wird, wie &#x017F;chon van <hi rendition="#g">Helmont</hi> ge-<lb/>
zeigt hatte, ohne daß man aber mit die&#x017F;em eine Verwandlung<lb/>
des Wa&#x017F;&#x017F;ers in Pflanzen&#x017F;ub&#x017F;tanz offen annahm. &#x2014; Indem man<lb/>
&#x017F;o das Princip verlor, welches &#x017F;chon lange vor <hi rendition="#g">Ingen</hi>-<hi rendition="#g">Houß</hi> die<lb/>
wichtig&#x017F;te Beziehung der Pflanze zur Außenwelt, ihre Ernährung<lb/>
durch Be&#x017F;tandtheile der Atmo&#x017F;phäre, genügend erklären konnte<lb/>
und es verab&#x017F;äumte die&#x017F;en Gedanken experimentell weiter zu<lb/>
verfolgen, citirte und wiederholte man immer wieder die einzelnen<lb/>
Ver&#x017F;uche und Beobachtungen des Hales, ohne das Band zu<lb/>
beachten, welches bei ihm die&#x017F;e einzelnen Wahrnehmungen ver-<lb/>
knüpfte.</p><lb/>
            <p>Mit Hales &#x017F;chließt die Reihe der hervorragenden Natur-<lb/>
for&#x017F;cher, welche die Pflanzenphy&#x017F;iologie zuer&#x017F;t begründeten. So<lb/>
fremd uns auch Manches bei ihnen anmuthet, &#x017F;ie waren es doch,<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[520/0532] Geſchichte der Ernährungstheorie der Pflanzen. anderen in einen feſten Zuſtand verſetzt werden, ſo mußten ſie mit der Eigenſchaft begabt ſein, ihren elaſtiſchen Zuſtand wieder anzunehmen, wenn ſie von der attraktiven Maſſe befreit werden. So beſtehe ein beſtändiger Kreislauf von Bildung und Auflöſung animaliſcher und vegetabiliſcher Körper. Die Luft ſei nun ſehr wichtig bei der Erzeugung und dem Wachsthum der Thiere und Pflanzen in zweifacher Weiſe; ſie gebe ihren Säften Kraft (by invigorating), ſo lange ſie ſich im elaſtiſchen Zuſtand befinde, ſie trage aber auch viel zur feſten Vereinigung der conſtituirenden Theile bei, wenn ſie fixirt worden iſt. Man ſieht, wie gut Hales mit dem geringen Capital phy- ſikaliſcher und chemiſcher Begriffe ſeiner Zeit Haus zu halten wußte und es verſtand, ſich damit auf einen hohen Standpunct zu ſtellen, der ihn die Vegetationserſcheinungen in ihren wich- tigſten Beziehungen zur übrigen Natur, in ihrem inneren Verlauf und Zuſammenhang verſtehen ließ. Seine Nachfolger aber ver- ſtanden die principielle Bedeutung dieſer Betrachtungen nicht und und ließen den ſo fruchtbaren Gedanken, daß ein ſehr großer Theil der Pflanzenſubſtanz aus der Luft und nicht aus Waſſer und Erde ſtammt, unbenutzt liegen, um ſich immer wieder darüber zu verwundern, daß doch nur ſo wenig von der Erde an die Pflanze abgegeben wird, wie ſchon van Helmont ge- zeigt hatte, ohne daß man aber mit dieſem eine Verwandlung des Waſſers in Pflanzenſubſtanz offen annahm. — Indem man ſo das Princip verlor, welches ſchon lange vor Ingen-Houß die wichtigſte Beziehung der Pflanze zur Außenwelt, ihre Ernährung durch Beſtandtheile der Atmoſphäre, genügend erklären konnte und es verabſäumte dieſen Gedanken experimentell weiter zu verfolgen, citirte und wiederholte man immer wieder die einzelnen Verſuche und Beobachtungen des Hales, ohne das Band zu beachten, welches bei ihm dieſe einzelnen Wahrnehmungen ver- knüpfte. Mit Hales ſchließt die Reihe der hervorragenden Natur- forſcher, welche die Pflanzenphyſiologie zuerſt begründeten. So fremd uns auch Manches bei ihnen anmuthet, ſie waren es doch,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/532
Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 520. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/532>, abgerufen am 26.04.2024.