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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang.
dem Andern für die künftige Ehe der unmündigen Tochter
desselben eine Brautgabe verspricht, so ist dieses Verspechen
gewiß gültig, obgleich zur Zeit des Vertrags die Tochter
eben so unfähig zur Ehe ist, wie jene Sklavin zur Zeit
des gemachten Testaments. Denn gerade die Beachtung
veränderlicher Umstände ist ja der Natur der auf eine
unbestimmte Zukunft gerichteten Bedingungen im höchsten
Grade angemessen. Eben darum verhält es sich anders,
wenn die vertragsweise unbedingt versprochene Handlung
selbst eine verbotene Natur hat; hier ist der Vertrag un-
gültig, selbst wenn die Handlung später durch veränderte
Umstände einen erlaubten Character annehmen könnte (x).
Denn die aus dem Vertrag entspringende Obligation ist
nicht, wie eine Bedingung, auf unbestimmte Zukunft be-
rechnet, sondern auf die Gegenwart, und wenn sie in dieser
einen unerlaubten Character hat, so ist der Vertrag schlecht-
hin ungültig (y). Endlich ist auch bey den Bedingungen
nur diejenige Veränderlichkeit zu beachten, die aus den
faktischen Zuständen hervorgeht, nicht die welche eine Ver-
änderung gesetzlicher Vorschriften voraussetzt. Wenn also
Etwas versprochen wird unter der Bedingung, daß eine

ein Deportirter, aber nicht daß
ein servus poenae, begnadigt
werde und die Civität wieder er-
lange. L. 59 § 1. 2 de cond.
(35. 1.).
(x) So z. B. wenn eine Ehe
zwischen Adoptivgeschwistern durch
Vertrag verabredet wird, obgleich
diese Ehe durch spätere Emanci-
pation des einen Theils zulässig
werden kann. L. 35 § 1 de verb.
oblig.
(45. 1.).
(y) Darauf also, und nicht auf
die Beurtheilung der Bedingun-
gen, ist zu beziehen L. 144 § 1
de R. J. (50. 17.). "In stipula-
tionibus id tempus spectatur,
quo contrahimus."

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang.
dem Andern fuͤr die künftige Ehe der unmündigen Tochter
deſſelben eine Brautgabe verſpricht, ſo iſt dieſes Verſpechen
gewiß gültig, obgleich zur Zeit des Vertrags die Tochter
eben ſo unfähig zur Ehe iſt, wie jene Sklavin zur Zeit
des gemachten Teſtaments. Denn gerade die Beachtung
veränderlicher Umſtände iſt ja der Natur der auf eine
unbeſtimmte Zukunft gerichteten Bedingungen im höchſten
Grade angemeſſen. Eben darum verhält es ſich anders,
wenn die vertragsweiſe unbedingt verſprochene Handlung
ſelbſt eine verbotene Natur hat; hier iſt der Vertrag un-
gültig, ſelbſt wenn die Handlung ſpäter durch veränderte
Umſtände einen erlaubten Character annehmen könnte (x).
Denn die aus dem Vertrag entſpringende Obligation iſt
nicht, wie eine Bedingung, auf unbeſtimmte Zukunft be-
rechnet, ſondern auf die Gegenwart, und wenn ſie in dieſer
einen unerlaubten Character hat, ſo iſt der Vertrag ſchlecht-
hin ungültig (y). Endlich iſt auch bey den Bedingungen
nur diejenige Veränderlichkeit zu beachten, die aus den
faktiſchen Zuſtänden hervorgeht, nicht die welche eine Ver-
änderung geſetzlicher Vorſchriften vorausſetzt. Wenn alſo
Etwas verſprochen wird unter der Bedingung, daß eine

ein Deportirter, aber nicht daß
ein servus poenae, begnadigt
werde und die Civität wieder er-
lange. L. 59 § 1. 2 de cond.
(35. 1.).
(x) So z. B. wenn eine Ehe
zwiſchen Adoptivgeſchwiſtern durch
Vertrag verabredet wird, obgleich
dieſe Ehe durch ſpätere Emanci-
pation des einen Theils zuläſſig
werden kann. L. 35 § 1 de verb.
oblig.
(45. 1.).
(y) Darauf alſo, und nicht auf
die Beurtheilung der Bedingun-
gen, iſt zu beziehen L. 144 § 1
de R. J. (50. 17.). „In stipula-
tionibus id tempus spectatur,
quo contrahimus.”
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[168/0180] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang. dem Andern fuͤr die künftige Ehe der unmündigen Tochter deſſelben eine Brautgabe verſpricht, ſo iſt dieſes Verſpechen gewiß gültig, obgleich zur Zeit des Vertrags die Tochter eben ſo unfähig zur Ehe iſt, wie jene Sklavin zur Zeit des gemachten Teſtaments. Denn gerade die Beachtung veränderlicher Umſtände iſt ja der Natur der auf eine unbeſtimmte Zukunft gerichteten Bedingungen im höchſten Grade angemeſſen. Eben darum verhält es ſich anders, wenn die vertragsweiſe unbedingt verſprochene Handlung ſelbſt eine verbotene Natur hat; hier iſt der Vertrag un- gültig, ſelbſt wenn die Handlung ſpäter durch veränderte Umſtände einen erlaubten Character annehmen könnte (x). Denn die aus dem Vertrag entſpringende Obligation iſt nicht, wie eine Bedingung, auf unbeſtimmte Zukunft be- rechnet, ſondern auf die Gegenwart, und wenn ſie in dieſer einen unerlaubten Character hat, ſo iſt der Vertrag ſchlecht- hin ungültig (y). Endlich iſt auch bey den Bedingungen nur diejenige Veränderlichkeit zu beachten, die aus den faktiſchen Zuſtänden hervorgeht, nicht die welche eine Ver- änderung geſetzlicher Vorſchriften vorausſetzt. Wenn alſo Etwas verſprochen wird unter der Bedingung, daß eine (w) (x) So z. B. wenn eine Ehe zwiſchen Adoptivgeſchwiſtern durch Vertrag verabredet wird, obgleich dieſe Ehe durch ſpätere Emanci- pation des einen Theils zuläſſig werden kann. L. 35 § 1 de verb. oblig. (45. 1.). (y) Darauf alſo, und nicht auf die Beurtheilung der Bedingun- gen, iſt zu beziehen L. 144 § 1 de R. J. (50. 17.). „In stipula- tionibus id tempus spectatur, quo contrahimus.” (w) ein Deportirter, aber nicht daß ein servus poenae, begnadigt werde und die Civität wieder er- lange. L. 59 § 1. 2 de cond. (35. 1.).

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840/180>, abgerufen am 27.04.2024.