Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849.

Bild:
<< vorherige Seite

Buch III. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
hatte (b). -- Um diese Behauptung an oben erklärte Kunst-
ausdrücke anzuknüpfen, müssen wir sagen, daß die Gesetze
über das Erbrecht zu den Personalstatuten gehören,
indem sie principaliter die Person, und nur mittelbar auch
Sachen, zum Gegenstand haben (§ 361).

Die Richtigkeit dieser Behauptung wird noch durch fol-
gende Betrachtungen bestätigt. Wollte man den Wohnsitz
des Erblassers nicht als bestimmend ansehen für das örtliche
Recht, so bliebe kein anderer Ort übrig, an den wir das
Erbrecht anknüpfen könnten, als der Ort, wo sich das hin-
terlassene Vermögen, die Erbschaft, befindet, so daß dann
die lex rei sitae entscheiden müßte. Wo ist nun aber dieser
Ort? Das Vermögen als Ganzes ist ein ideales Object
von völlig unbestimmtem Inhalt (c), möglicherweise beste-
hend aus Eigenthum und anderen Rechten an einzelnen
Sachen, aus Forderungen und Schulden, welche letzte Be-
standtheile sogar ein völlig unsichtbares Daseyn haben.
Dieses Vermögen also ist überall und nirgend, so daß ein
locus rei sitae dafür gar nicht aufzufinden ist. Es wäre
ein ganz willkürlicher Behelf, wenn man den Ort annehmen
wollte, wo der größere Theil der Erbschaft liegt, denn theils
ist dieser Begriff völlig schwankend, theils hat der kleinere

(b) S. o. § 359. Nach Rö-
mischem Recht war vielmehr das
Recht der origo zunächst ent-
scheidend (§ 357). -- Bei dem
Tode eines Vagabunden, der keinen
Wohnsitz hat, entscheidet das Recht
seiner Herkunft, und, wenn auch
diese nicht zu ermitteln ist, das
Recht des letzten Aufenthalts, d. h.
des Ortes wo er starb (§ 359).
(c) S. o. B. 1 § 56.

Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
hatte (b). — Um dieſe Behauptung an oben erklärte Kunſt-
ausdrücke anzuknüpfen, müſſen wir ſagen, daß die Geſetze
über das Erbrecht zu den Perſonalſtatuten gehören,
indem ſie principaliter die Perſon, und nur mittelbar auch
Sachen, zum Gegenſtand haben (§ 361).

Die Richtigkeit dieſer Behauptung wird noch durch fol-
gende Betrachtungen beſtätigt. Wollte man den Wohnſitz
des Erblaſſers nicht als beſtimmend anſehen für das örtliche
Recht, ſo bliebe kein anderer Ort übrig, an den wir das
Erbrecht anknüpfen könnten, als der Ort, wo ſich das hin-
terlaſſene Vermögen, die Erbſchaft, befindet, ſo daß dann
die lex rei sitae entſcheiden müßte. Wo iſt nun aber dieſer
Ort? Das Vermögen als Ganzes iſt ein ideales Object
von völlig unbeſtimmtem Inhalt (c), möglicherweiſe beſte-
hend aus Eigenthum und anderen Rechten an einzelnen
Sachen, aus Forderungen und Schulden, welche letzte Be-
ſtandtheile ſogar ein völlig unſichtbares Daſeyn haben.
Dieſes Vermögen alſo iſt überall und nirgend, ſo daß ein
locus rei sitae dafür gar nicht aufzufinden iſt. Es wäre
ein ganz willkürlicher Behelf, wenn man den Ort annehmen
wollte, wo der größere Theil der Erbſchaft liegt, denn theils
iſt dieſer Begriff völlig ſchwankend, theils hat der kleinere

(b) S. o. § 359. Nach Rö-
miſchem Recht war vielmehr das
Recht der origo zunächſt ent-
ſcheidend (§ 357). — Bei dem
Tode eines Vagabunden, der keinen
Wohnſitz hat, entſcheidet das Recht
ſeiner Herkunft, und, wenn auch
dieſe nicht zu ermitteln iſt, das
Recht des letzten Aufenthalts, d. h.
des Ortes wo er ſtarb (§ 359).
(c) S. o. B. 1 § 56.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0318" n="296"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">III.</hi> Herr&#x017F;chaft der Rechtsregeln. Kap. <hi rendition="#aq">I.</hi> Örtliche Gränzen.</fw><lb/>
hatte <note place="foot" n="(b)">S. o. § 359. Nach Rö-<lb/>
mi&#x017F;chem Recht war vielmehr das<lb/>
Recht der <hi rendition="#aq">origo</hi> zunäch&#x017F;t ent-<lb/>
&#x017F;cheidend (§ 357). &#x2014; Bei dem<lb/>
Tode eines Vagabunden, der keinen<lb/>
Wohn&#x017F;itz hat, ent&#x017F;cheidet das Recht<lb/>
&#x017F;einer Herkunft, und, wenn auch<lb/>
die&#x017F;e nicht zu ermitteln i&#x017F;t, das<lb/>
Recht des letzten Aufenthalts, d. h.<lb/>
des Ortes wo er &#x017F;tarb (§ 359).</note>. &#x2014; Um die&#x017F;e Behauptung an oben erklärte Kun&#x017F;t-<lb/>
ausdrücke anzuknüpfen, mü&#x017F;&#x017F;en wir &#x017F;agen, daß die Ge&#x017F;etze<lb/>
über das Erbrecht zu den <hi rendition="#g">Per&#x017F;onal&#x017F;tatuten</hi> gehören,<lb/>
indem &#x017F;ie <hi rendition="#aq">principaliter</hi> die Per&#x017F;on, und nur mittelbar auch<lb/>
Sachen, zum Gegen&#x017F;tand haben (§ 361).</p><lb/>
            <p>Die Richtigkeit die&#x017F;er Behauptung wird noch durch fol-<lb/>
gende Betrachtungen be&#x017F;tätigt. Wollte man den Wohn&#x017F;itz<lb/>
des Erbla&#x017F;&#x017F;ers nicht als be&#x017F;timmend an&#x017F;ehen für das örtliche<lb/>
Recht, &#x017F;o bliebe kein anderer Ort übrig, an den wir das<lb/>
Erbrecht anknüpfen könnten, als der Ort, wo &#x017F;ich das hin-<lb/>
terla&#x017F;&#x017F;ene Vermögen, die Erb&#x017F;chaft, befindet, &#x017F;o daß dann<lb/>
die <hi rendition="#aq">lex rei sitae</hi> ent&#x017F;cheiden müßte. Wo i&#x017F;t nun aber die&#x017F;er<lb/>
Ort? Das Vermögen als Ganzes i&#x017F;t ein ideales Object<lb/>
von völlig unbe&#x017F;timmtem Inhalt <note place="foot" n="(c)">S. o. B. 1 § 56.</note>, möglicherwei&#x017F;e be&#x017F;te-<lb/>
hend aus Eigenthum und anderen Rechten an einzelnen<lb/>
Sachen, aus Forderungen und Schulden, welche letzte Be-<lb/>
&#x017F;tandtheile &#x017F;ogar ein völlig un&#x017F;ichtbares Da&#x017F;eyn haben.<lb/>
Die&#x017F;es Vermögen al&#x017F;o i&#x017F;t überall und nirgend, &#x017F;o daß ein<lb/><hi rendition="#aq">locus rei sitae</hi> dafür gar nicht aufzufinden i&#x017F;t. Es wäre<lb/>
ein ganz willkürlicher Behelf, wenn man den Ort annehmen<lb/>
wollte, wo der größere Theil der Erb&#x017F;chaft liegt, denn theils<lb/>
i&#x017F;t die&#x017F;er Begriff völlig &#x017F;chwankend, theils hat der kleinere<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[296/0318] Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen. hatte (b). — Um dieſe Behauptung an oben erklärte Kunſt- ausdrücke anzuknüpfen, müſſen wir ſagen, daß die Geſetze über das Erbrecht zu den Perſonalſtatuten gehören, indem ſie principaliter die Perſon, und nur mittelbar auch Sachen, zum Gegenſtand haben (§ 361). Die Richtigkeit dieſer Behauptung wird noch durch fol- gende Betrachtungen beſtätigt. Wollte man den Wohnſitz des Erblaſſers nicht als beſtimmend anſehen für das örtliche Recht, ſo bliebe kein anderer Ort übrig, an den wir das Erbrecht anknüpfen könnten, als der Ort, wo ſich das hin- terlaſſene Vermögen, die Erbſchaft, befindet, ſo daß dann die lex rei sitae entſcheiden müßte. Wo iſt nun aber dieſer Ort? Das Vermögen als Ganzes iſt ein ideales Object von völlig unbeſtimmtem Inhalt (c), möglicherweiſe beſte- hend aus Eigenthum und anderen Rechten an einzelnen Sachen, aus Forderungen und Schulden, welche letzte Be- ſtandtheile ſogar ein völlig unſichtbares Daſeyn haben. Dieſes Vermögen alſo iſt überall und nirgend, ſo daß ein locus rei sitae dafür gar nicht aufzufinden iſt. Es wäre ein ganz willkürlicher Behelf, wenn man den Ort annehmen wollte, wo der größere Theil der Erbſchaft liegt, denn theils iſt dieſer Begriff völlig ſchwankend, theils hat der kleinere (b) S. o. § 359. Nach Rö- miſchem Recht war vielmehr das Recht der origo zunächſt ent- ſcheidend (§ 357). — Bei dem Tode eines Vagabunden, der keinen Wohnſitz hat, entſcheidet das Recht ſeiner Herkunft, und, wenn auch dieſe nicht zu ermitteln iſt, das Recht des letzten Aufenthalts, d. h. des Ortes wo er ſtarb (§ 359). (c) S. o. B. 1 § 56.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/318
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/318>, abgerufen am 26.04.2024.