Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784.

Bild:
<< vorherige Seite

Hrn. Adjunktus Am Ende, einem soliden, fleissigen, in
der Reformationsgeschichte wohl belesenen Gelehrten; Hrn.
Pfarrer Serpilius aus Ungarn, der gute Mann
war krank, hat ein ehrliches Gesicht; er sagte mir, daß
er noch willens sei, eine Ungarische Kirchengeschichte
herauszugeben. Zwei Kandidaten Steck und Serpilius,
faule, dicke Bäuche, sprach ich auch noch.

Auch bekam ich heute von verschiedenen Katholicken
und Protestanten, die meine Schriften haben, viel ehr-
lich gutgemeinte Danksagungen. Einer meinte, ich
müste wenigstens 80. Jahr alt seyn.

Abends wohnte ich einem Konzerte bei.

Bemerkungen.

In der Stadt herrscht viel Wohlleben. Zu allen
Zeiten am Tage präsentirt man Kaffe, Chokolade, Wein,
Liqueurs: 3-4mahl nimmts mancher in einem Tage.
Bei Namens- und Geburtstagen muß gratulirt werden.

Die alten Frauen hier sagen noch Mein Herr vom
Manne, bei meinem seel. Herrn, und gehen ganz be-
scheiden, die Töchter aber übertreiben den Staat etc.

Die Stadt ist altfränkisch gebaut, hat aber schöne
Gegenden, viel Holzflössen auf dem Wertach, hat auch
viel Nahrung von den Wallfahrten zum Grabe der heil.
Crescentia, deren Wunder selbst Fürst Martin von
St. Blasien glaubt!

Gutes Scheidlinger Badwasser hat man hier, auch
zum Trinken. Es sind wohl 70. Quellen, die warm im
Winter, und kalt im Sommer sind. Es ward nach
dem Lissaboner Erdbeben stärker befunden, als vorher;

ver-
Zweiter Theil. E e

Hrn. Adjunktus Am Ende, einem ſoliden, fleiſſigen, in
der Reformationsgeſchichte wohl beleſenen Gelehrten; Hrn.
Pfarrer Serpilius aus Ungarn, der gute Mann
war krank, hat ein ehrliches Geſicht; er ſagte mir, daß
er noch willens ſei, eine Ungariſche Kirchengeſchichte
herauszugeben. Zwei Kandidaten Steck und Serpilius,
faule, dicke Baͤuche, ſprach ich auch noch.

Auch bekam ich heute von verſchiedenen Katholicken
und Proteſtanten, die meine Schriften haben, viel ehr-
lich gutgemeinte Dankſagungen. Einer meinte, ich
muͤſte wenigſtens 80. Jahr alt ſeyn.

Abends wohnte ich einem Konzerte bei.

Bemerkungen.

In der Stadt herrſcht viel Wohlleben. Zu allen
Zeiten am Tage praͤſentirt man Kaffe, Chokolade, Wein,
Liqueurs: 3-4mahl nimmts mancher in einem Tage.
Bei Namens- und Geburtstagen muß gratulirt werden.

Die alten Frauen hier ſagen noch Mein Herr vom
Manne, bei meinem ſeel. Herrn, und gehen ganz be-
ſcheiden, die Toͤchter aber uͤbertreiben den Staat ꝛc.

Die Stadt iſt altfraͤnkiſch gebaut, hat aber ſchoͤne
Gegenden, viel Holzfloͤſſen auf dem Wertach, hat auch
viel Nahrung von den Wallfahrten zum Grabe der heil.
Creſcentia, deren Wunder ſelbſt Fuͤrſt Martin von
St. Blaſien glaubt!

Gutes Scheidlinger Badwaſſer hat man hier, auch
zum Trinken. Es ſind wohl 70. Quellen, die warm im
Winter, und kalt im Sommer ſind. Es ward nach
dem Liſſaboner Erdbeben ſtaͤrker befunden, als vorher;

ver-
Zweiter Theil. E e
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="2">
            <div n="3">
              <p><pb facs="#f0471" n="433"/>
Hrn. Adjunktus <hi rendition="#fr">Am Ende,</hi> einem &#x017F;oliden, flei&#x017F;&#x017F;igen, in<lb/>
der Reformationsge&#x017F;chichte wohl bele&#x017F;enen Gelehrten; Hrn.<lb/>
Pfarrer <hi rendition="#fr">Serpilius</hi> aus <hi rendition="#fr">Ungarn,</hi> der gute Mann<lb/>
war krank, hat ein ehrliches Ge&#x017F;icht; er &#x017F;agte mir, daß<lb/>
er noch willens &#x017F;ei, eine <hi rendition="#fr">Unga</hi>ri&#x017F;che Kirchenge&#x017F;chichte<lb/>
herauszugeben. Zwei Kandidaten <hi rendition="#fr">Steck</hi> und <hi rendition="#fr">Serpilius,</hi><lb/>
faule, dicke Ba&#x0364;uche, &#x017F;prach ich auch noch.</p><lb/>
              <p>Auch bekam ich heute von ver&#x017F;chiedenen Katholicken<lb/>
und Prote&#x017F;tanten, die meine Schriften haben, viel ehr-<lb/>
lich gutgemeinte Dank&#x017F;agungen. Einer meinte, ich<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;te wenig&#x017F;tens 80. Jahr alt &#x017F;eyn.</p><lb/>
              <p>Abends wohnte ich einem Konzerte bei.</p>
            </div><lb/>
            <div n="3">
              <head> <hi rendition="#b">Bemerkungen.</hi> </head><lb/>
              <p>In der Stadt herr&#x017F;cht viel <hi rendition="#fr">Wohlleben.</hi> Zu allen<lb/>
Zeiten am Tage pra&#x0364;&#x017F;entirt man Kaffe, Chokolade, Wein,<lb/>
Liqueurs: 3-4mahl nimmts mancher in einem Tage.<lb/>
Bei Namens- und Geburtstagen muß gratulirt werden.</p><lb/>
              <p>Die alten <hi rendition="#fr">Frauen</hi> hier &#x017F;agen noch <hi rendition="#fr">Mein Herr</hi> vom<lb/>
Manne, <hi rendition="#fr">bei meinem &#x017F;eel. Herrn,</hi> und gehen ganz be-<lb/>
&#x017F;cheiden, die To&#x0364;chter aber u&#x0364;bertreiben den Staat &#xA75B;c.</p><lb/>
              <p>Die Stadt i&#x017F;t <hi rendition="#fr">altfra&#x0364;nki&#x017F;ch</hi> gebaut, hat aber &#x017F;cho&#x0364;ne<lb/>
Gegenden, viel Holzflo&#x0364;&#x017F;&#x017F;en auf dem <hi rendition="#fr">Wertach,</hi> hat auch<lb/>
viel Nahrung von den Wallfahrten zum Grabe der heil.<lb/><hi rendition="#fr">Cre&#x017F;centia,</hi> deren Wunder &#x017F;elb&#x017F;t Fu&#x0364;r&#x017F;t <hi rendition="#fr">Martin</hi> von<lb/><hi rendition="#fr">St. Bla&#x017F;ien</hi> glaubt!</p><lb/>
              <p>Gutes <hi rendition="#fr">Scheidlinger</hi> Badwa&#x017F;&#x017F;er hat man hier, auch<lb/>
zum Trinken. Es &#x017F;ind wohl 70. Quellen, die warm im<lb/>
Winter, und kalt im Sommer &#x017F;ind. Es ward nach<lb/>
dem <hi rendition="#fr">Li&#x017F;&#x017F;abon</hi>er Erdbeben &#x017F;ta&#x0364;rker befunden, als vorher;<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#fr">Zweiter Theil.</hi> E e</fw><fw place="bottom" type="catch">ver-</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[433/0471] Hrn. Adjunktus Am Ende, einem ſoliden, fleiſſigen, in der Reformationsgeſchichte wohl beleſenen Gelehrten; Hrn. Pfarrer Serpilius aus Ungarn, der gute Mann war krank, hat ein ehrliches Geſicht; er ſagte mir, daß er noch willens ſei, eine Ungariſche Kirchengeſchichte herauszugeben. Zwei Kandidaten Steck und Serpilius, faule, dicke Baͤuche, ſprach ich auch noch. Auch bekam ich heute von verſchiedenen Katholicken und Proteſtanten, die meine Schriften haben, viel ehr- lich gutgemeinte Dankſagungen. Einer meinte, ich muͤſte wenigſtens 80. Jahr alt ſeyn. Abends wohnte ich einem Konzerte bei. Bemerkungen. In der Stadt herrſcht viel Wohlleben. Zu allen Zeiten am Tage praͤſentirt man Kaffe, Chokolade, Wein, Liqueurs: 3-4mahl nimmts mancher in einem Tage. Bei Namens- und Geburtstagen muß gratulirt werden. Die alten Frauen hier ſagen noch Mein Herr vom Manne, bei meinem ſeel. Herrn, und gehen ganz be- ſcheiden, die Toͤchter aber uͤbertreiben den Staat ꝛc. Die Stadt iſt altfraͤnkiſch gebaut, hat aber ſchoͤne Gegenden, viel Holzfloͤſſen auf dem Wertach, hat auch viel Nahrung von den Wallfahrten zum Grabe der heil. Creſcentia, deren Wunder ſelbſt Fuͤrſt Martin von St. Blaſien glaubt! Gutes Scheidlinger Badwaſſer hat man hier, auch zum Trinken. Es ſind wohl 70. Quellen, die warm im Winter, und kalt im Sommer ſind. Es ward nach dem Liſſaboner Erdbeben ſtaͤrker befunden, als vorher; ver- Zweiter Theil. E e

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/471
Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 433. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/471>, abgerufen am 26.04.2024.