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Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783.

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Geschlecht der Pflanzen, von gefüllten und saamenlosen
Blumen die Rede ist. Hierauf besuchte ich die

Stadtbibliothek. Ich hatte gestern an Hrn. Rek-
tor Rose in die lateinische Schule geschickt, um das er-
ste Buch
von Lorenz Coster zu sehen. Um 11. Uhr,
da die Klasse aufhörte, war ich bestellt. Der Mann
ging im Schlafrocke über die Strasse mit mir nach der
Bibliothek. In Holland macht man sich darüber kein
Bedenken, und ich fand das sehr vernünftig *). Die
Bibliotheck ist nicht unbeträchtlich, das Buch aber, das
mich eigentlich hinauf trieb, ist das Speculum salvatio-
nis humanae
,
und gleich beim ersten Blicke sah ich, daß
es völlig das nämliche war, das ich in Paris in der
Bibliotheck der Sorbonne gesehen hatte, eben die drol-
lichten Holzschnitte, eben die lateinischen Unterschriften,
eben der holländische Text, aber ohne Titel. Hr. En-
schede
besitzt es auch, und zwar mit dem Titel. Hier
war noch ein Stück vom Curtius daran gebunden, der
aber schon viel neuer, schon auf beiden Seiten gedruckt
war, denn jenes Buch ist immer nur auf einer Seite,
darzwischen ist ein Mönch, wie es heist. -- So waren
die Initia artis typographicae. -- Es sind 2. Kupfer-
stiche von Adrianus Romanus gestochen dabei, Lorenz

Coster's
*) Dem Fremden aber fällts doch sehr auf, in allen gros-
sen Städten Hollands, Mannspersonen in Schlafrö-
cken, mit der Perücke und dem Hute auf dem Kopfe,
auf den Strassen herum gehen zu sehen. In solchen
nachlässigen Anzuge sieht man in Amsterdam auf
der Börse, auf den Kaffehäusern etc. viele, besonders
Kaufleute, im Haag aber nicht, weil da schon feine-
re Lebensart herrscht. Herausgeber.

Geſchlecht der Pflanzen, von gefuͤllten und ſaamenloſen
Blumen die Rede iſt. Hierauf beſuchte ich die

Stadtbibliothek. Ich hatte geſtern an Hrn. Rek-
tor Roſe in die lateiniſche Schule geſchickt, um das er-
ſte Buch
von Lorenz Coſter zu ſehen. Um 11. Uhr,
da die Klaſſe aufhoͤrte, war ich beſtellt. Der Mann
ging im Schlafrocke uͤber die Straſſe mit mir nach der
Bibliothek. In Holland macht man ſich daruͤber kein
Bedenken, und ich fand das ſehr vernuͤnftig *). Die
Bibliotheck iſt nicht unbetraͤchtlich, das Buch aber, das
mich eigentlich hinauf trieb, iſt das Speculum ſalvatio-
nis humanae
,
und gleich beim erſten Blicke ſah ich, daß
es voͤllig das naͤmliche war, das ich in Paris in der
Bibliotheck der Sorbonne geſehen hatte, eben die drol-
lichten Holzſchnitte, eben die lateiniſchen Unterſchriften,
eben der hollaͤndiſche Text, aber ohne Titel. Hr. En-
ſchede
beſitzt es auch, und zwar mit dem Titel. Hier
war noch ein Stuͤck vom Curtius daran gebunden, der
aber ſchon viel neuer, ſchon auf beiden Seiten gedruckt
war, denn jenes Buch iſt immer nur auf einer Seite,
darzwiſchen iſt ein Moͤnch, wie es heiſt. — So waren
die Initia artis typographicae. — Es ſind 2. Kupfer-
ſtiche von Adrianus Romanus geſtochen dabei, Lorenz

Coſter’s
*) Dem Fremden aber faͤllts doch ſehr auf, in allen groſ-
ſen Staͤdten Hollands, Mannsperſonen in Schlafroͤ-
cken, mit der Peruͤcke und dem Hute auf dem Kopfe,
auf den Straſſen herum gehen zu ſehen. In ſolchen
nachlaͤſſigen Anzuge ſieht man in Amſterdam auf
der Boͤrſe, auf den Kaffehaͤuſern ꝛc. viele, beſonders
Kaufleute, im Haag aber nicht, weil da ſchon feine-
re Lebensart herrſcht. Herausgeber.
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[539/0563] Geſchlecht der Pflanzen, von gefuͤllten und ſaamenloſen Blumen die Rede iſt. Hierauf beſuchte ich die Stadtbibliothek. Ich hatte geſtern an Hrn. Rek- tor Roſe in die lateiniſche Schule geſchickt, um das er- ſte Buch von Lorenz Coſter zu ſehen. Um 11. Uhr, da die Klaſſe aufhoͤrte, war ich beſtellt. Der Mann ging im Schlafrocke uͤber die Straſſe mit mir nach der Bibliothek. In Holland macht man ſich daruͤber kein Bedenken, und ich fand das ſehr vernuͤnftig *). Die Bibliotheck iſt nicht unbetraͤchtlich, das Buch aber, das mich eigentlich hinauf trieb, iſt das Speculum ſalvatio- nis humanae, und gleich beim erſten Blicke ſah ich, daß es voͤllig das naͤmliche war, das ich in Paris in der Bibliotheck der Sorbonne geſehen hatte, eben die drol- lichten Holzſchnitte, eben die lateiniſchen Unterſchriften, eben der hollaͤndiſche Text, aber ohne Titel. Hr. En- ſchede beſitzt es auch, und zwar mit dem Titel. Hier war noch ein Stuͤck vom Curtius daran gebunden, der aber ſchon viel neuer, ſchon auf beiden Seiten gedruckt war, denn jenes Buch iſt immer nur auf einer Seite, darzwiſchen iſt ein Moͤnch, wie es heiſt. — So waren die Initia artis typographicae. — Es ſind 2. Kupfer- ſtiche von Adrianus Romanus geſtochen dabei, Lorenz Coſter’s *) Dem Fremden aber faͤllts doch ſehr auf, in allen groſ- ſen Staͤdten Hollands, Mannsperſonen in Schlafroͤ- cken, mit der Peruͤcke und dem Hute auf dem Kopfe, auf den Straſſen herum gehen zu ſehen. In ſolchen nachlaͤſſigen Anzuge ſieht man in Amſterdam auf der Boͤrſe, auf den Kaffehaͤuſern ꝛc. viele, beſonders Kaufleute, im Haag aber nicht, weil da ſchon feine- re Lebensart herrſcht. Herausgeber.

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Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 539. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/563>, abgerufen am 27.04.2024.