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Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 1,2. Nürnberg, 1675.

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[Spaltenumbruch] daß man gleichsam/ wie der Geist ein Glied nach dem andern wieder von neuem berühret/ regt und bewegt/ gesehen.

Noch mehr Werke von seiner Hand. Er wurde zu Cajano angenommen/ einen Saal auszumahlen/ aber er machte daselbst nichts als den Carton, in dem einen den Hercules, wie er Antheum erleget/ und in dem andern die Venus und den Adonis, neben noch andern Vorstellungen von nackenden Bildern. Er mahlte auch noch einen andern Carton, von Michäel Angelo und Magdalena in dem Garten/ so unter die guten Werke gerechnet worden/ wiederum eine Venus mit Cupido, welcher sie küsset. Nachmalen nahme er ihm für/ der Manier Buonarotti zu folgen/ Er Arbeitet lieber für gemeine Leute/ als für grosse Herrn. hatte einen Gebrauch/ daß er oftmals für große Herren/ welche wol belohnen/ nicht arbeiten/ hingegen wol für gemeine und schlechte Leute um einen geringen Preiß was färtig machen mögen/ so/ daß er für einen Steinmetzen/ welcher sein Hauß gebauet/ so lang gemahlt/ als lang er an seinem Hauß gearbeitet/ welches aber noch nicht genug war/ sondern er gab ihm noch einige Stuck darzu. Unter andern auch ein Contrafe von Raphäel d' Urbin gemacht. Sehr geneigt ist er seinem discipul Brunzino, welcher sehr wol gearbeitet/ und ihme viel Dinge mit seinem Carton machen helffen/ gewesen

Mahlet zu Florenz die Capelle S. Laurentii. Es wurde ihm von dem Herzog von Florenz die Capell des heiligen Laurenzii zu machen bestelt/ welche Arbeit er so lang aufgezogen/ daß in eilf Jahren niemand/ weder Freund noch Feind/ kein Mensch/ noch einig lebende Seele/ von ihm darein gelassen worden/ und als etliche Mahler auf den Leiteren hinauf gestiegen/ um heimlich hinein zu sehen/ hat es ihn sehr verdrossen: Dieses aber/ wie man sagt/ hat er derenthalben gethan/ um in solchem Werk alle andere weitberühmte Künstlere/ auch Michäel Angelo selbst/ zu übertreffen. Er machte in die oberste Historie Adam und Eva/ die Sündflut/ und wie Noa in die Archen ziehet/ zur Erden vornen die große Wasserflüß und unzahlbare todte Leichnam/ auch wie Noa mit GOtt redet: Zur andern Seiten mahlte er das Jüngste Gericht/ ganz und gar confus und in einer Unordnung/ die Nackende ohne Unterschied/ daß es ein närrisches Gemähl zu seyn scheinet/ nämlich einen jeden dardurch recht rasend und von Sinnen vorzubilden/ darbey man aber auch sehr schöne posturen der Leichnam merken und warnehmen kan/ als welche mit großem Fleiß und Verstand von ihm herbey gebracht.[Spaltenumbruch] Von allem hat er Modellen aus Erden gemacht/ aber doch keine Maß darinnen gehalten/ womit Indem er gar zu gut arbeiten wil/ mahlet er schlechter. er dann alle andere Gemählde der Künstler zu übertreffen vermeint/ doch hat er mit solchen seine eigene vorhergemachte Werk nicht erreichet/ worbey dieses zu merken/ daß es gar oft zu geschehen pflege/ wo man die von sich selbst milde Natur zwingen will/ man alsdann eher das jenige verderben könne/ was sonst an ihm selbsten sehr gut wäre. Mit den jenigen aber/ welche ihre Kunst zu verbässern begierig/ und unterdessen verärgern/ ist billich Mitleiden zu haben/ und zu sagen/ daß alle Künstler etlichen Gebrechen/ wie alle Menschen/ unterworffen seyen/ gleich als man auch im Sprichwort zu sagen pfleget/ daß der gute Homerus selbst zu zeiten schlaffe/ und sich traumen lasse.

Es meinen etliche/ daß Puntormo aus Traurigkeit oder Widerwillen/ sein Leben geendet/ weiln er ihme selbst in der Kunst nicht können ein Genügen thun/ aber es ist warhaftiger/daß/ indem er sein Lebenlang viel auf Erd und Naß zu mahlen sich bemühet/ er endlich wassersüchtig worden/ auch daran gestorben seye/ als er 63. Jahr seines Alters erreicht/ worauf er in die Kirche von Servi, unter seine Historie von der Heimsuchung Mariae, begraben/ und von allen Mahlern/ Bildhauern und Baumeistern Sein humor. ehrlich begleitet worden. Er war sonst allezeit redlichen Gemüts/ und deßwegen auch beliebt/ redete in Abwesenheit immerzu ehrlich und wol von einem jeglichen. Man hat ihme mit Unwarheit nachgesagt/ daß er sich pflegen zu rühmen und hoch hervor zu streichen/ hingegen aber andere nur zu verachten/ sintemalen dieses sein Gebrauch gar nicht gewesen/ bezeigte sich im übrigen gesparsam/ und in seiner Kleidung mehr schlecht als herrlich/ forchte den Tod sehr/ so/ daß er vom Sterben nicht reden noch hören mochte/ flohe auch annoch den Tod/ als man ihme deßwegen zusprechen/ und ihne darzu disponiren wolte. Er gienge nirgends hin/ wo man Fest-Spiel hielte/ oder da sonst ein Gedräng vom Volk war/ aufdaß er nicht zu todt gedrucket wurde/ hielte sich auch über alle die massen einsam/ und darbey eigensinnig/ da dann/ was die Einsamkeit belangt/ ich darfür halte/ daß solche bey einen Lehr-gierigen und emsigen Geist nicht zu verachten seye/ die Eigensinnigkeit aber eines Künstlers für eine närrische Einbildung/ welche mehr einem selbst/ als seinem Nechsten/ zu Schaden und Nachtheil gereichet.

[Spaltenumbruch] daß man gleichsam/ wie der Geist ein Glied nach dem andern wieder von neuem berühret/ regt und bewegt/ gesehen.

Noch mehr Werke von seiner Hand. Er wurde zu Cajano angenommen/ einen Saal auszumahlen/ aber er machte daselbst nichts als den Carton, in dem einen den Hercules, wie er Antheum erleget/ und in dem andern die Venus und den Adonis, neben noch andern Vorstellungen von nackenden Bildern. Er mahlte auch noch einen andern Carton, von Michäel Angelo und Magdalena in dem Garten/ so unter die guten Werke gerechnet worden/ wiederum eine Venus mit Cupido, welcher sie küsset. Nachmalen nahme er ihm für/ der Manier Buonarotti zu folgen/ Er Arbeitet lieber für gemeine Leute/ als für grosse Herrn. hatte einen Gebrauch/ daß er oftmals für große Herren/ welche wol belohnen/ nicht arbeiten/ hingegen wol für gemeine und schlechte Leute um einen geringen Preiß was färtig machen mögen/ so/ daß er für einen Steinmetzen/ welcher sein Hauß gebauet/ so lang gemahlt/ als lang er an seinem Hauß gearbeitet/ welches aber noch nicht genug war/ sondern er gab ihm noch einige Stuck darzu. Unter andern auch ein Contrafe von Raphäel d’ Urbin gemacht. Sehr geneigt ist er seinem discipul Brunzino, welcher sehr wol gearbeitet/ und ihme viel Dinge mit seinem Carton machen helffen/ gewesen

Mahlet zu Florenz die Capelle S. Laurentii. Es wurde ihm von dem Herzog von Florenz die Capell des heiligen Laurenzii zu machen bestelt/ welche Arbeit er so lang aufgezogen/ daß in eilf Jahren niemand/ weder Freund noch Feind/ kein Mensch/ noch einig lebende Seele/ von ihm darein gelassen worden/ und als etliche Mahler auf den Leiteren hinauf gestiegen/ um heimlich hinein zu sehen/ hat es ihn sehr verdrossen: Dieses aber/ wie man sagt/ hat er derenthalben gethan/ um in solchem Werk alle andere weitberühmte Künstlere/ auch Michäel Angelo selbst/ zu übertreffen. Er machte in die oberste Historie Adam und Eva/ die Sündflut/ und wie Noa in die Archen ziehet/ zur Erden vornen die große Wasserflüß und unzahlbare todte Leichnam/ auch wie Noa mit GOtt redet: Zur andern Seiten mahlte er das Jüngste Gericht/ ganz und gar confus und in einer Unordnung/ die Nackende ohne Unterschied/ daß es ein närrisches Gemähl zu seyn scheinet/ nämlich einen jeden dardurch recht rasend und von Sinnen vorzubilden/ darbey man aber auch sehr schöne posturen der Leichnam merken und warnehmen kan/ als welche mit großem Fleiß und Verstand von ihm herbey gebracht.[Spaltenumbruch] Von allem hat er Modellen aus Erden gemacht/ aber doch keine Maß darinnen gehalten/ womit Indem er gar zu gut arbeiten wil/ mahlet er schlechter. er dann alle andere Gemählde der Künstler zu übertreffen vermeint/ doch hat er mit solchen seine eigene vorhergemachte Werk nicht erreichet/ worbey dieses zu merken/ daß es gar oft zu geschehen pflege/ wo man die von sich selbst milde Natur zwingen will/ man alsdann eher das jenige verderben könne/ was sonst an ihm selbsten sehr gut wäre. Mit den jenigen aber/ welche ihre Kunst zu verbässern begierig/ und unterdessen verärgern/ ist billich Mitleiden zu haben/ und zu sagen/ daß alle Künstler etlichen Gebrechen/ wie alle Menschen/ unterworffen seyen/ gleich als man auch im Sprichwort zu sagen pfleget/ daß der gute Homerus selbst zu zeiten schlaffe/ und sich traumen lasse.

Es meinen etliche/ daß Puntormo aus Traurigkeit oder Widerwillen/ sein Leben geendet/ weiln er ihme selbst in der Kunst nicht können ein Genügen thun/ aber es ist warhaftiger/daß/ indem er sein Lebenlang viel auf Erd und Naß zu mahlen sich bemühet/ er endlich wassersüchtig worden/ auch daran gestorben seye/ als er 63. Jahr seines Alters erreicht/ worauf er in die Kirche von Servi, unter seine Historie von der Heimsuchung Mariae, begraben/ und von allen Mahlern/ Bildhauern und Baumeistern Sein humor. ehrlich begleitet worden. Er war sonst allezeit redlichen Gemüts/ und deßwegen auch beliebt/ redete in Abwesenheit immerzu ehrlich und wol von einem jeglichen. Man hat ihme mit Unwarheit nachgesagt/ daß er sich pflegen zu rühmen und hoch hervor zu streichen/ hingegen aber andere nur zu verachten/ sintemalen dieses sein Gebrauch gar nicht gewesen/ bezeigte sich im übrigen gesparsam/ und in seiner Kleidung mehr schlecht als herrlich/ forchte den Tod sehr/ so/ daß er vom Sterben nicht reden noch hören mochte/ flohe auch annoch den Tod/ als man ihme deßwegen zusprechen/ und ihne darzu disponiren wolte. Er gienge nirgends hin/ wo man Fest-Spiel hielte/ oder da sonst ein Gedräng vom Volk war/ aufdaß er nicht zu todt gedrucket wurde/ hielte sich auch über alle die massen einsam/ und darbey eigensinnig/ da dann/ was die Einsamkeit belangt/ ich darfür halte/ daß solche bey einen Lehr-gierigen und emsigen Geist nicht zu verachten seye/ die Eigensinnigkeit aber eines Künstlers für eine närrische Einbildung/ welche mehr einem selbst/ als seinem Nechsten/ zu Schaden und Nachtheil gereichet.

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[[II, Buch 2 (italienische Künstler), S. 127]/0157] daß man gleichsam/ wie der Geist ein Glied nach dem andern wieder von neuem berühret/ regt und bewegt/ gesehen. Er wurde zu Cajano angenommen/ einen Saal auszumahlen/ aber er machte daselbst nichts als den Carton, in dem einen den Hercules, wie er Antheum erleget/ und in dem andern die Venus und den Adonis, neben noch andern Vorstellungen von nackenden Bildern. Er mahlte auch noch einen andern Carton, von Michäel Angelo und Magdalena in dem Garten/ so unter die guten Werke gerechnet worden/ wiederum eine Venus mit Cupido, welcher sie küsset. Nachmalen nahme er ihm für/ der Manier Buonarotti zu folgen/ Er hatte einen Gebrauch/ daß er oftmals für große Herren/ welche wol belohnen/ nicht arbeiten/ hingegen wol für gemeine und schlechte Leute um einen geringen Preiß was färtig machen mögen/ so/ daß er für einen Steinmetzen/ welcher sein Hauß gebauet/ so lang gemahlt/ als lang er an seinem Hauß gearbeitet/ welches aber noch nicht genug war/ sondern er gab ihm noch einige Stuck darzu. Unter andern auch ein Contrafe von Raphäel d’ Urbin gemacht. Sehr geneigt ist er seinem discipul Brunzino, welcher sehr wol gearbeitet/ und ihme viel Dinge mit seinem Carton machen helffen/ gewesen Noch mehr Werke von seiner Hand. Arbeitet lieber für gemeine Leute/ als für grosse Herrn. Es wurde ihm von dem Herzog von Florenz die Capell des heiligen Laurenzii zu machen bestelt/ welche Arbeit er so lang aufgezogen/ daß in eilf Jahren niemand/ weder Freund noch Feind/ kein Mensch/ noch einig lebende Seele/ von ihm darein gelassen worden/ und als etliche Mahler auf den Leiteren hinauf gestiegen/ um heimlich hinein zu sehen/ hat es ihn sehr verdrossen: Dieses aber/ wie man sagt/ hat er derenthalben gethan/ um in solchem Werk alle andere weitberühmte Künstlere/ auch Michäel Angelo selbst/ zu übertreffen. Er machte in die oberste Historie Adam und Eva/ die Sündflut/ und wie Noa in die Archen ziehet/ zur Erden vornen die große Wasserflüß und unzahlbare todte Leichnam/ auch wie Noa mit GOtt redet: Zur andern Seiten mahlte er das Jüngste Gericht/ ganz und gar confus und in einer Unordnung/ die Nackende ohne Unterschied/ daß es ein närrisches Gemähl zu seyn scheinet/ nämlich einen jeden dardurch recht rasend und von Sinnen vorzubilden/ darbey man aber auch sehr schöne posturen der Leichnam merken und warnehmen kan/ als welche mit großem Fleiß und Verstand von ihm herbey gebracht. Von allem hat er Modellen aus Erden gemacht/ aber doch keine Maß darinnen gehalten/ womit er dann alle andere Gemählde der Künstler zu übertreffen vermeint/ doch hat er mit solchen seine eigene vorhergemachte Werk nicht erreichet/ worbey dieses zu merken/ daß es gar oft zu geschehen pflege/ wo man die von sich selbst milde Natur zwingen will/ man alsdann eher das jenige verderben könne/ was sonst an ihm selbsten sehr gut wäre. Mit den jenigen aber/ welche ihre Kunst zu verbässern begierig/ und unterdessen verärgern/ ist billich Mitleiden zu haben/ und zu sagen/ daß alle Künstler etlichen Gebrechen/ wie alle Menschen/ unterworffen seyen/ gleich als man auch im Sprichwort zu sagen pfleget/ daß der gute Homerus selbst zu zeiten schlaffe/ und sich traumen lasse. Mahlet zu Florenz die Capelle S. Laurentii. Indem er gar zu gut arbeiten wil/ mahlet er schlechter. Es meinen etliche/ daß Puntormo aus Traurigkeit oder Widerwillen/ sein Leben geendet/ weiln er ihme selbst in der Kunst nicht können ein Genügen thun/ aber es ist warhaftiger/daß/ indem er sein Lebenlang viel auf Erd und Naß zu mahlen sich bemühet/ er endlich wassersüchtig worden/ auch daran gestorben seye/ als er 63. Jahr seines Alters erreicht/ worauf er in die Kirche von Servi, unter seine Historie von der Heimsuchung Mariae, begraben/ und von allen Mahlern/ Bildhauern und Baumeistern ehrlich begleitet worden. Er war sonst allezeit redlichen Gemüts/ und deßwegen auch beliebt/ redete in Abwesenheit immerzu ehrlich und wol von einem jeglichen. Man hat ihme mit Unwarheit nachgesagt/ daß er sich pflegen zu rühmen und hoch hervor zu streichen/ hingegen aber andere nur zu verachten/ sintemalen dieses sein Gebrauch gar nicht gewesen/ bezeigte sich im übrigen gesparsam/ und in seiner Kleidung mehr schlecht als herrlich/ forchte den Tod sehr/ so/ daß er vom Sterben nicht reden noch hören mochte/ flohe auch annoch den Tod/ als man ihme deßwegen zusprechen/ und ihne darzu disponiren wolte. Er gienge nirgends hin/ wo man Fest-Spiel hielte/ oder da sonst ein Gedräng vom Volk war/ aufdaß er nicht zu todt gedrucket wurde/ hielte sich auch über alle die massen einsam/ und darbey eigensinnig/ da dann/ was die Einsamkeit belangt/ ich darfür halte/ daß solche bey einen Lehr-gierigen und emsigen Geist nicht zu verachten seye/ die Eigensinnigkeit aber eines Künstlers für eine närrische Einbildung/ welche mehr einem selbst/ als seinem Nechsten/ zu Schaden und Nachtheil gereichet. Sein humor.

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Zitationshilfe: Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 1,2. Nürnberg, 1675, S. [II, Buch 2 (italienische Künstler), S. 127]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sandrart_academie0102_1675/157>, abgerufen am 27.04.2024.