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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841.

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§. 199. Zeit. 6. Unvordenkliche Zeit. Anwendung.
§. 199.
VI. Die Zeit. 6. Unvordenkliche Zeit. Anwendung.

Nachdem auf historischem Wege für dieses Rechtsinsti-
tut eine Grundlage gefunden worden ist, soll nunmehr des-
sen praktische Natur im Einzelnen dargestellt werden. Dazu
ist es nöthig, zwey Stücke genau zu bestimmen: Erstlich
die Fälle der Anwendung, zweytens die Art der An-
wendung.

Über die Fälle der Anwendung müssen wir nach dem
aufgestellten Grundsatz (§ 198) behaupten, daß die unvor-
denkliche Zeit in rein privatrechtlichen Verhältnissen nie-
mals zur Anwendung kommt. Also namentlich nicht bey
Servituten, wobey sie durch die weit leichtere zehenjährige
Ersitzung überflüssig wird. -- Aber auch nicht bey dem
Pfandrecht und den Obligationen, worin sie allerdings
nicht überflüssig seyn würde, da in denselben eine Ersitzung
überhaupt nicht vorkommt, aber auch nicht als Bedürfniß
anerkannt werden kann. Es ist daher bey diesen Rechts-
instituten die Zeit lediglich vermittelst der Klagverjährung
wirksam' und die unvordenkliche Zeit greift nicht ergän-
zend ein. -- Bey den zahlreichen und wichtigen Reallasten
des Germanischen Rechts ist folgender Unterschied zu be-
obachten. Diejenigen, welche als bloße Modificationen des
Grundeigenthums zu betrachten sind, werden, so wie die
Römischen Servituten, durch Ersitzung von 10 und 20
Jahren erworben, und bedürfen der unvordenklichen Zeit

IV. 33
§. 199. Zeit. 6. Unvordenkliche Zeit. Anwendung.
§. 199.
VI. Die Zeit. 6. Unvordenkliche Zeit. Anwendung.

Nachdem auf hiſtoriſchem Wege für dieſes Rechtsinſti-
tut eine Grundlage gefunden worden iſt, ſoll nunmehr deſ-
ſen praktiſche Natur im Einzelnen dargeſtellt werden. Dazu
iſt es nöthig, zwey Stücke genau zu beſtimmen: Erſtlich
die Fälle der Anwendung, zweytens die Art der An-
wendung.

Über die Fälle der Anwendung müſſen wir nach dem
aufgeſtellten Grundſatz (§ 198) behaupten, daß die unvor-
denkliche Zeit in rein privatrechtlichen Verhältniſſen nie-
mals zur Anwendung kommt. Alſo namentlich nicht bey
Servituten, wobey ſie durch die weit leichtere zehenjährige
Erſitzung überflüſſig wird. — Aber auch nicht bey dem
Pfandrecht und den Obligationen, worin ſie allerdings
nicht überflüſſig ſeyn würde, da in denſelben eine Erſitzung
überhaupt nicht vorkommt, aber auch nicht als Bedürfniß
anerkannt werden kann. Es iſt daher bey dieſen Rechts-
inſtituten die Zeit lediglich vermittelſt der Klagverjährung
wirkſam’ und die unvordenkliche Zeit greift nicht ergän-
zend ein. — Bey den zahlreichen und wichtigen Reallaſten
des Germaniſchen Rechts iſt folgender Unterſchied zu be-
obachten. Diejenigen, welche als bloße Modificationen des
Grundeigenthums zu betrachten ſind, werden, ſo wie die
Römiſchen Servituten, durch Erſitzung von 10 und 20
Jahren erworben, und bedürfen der unvordenklichen Zeit

IV. 33
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[513/0527] §. 199. Zeit. 6. Unvordenkliche Zeit. Anwendung. §. 199. VI. Die Zeit. 6. Unvordenkliche Zeit. Anwendung. Nachdem auf hiſtoriſchem Wege für dieſes Rechtsinſti- tut eine Grundlage gefunden worden iſt, ſoll nunmehr deſ- ſen praktiſche Natur im Einzelnen dargeſtellt werden. Dazu iſt es nöthig, zwey Stücke genau zu beſtimmen: Erſtlich die Fälle der Anwendung, zweytens die Art der An- wendung. Über die Fälle der Anwendung müſſen wir nach dem aufgeſtellten Grundſatz (§ 198) behaupten, daß die unvor- denkliche Zeit in rein privatrechtlichen Verhältniſſen nie- mals zur Anwendung kommt. Alſo namentlich nicht bey Servituten, wobey ſie durch die weit leichtere zehenjährige Erſitzung überflüſſig wird. — Aber auch nicht bey dem Pfandrecht und den Obligationen, worin ſie allerdings nicht überflüſſig ſeyn würde, da in denſelben eine Erſitzung überhaupt nicht vorkommt, aber auch nicht als Bedürfniß anerkannt werden kann. Es iſt daher bey dieſen Rechts- inſtituten die Zeit lediglich vermittelſt der Klagverjährung wirkſam’ und die unvordenkliche Zeit greift nicht ergän- zend ein. — Bey den zahlreichen und wichtigen Reallaſten des Germaniſchen Rechts iſt folgender Unterſchied zu be- obachten. Diejenigen, welche als bloße Modificationen des Grundeigenthums zu betrachten ſind, werden, ſo wie die Römiſchen Servituten, durch Erſitzung von 10 und 20 Jahren erworben, und bedürfen der unvordenklichen Zeit IV. 33

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841, S. 513. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/527>, abgerufen am 27.04.2024.