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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Beylage VIII.
ferner die Rede seyn. -- Bey dieser nun zeigt sich der
oben aufgestellte Unterschied des factischen und Rechtsirr-
thums (Num. III.) vorzüglich wirksam, indem nur der erste,
nicht der zweyte den Anspruch auf die Condiction soll be-
gründen können. Indessen ist dieser wichtige Satz sehr
bestritten, und bedarf einer ausführlichen Darstellung der
entgegen stehenden Meynungen und ihrer Gründe. Da-
durch würde aber, wenn diese gleich hier vorgenommen
werden sollte, der übersichtliche Zusammenhang der Haupt-
untersuchung sehr gestört werden. Ich habe es daher vor-
gezogen, diese Streitfrage hier auszuscheiden, und an das
Ende der gegenwärtigen Abhandlung, als eine für sich
bestehende Untersuchung zu verweisen (Num. XXXV. u. fg.).

Dieses sind die beiden Ausnahmen des Römischen Rechts.
Das canonische Recht fügt eine dritte hinzu, welche sich
auf die Eingehung einer Ehe aus irrigen Voraussetzungen
bezieht. Dadurch soll jedoch die Ehe nur in dem einzigen
Fall nichtig werden, wenn der eine Ehegatte frey, der an-
dere unfrey ist, und der Freye die Unfreyheit des Andern
nicht kannte (h). Im Römischen Recht konnte dieser Fall
gar nicht vorkommen, da für die Sklaven, die einzigen
Unfreyen die bey den Römern vorkommen, eine Ehe über-

(h) c. 4 C. 29. q. 2, C. 2. 4 X.
de conj. serv.
(4. 9.). Böhmer
§ 348. 384 not. a.
Eichhorn II.
S. 352. -- Ohne Grund will die
Praxis dieses auf andere Fälle
ausdehnen. Dazu wird in den
meisten Fällen nicht einmal ein
Bedürfniß vorhanden seyn, da
meist Betrug concurrirt, von wel-
chem dann der Irrthum absorbirt
wird.

Beylage VIII.
ferner die Rede ſeyn. — Bey dieſer nun zeigt ſich der
oben aufgeſtellte Unterſchied des factiſchen und Rechtsirr-
thums (Num. III.) vorzüglich wirkſam, indem nur der erſte,
nicht der zweyte den Anſpruch auf die Condiction ſoll be-
gründen können. Indeſſen iſt dieſer wichtige Satz ſehr
beſtritten, und bedarf einer ausführlichen Darſtellung der
entgegen ſtehenden Meynungen und ihrer Gründe. Da-
durch würde aber, wenn dieſe gleich hier vorgenommen
werden ſollte, der überſichtliche Zuſammenhang der Haupt-
unterſuchung ſehr geſtört werden. Ich habe es daher vor-
gezogen, dieſe Streitfrage hier auszuſcheiden, und an das
Ende der gegenwärtigen Abhandlung, als eine für ſich
beſtehende Unterſuchung zu verweiſen (Num. XXXV. u. fg.).

Dieſes ſind die beiden Ausnahmen des Römiſchen Rechts.
Das canoniſche Recht fügt eine dritte hinzu, welche ſich
auf die Eingehung einer Ehe aus irrigen Vorausſetzungen
bezieht. Dadurch ſoll jedoch die Ehe nur in dem einzigen
Fall nichtig werden, wenn der eine Ehegatte frey, der an-
dere unfrey iſt, und der Freye die Unfreyheit des Andern
nicht kannte (h). Im Römiſchen Recht konnte dieſer Fall
gar nicht vorkommen, da für die Sklaven, die einzigen
Unfreyen die bey den Römern vorkommen, eine Ehe über-

(h) c. 4 C. 29. q. 2, C. 2. 4 X.
de conj. serv.
(4. 9.). Böhmer
§ 348. 384 not. a.
Eichhorn II.
S. 352. — Ohne Grund will die
Praxis dieſes auf andere Fälle
ausdehnen. Dazu wird in den
meiſten Fällen nicht einmal ein
Bedürfniß vorhanden ſeyn, da
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chem dann der Irrthum abſorbirt
wird.
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[362/0374] Beylage VIII. ferner die Rede ſeyn. — Bey dieſer nun zeigt ſich der oben aufgeſtellte Unterſchied des factiſchen und Rechtsirr- thums (Num. III.) vorzüglich wirkſam, indem nur der erſte, nicht der zweyte den Anſpruch auf die Condiction ſoll be- gründen können. Indeſſen iſt dieſer wichtige Satz ſehr beſtritten, und bedarf einer ausführlichen Darſtellung der entgegen ſtehenden Meynungen und ihrer Gründe. Da- durch würde aber, wenn dieſe gleich hier vorgenommen werden ſollte, der überſichtliche Zuſammenhang der Haupt- unterſuchung ſehr geſtört werden. Ich habe es daher vor- gezogen, dieſe Streitfrage hier auszuſcheiden, und an das Ende der gegenwärtigen Abhandlung, als eine für ſich beſtehende Unterſuchung zu verweiſen (Num. XXXV. u. fg.). Dieſes ſind die beiden Ausnahmen des Römiſchen Rechts. Das canoniſche Recht fügt eine dritte hinzu, welche ſich auf die Eingehung einer Ehe aus irrigen Vorausſetzungen bezieht. Dadurch ſoll jedoch die Ehe nur in dem einzigen Fall nichtig werden, wenn der eine Ehegatte frey, der an- dere unfrey iſt, und der Freye die Unfreyheit des Andern nicht kannte (h). Im Römiſchen Recht konnte dieſer Fall gar nicht vorkommen, da für die Sklaven, die einzigen Unfreyen die bey den Römern vorkommen, eine Ehe über- (h) c. 4 C. 29. q. 2, C. 2. 4 X. de conj. serv. (4. 9.). Böhmer § 348. 384 not. a. Eichhorn II. S. 352. — Ohne Grund will die Praxis dieſes auf andere Fälle ausdehnen. Dazu wird in den meiſten Fällen nicht einmal ein Bedürfniß vorhanden ſeyn, da meiſt Betrug concurrirt, von wel- chem dann der Irrthum abſorbirt wird.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 362. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840/374>, abgerufen am 26.04.2024.