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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849.

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§. 388. A. Erwerb der Rechte. -- Anwendungen.
neues Gesetz vor oder nach einer solchen Thatsache erlassen
seyn mag.

Dagegen giebt es manche andere Thatsachen, die sich
über einen ganzen Zeitraum verbreiten, entweder indem sie
einen gleichmäßig fortgesetzten Zustand voraussetzen (wie
die Usucapion und die Klagverjährung), oder indem sie aus
mehreren, der Zeit nach auseinander liegenden, einzelnen
Ereignissen zusammengesetzt sind (wie die Testamente). Bei
diesen ist die Bestimmung des Zeitverhältnisses zu einem
neuen Gesetze schwierig und verwickelt, so daß sie nur durch
sorgfältige Beachtung und Unterscheidung der einzelnen Um-
stände gelingen kann, indem das neue Gesetz oft erlassen
wird zu einer Zeit, welche zwischen dem Anfang und der
Vollendung einer solchen Thatsache liegt.

In den juristischen Thatsachen der ersten, einfacheren Art
(den augenblicklichen Ereignissen) verdienen besonders zwei
Momente unsere Aufmerksamkeit, worüber eine gemeinsame
Vorbemerkung hier ihre rechte Stelle finden wird: die
Handlungsfähigkeit der betheiligten Personen, und die juri-
stische Form der Rechtsgeschäfte.

Die Handlungsfähigkeit ist ausschließend zu beurtheilen
nach der Zeit der juristischen Thatsache, sowohl was den
faktischen Zustand, als was das bestehende Gesetz betrifft.
Schließt also ein Minderjähriger ohne Vormund einen Ver-
trag, so ist und bleibt dieser Vertrag ungültig, auch nach-
dem das volljährige Alter erreicht ist; eben so aber auch,
wenn ein späteres Gesetz den Zeitpunkt der Volljährigkeit

§. 388. A. Erwerb der Rechte. — Anwendungen.
neues Geſetz vor oder nach einer ſolchen Thatſache erlaſſen
ſeyn mag.

Dagegen giebt es manche andere Thatſachen, die ſich
über einen ganzen Zeitraum verbreiten, entweder indem ſie
einen gleichmäßig fortgeſetzten Zuſtand vorausſetzen (wie
die Uſucapion und die Klagverjährung), oder indem ſie aus
mehreren, der Zeit nach auseinander liegenden, einzelnen
Ereigniſſen zuſammengeſetzt ſind (wie die Teſtamente). Bei
dieſen iſt die Beſtimmung des Zeitverhältniſſes zu einem
neuen Geſetze ſchwierig und verwickelt, ſo daß ſie nur durch
ſorgfältige Beachtung und Unterſcheidung der einzelnen Um-
ſtände gelingen kann, indem das neue Geſetz oft erlaſſen
wird zu einer Zeit, welche zwiſchen dem Anfang und der
Vollendung einer ſolchen Thatſache liegt.

In den juriſtiſchen Thatſachen der erſten, einfacheren Art
(den augenblicklichen Ereigniſſen) verdienen beſonders zwei
Momente unſere Aufmerkſamkeit, worüber eine gemeinſame
Vorbemerkung hier ihre rechte Stelle finden wird: die
Handlungsfähigkeit der betheiligten Perſonen, und die juri-
ſtiſche Form der Rechtsgeſchäfte.

Die Handlungsfähigkeit iſt ausſchließend zu beurtheilen
nach der Zeit der juriſtiſchen Thatſache, ſowohl was den
faktiſchen Zuſtand, als was das beſtehende Geſetz betrifft.
Schließt alſo ein Minderjähriger ohne Vormund einen Ver-
trag, ſo iſt und bleibt dieſer Vertrag ungültig, auch nach-
dem das volljährige Alter erreicht iſt; eben ſo aber auch,
wenn ein ſpäteres Geſetz den Zeitpunkt der Volljährigkeit

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[407/0429] §. 388. A. Erwerb der Rechte. — Anwendungen. neues Geſetz vor oder nach einer ſolchen Thatſache erlaſſen ſeyn mag. Dagegen giebt es manche andere Thatſachen, die ſich über einen ganzen Zeitraum verbreiten, entweder indem ſie einen gleichmäßig fortgeſetzten Zuſtand vorausſetzen (wie die Uſucapion und die Klagverjährung), oder indem ſie aus mehreren, der Zeit nach auseinander liegenden, einzelnen Ereigniſſen zuſammengeſetzt ſind (wie die Teſtamente). Bei dieſen iſt die Beſtimmung des Zeitverhältniſſes zu einem neuen Geſetze ſchwierig und verwickelt, ſo daß ſie nur durch ſorgfältige Beachtung und Unterſcheidung der einzelnen Um- ſtände gelingen kann, indem das neue Geſetz oft erlaſſen wird zu einer Zeit, welche zwiſchen dem Anfang und der Vollendung einer ſolchen Thatſache liegt. In den juriſtiſchen Thatſachen der erſten, einfacheren Art (den augenblicklichen Ereigniſſen) verdienen beſonders zwei Momente unſere Aufmerkſamkeit, worüber eine gemeinſame Vorbemerkung hier ihre rechte Stelle finden wird: die Handlungsfähigkeit der betheiligten Perſonen, und die juri- ſtiſche Form der Rechtsgeſchäfte. Die Handlungsfähigkeit iſt ausſchließend zu beurtheilen nach der Zeit der juriſtiſchen Thatſache, ſowohl was den faktiſchen Zuſtand, als was das beſtehende Geſetz betrifft. Schließt alſo ein Minderjähriger ohne Vormund einen Ver- trag, ſo iſt und bleibt dieſer Vertrag ungültig, auch nach- dem das volljährige Alter erreicht iſt; eben ſo aber auch, wenn ein ſpäteres Geſetz den Zeitpunkt der Volljährigkeit

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 407. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/429>, abgerufen am 26.04.2024.